MARS VOLTA

Afro-Rock

Eine Million verkaufte Platten, Shows mit RAGE AGAINST THE MACHINE in den USA, eine ausverkaufte Europatour und dann der Split, nachdem die Europatour abgebrochen wurde. Klingt alles nicht ganz realistisch... Genau das ist aber die Geschichte von AT THE DRIVE-IN, eine der einflussreichsten und progressivsten Bands der letzten Zeit mit einer nahezu legendären Live-Reputation eine Gruppe, die man vermissen wird. Nun sind Omar (Gitarre) und Cedric (Gesang) zurück genau, die beiden mit den Afros , mit einer nicht minder aufregenden Band namens THE MARS VOLTA.

Unser Gespräch fand im Berliner SO36 statt, kurz bevor TMV eine energiegeladene, wenn auch klanglich etwas konfuse Show im Vorprogramm von LES SAVY FAV spielten. Die rockige Eingängigkeit von einigen ATD-I Kompositionen wurde bestimmt von einigen Anwesenden vermisst, aber dafür führen TMV-Songs einen in neue rhythmische und tonale Gefilde, die durchaus großen Charme und große Power haben. Mittlerweile haben TMV übrigens bei Universal unterschrieben - den Teil des Interviews, in dem die Herren die Fahne des Indie-Spirits hoch hielten, haben wir aus gegebenem Anlass mit der Löschen-Taste spezialbehandelt...

Das Ende von At THE DRIVE-IN ist wahrscheinlich nicht gerade euer favorisiertes Thema...


Cedric:
"Schon okay, wir wussten, dass wir nicht um das Thema herumkommen würden, haha.

Es gab ja viele Gerüchte den Split betreffend, was ist wirklich passiert?

Cedric: Es gab ja diese letzte Tour: manche Shows liefen gut, andere hingegen waren echt scheiße und die Leute bemerkten, dass irgendwas nicht stimmte. Wir hatten zu dieser Zeit ein wirklich mieses Management, das einfach nicht einsehen konnte bzw. wollte, dass man auch mal Stop sagen muss und uns eine Pause gewähren sollte. Wir wurden einfach nicht ernst genommen und von ihnen wie kleine Kinder behandelt. Darüber hinaus gab es aber auch persönliche und vor allem musikalische Differenzen innerhalb der Band. Die anderen wollten einfach noch rock-orientierter werden und wir wollten eher das machen, was wir jetzt machen.
Omar: All diese Gründe führten schließlich dazu, dass wir beide die Band verlassen haben. Es schien uns der ehrlichste Schritt zu sein.
Cedric: Es gab uns als Band ja sechs Jahre, eine ganz schön lange Zeit, wobei die meisten Leute denken, wir hätten erst mit dem One Armed Scissor-Video angefangen.

Habt ihr denn Kontakt zu den anderen Jungs, die jetzt ja gemeinsam bei SPARTA spielen?

Omar: Sie sprechen momentan nicht mit uns, denn wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätte es mit ATD-I noch lange weitergehen können, aber für uns war einfach der Punkt erreicht, an dem wir die Sache beenden wollten. Daraufhin mussten sie sozusagen auch etwas Neues an den Start bringen. Aber die letzten zehn Jahre waren wir sehr gute Freunde und ich glaube fest daran, dass die Zeit diese Wunden heilen wird. Irgendwann werden wir wieder Kontakt haben, aber momentan können sie unsere Entscheidung nicht verstehen.

Kurz nachdem sich ATD-I getrennt hatten, wart ihr bereits wieder mit DEFACTO, eurem Dub-Projekt, auf Tour. War das ein Versuch, sich von dem bestehenden Rock-Kontext zu lösen?

Cedric: Dazu muss ich erst mal sagen, dass es DEFACTO schon seit 1995 gibt. Es sah also nur so aus, als ob wir eine Sache beendet und eine andere ins Leben gerufen haben. DEFACTO ist etwas, das wir schon lange machen und auf jeden Fall auch weiter machen werden!
Omar: Beide Bands liefen bereits längere Zeit parallel. Nach einer ATD-I Tour sind die anderen drei nach Hause gefahren, während Cedric und ich gleich wieder auf Tour mit DEFACTO gegangen sind bzw. eine DEFACTO-Platte gemacht haben. Als wir die ATD-I Europa-Tournee abgebrochen haben, war die DEFACTO-Tour bereits gebucht.

Kommen wir zu eurer neuen Band THE MARS VOLTA. Alex Newport hatte bereits das 98er-Album In Casino Out von ATD-I produziert und nun auch eure neue EP Tremulant. War das ein bewusster Schritt zurück zu den Wurzeln?

