SICK OF SILENCE

Die Veganer vom Grill

Ihr könnt mit dem Ausdruck „Hardcore-Emo-Noise“ nichts anfangen? Na dann solltet ihr euch dringend SICK OF SILENCE aus Graz anhören. Der Slogan „Resistance Not Entertainment“ sagt euch auch nix? Dann müsst ihr auch gleich die Texte dazu lesen. Als Vorgeschmack habe ich mal mit Chris (Vox/Git.) und Pat (Git.) dieses nette Interview geführt, Bassist Ali und Drummer Flex waren im Geiste anwesend. Das gute Stück entstand übrigens kurz bevor sich die Band knapp vor Weihnachten aufgelöst hat und wurde einige Tage nach der Reunion fertig gestellt...

Ihr wart gerade auf Tour?


Pat: Ja stimmt, und zwar hätte die Tour in Bad Tölz anfangen sollen, aber zu unserem Entsetzen hat es der Veranstalter versäumt, uns davon in Kenntnis zu setzen, dass eben dieses Konzert gar nicht stattfinden würde. So feierten wir eine Grillparty auf offenem Feld, wo wir auch übernachteten, und am nächsten Tag auf herrlichste Weise von einem Bilderbuchbayern, der wohl den Beruf des Holzhackers ausübte, geweckt wurden. Gestärkt von Luft, Liebe und bayrischer Lebenslust ging es weiter nach Belgien ins wunderschöne Eupen. Dort hatten wir ein sehr typisches Hardcore-Konzert in einem ehemaligen Schlachthaus. Die Geister der ermordeten Kühe beflügelten uns zu schier unglaublichen Leistungen, was unsere Performance betraf. Ich bekam diese Elektroschocks über’s Mikro, nach denen ich im Laufe der Tour regelrecht süchtig wurde – und glaubt nicht, ich hätte sie überall bekommen! Nach einer lustigen Nacht machten wir uns per Fähre auf nach England. Am nächsten Tag hatten wir dann unseren ersten von insgesamt fünf England-Gigs, und zwar mit GOOD CLEAN FUN in der Nähe von London. Am Tag darauf spielten wir dann direkt in London im berühmten ‚Garage‘, wieder mit dieser von ihrem Image zehrenden Band. Aber ich glaube, ich bringe irgendwie alles durcheinander, da ich mich jetzt wirklich nicht an die nächsten Shows erinnern kann. Jedenfalls hatten wir noch einige wirklich gute Gigs, und unser Fahrer Toni hat mich einmal angekotzt, das muss man erlebt haben. Wir verloren Geld beim Glücksspiel, Chris und ich entdeckten unseren Hang für bizarre Magazine, Ali ließ sich seine Haare beim Friseur von OASIS abschneiden und wir wissen jetzt, wie es ist, in einer Schwulenbar zu spielen. Was will man mehr vom Leben?
Chris: Hmm, ich wusste gar nicht, dass wir einen Poeten als Gitarristen haben... Was die Magazine betrifft, kannte ich bis zu dieser Tour echt niemanden, der Zeitschriften voll mit Fotos von Geköpften sammelt, aber diese eine Wohnung in der wir übernachtet haben, war wirklich voll damit! Übrigens, das von Pat erwähnte Feld in Bad Tölz lag direkt neben einem Wald, der in einem Übungsgebiet der Bundeswehr liegt. Eine interessante Nacht...

Eine Kanadatour habt ihr ja auch schon hinter euch. Wie kommt denn eine Band aus Graz zu so etwas bzw. einem Deal mit einem kanadischen Label?

Chris: Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie Freedumb Recordz auf uns gekommen sind, wir haben nämlich kaum Promos an irgendwelche Labels verschickt. Wir waren deshalb zuerst auch sehr skeptisch, haben dann aber mit ein paar Leuten über das Label gesprochen und uns schließlich entschlossen, etwas hin zu schicken. Im April kam dann die Tour mit 59 TIMES THE PAIN und WITHIN REACH, was schon eine sehr aufregende und wichtige Erfahrung für uns war. Vor allem, da die Shows für uns doch viel erfolgreicher waren, als wir angenommen hatten. Wir sind ja in Kanada eigentlich noch total unbekannt. Die Tatsache, dass wir aus Graz kommen, spielt dabei aber, denke ich, eine eher untergeordnete Rolle. Ich glaube, dass jede Band die Möglichkeit hat, einen bestimmten Bekanntheitsgrad zu erlangen, wenn sie einfach viel tourt und so viele Konzerte wie möglich spielt, ganz egal, woher sie kommt.

Chris, du bist straight edge, ihr seid alle vegan - inwiefern ist das für die Band von Bedeutung?

Chris: Ich denke, dass wir alle Mitverantwortung bei der Gestaltung unserer Umwelt tragen. Bei S.O.S. leben alle vegan, weil wir es nicht unterstützen wollen, dass Lebewesen zu Produkten degradiert und ausgebeutet werden. So gesehen ist also die Entscheidung zum Veganismus eine politische, die sich gegen unsere Konsumgesellschaft richtet. Es ist eine Möglichkeit, aktiv bei sich selbst anzufangen, etwas zu verändern. Das heißt aber nicht, dass es damit allein schon getan ist. Es gibt unzählige verschiedene Möglichkeiten, aktiv zu werden. Musik ist dabei ein sehr gutes Mittel, um unsere Ideen weiterzugeben.

Resistance not entertainment?


Pat: Wir versuchen, im Gegensatz zu der von der breiten Masse bevorzugten Art von Musik, die auf banale Mittel wie z.B. sehr einfache, lustige und bedeutungslose Texte setzt, auf unsere Art einen Gegenpol zu schaffen, der mit genau den gegenteiligen Mitteln arbeitet, z.B. komplexe Rhythmen oder nicht sofort nachvollziehbare Liedstrukturen. Vor allem versuchen wir auch mit den Lyrics eine Diskussionsbasis zu schaffen.

S.O.S. haben wieder einen Besetzungswechsel durchgemacht.

Chris: Eigentlich ist es ja kein richtiger Besetzungswechsel. Unser Bassist Ali ist für die nächsten Monate in Afrika, was für ihn persönlich glaube ich sehr wichtig ist. Damit wir aber nicht pausieren müssen, werden wir während dieser Zeit mit einem Ersatzbassisten oder einer Ersatzbassistin spielen, die Mitglieder in dieser Hinsicht variieren zur Zeit...

Ihr habt bis jetzt eine 7“ und eine MCD veröffentlicht - wann kommt denn endlich ein „richtiges“ Album? Und was ist in nächster Zeit von S.O.S. zu erwarten?

Chris: Gemäß unserer hohen Ansprüche wollen wir erst ein Album veröffentlichen, wenn wir glauben, auch eines produzieren zu können, mit dem wir auch nach zwei Jahren noch zufrieden sind. Ich denke aber, dass es so gegen 2003 ein S.O.S.-Album geben wird. Ansonsten wollen wir versuchen, in Zukunft mehr zu touren, um unsere Musik auch live an mehr Leute zu bringen.

Ok, muss noch was ganz dringend raus?

Chris: Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um allen zu danken, die es uns überhaupt erst ermöglichen, Konzerte zu spielen, auf Tour zu gehen usw. Also all jenen, die Shows veranstalten, oder in irgendeiner Form daran mitarbeiten, sei es, indem sie für die Bands kochen, Schlafplätze bereitstellen oder Flyer austeilen. Ich helfe manchmal selbst bei Konzerten zu Hause mit, und weiß daher, dass das echt viel Arbeit bedeutet.

Ein wahres Wort, ich danke euch fürs Interview!