Cedric: Alex ist in erster Linie ein Freund, aber es war auch ein bewusster Schritt zurück zu unseren Wurzeln. Alex sollte ja ursprünglich auch die letzte ATD-I-Platte Relationship of Command produzieren, aber dann trafen wir den KORN-Produzenten Ross Robinson, dessen Arbeitsweise uns noch besser gefiel. Deshalb machten wir damals die Platte mit ihm, was natürlich zu Spannungen mit Alex führte, aber mittlerweile versteht er, dass wir zu dem Zeitpunkt einfach eine anders klingende Platte machen wollten.
Omar: Mit THE MARS VOLTA wollten wir wirklich von vorne anfangen und nicht von einem fahrenden Zug auf den nächsten springen. Als ATD-I endete, mussten wir uns, wie immer im Leben, wenn eine bestimmte Phase endet, neu definieren und herausfinden, was genau wir machen wollen. Und da wurde uns dann klar, dass wir nicht sofort wieder mit einem Riesenproduzenten an den Start gehen wollen. Andererseits möchten wir natürlich gut klingen und einen guten Sound auf Platte haben. Es hätte die Entwicklung dieser Band gefährdet, wenn wir sofort nach ATD-I eine weitere Platte mit einem bekannten Produzenten aufgenommen hätten und dann sofort auf eine Riesentour mit einer großen Band gegangen wären. Stattdessen sind wir also Zuhause geblieben, haben sehr viel geprobt und ein paar lokale Gigs gespielt und sind dann mit unserem Freund Alex Newport, der unsere Vorstellungen genau kennt, ins Studio gegangen. Anschließend haben wir mit unseren Freunden LES SAVY FAV eine Tour in den USA gemacht, und jetzt auch in Europa. Außerdem geben wir kaum Interviews, es ist also in der Tat ein sich neu definieren, wobei wir nicht komplett von vorne anfangen müssen, da wir uns durch ATD-I bereits einen Namen erspielt haben und einige Leute jetzt natürlich sehen wollen, was wir genau machen.

Gab es eigentlich einen Punkt, an dem ihr darüber nachgedacht habt, die Musik für einen gewissen Zeitraum ruhen zu lassen und euch dafür anderen Kunstformen zu widmen? Ich weiß, dass Omar malt...

Omar: Eigentlich dreht sich unser ganzes Leben um Musik. Wir leben in einem Haus, in dem wir aufnehmen und all unsere Instrumente haben...

Cedric:
...worüber sich unsere Ex-Partner und auch unsere Eltern gerne lustig machen, denn wir hatten nie einen Plan B, es gab immer nur Musik.
Omar: Andererseits hatten wir durch den Neuanfang mit dieser Band auch wieder mehr Zeit für andere Dinge. Ich habe mehr gemalt, während Cedric wiederum verstärkt geschrieben hat, ganz einfach aus dem Grund, weil wir mehr Zuhause waren.
Cedric: Omar hat außerdem angefangen, an einem Film zu arbeiten, der noch nicht ganz fertig ist!
Omar: Ich habe die Story geschrieben und auch Regie geführt. Dann habe ich auch noch eine Dokumentation über DEFACTO gemacht, die auch bald fertig sein sollte. Trotzdem ist Musik die Basis und inspiriert all unsere anderen Aktivitäten.

Was inspiriert euch momentan in musikalischer Hinsicht?

Cedric: Alles von Brian Eno. Ihn mögen wir ganz besonders! Ansonsten hören wir kaum aktuelle Rocksachen.

Hat euch euer Umzug vor drei Jahren von El Paso, Texas nach Los Angeles in kreativer Weise weitergebracht?

Cedric: Unser Leben hat sich durch den Umzug kaum verändert. Wir sind ja im Gegensatz zum Drummer und Bassisten von ATD-I nicht direkt nach LA gezogen sondern nach Long Beach und das ist echt ein mieses Drecksloch. Wenn wir auf eine Show gehen und den Leuten erzählen, dass wir in Long Beach leben, fragen sie uns immer völlig entgeistert Warum gerade da?, haha. Es unterscheidet sich eigentlich gar nicht so besonders von El Paso, denn wir leben direkt Downtown und dort gibt es einen großen hispanischen Bevölkerungsanteil. Wir führen dort ein sehr einfaches Leben. Wenn wir Zuhause sind, proben wir und nehmen Songs auf, oder wir gehen zu Shows. Es hat also keinen großen Einfluss gehabt, allerdings haben wir jetzt die Möglichkeit häufiger gute Bands zu sehen, was in El Paso nicht der Fall war. Und meistens waren dann auch nur wir auf dem Konzert, haha.
Habt ihr jemals daran gedacht, musikalisch getrennte Wege zu gehen?
Omar: Nein, denn wir sind schon so lange gut befreundet und haben auch schon vor ATD-I zusammen in Bands gespielt. Schon zu ATD-I-Zeiten waren wir zusammen auf Tour, hatten eine andere Band und haben zusammen gewohnt.
Cedric: Wir haben gelernt, uns genügend Freiraum zu lassen. Allerdings gab es durchaus Gerüchte, wir seien schwul, haha!
Omar: Einige Freunde von uns haben schon häufiger gesagt, dass sie unsere Freundschaft bewundern. Und es scheint in der Tat etwas Besonderes zu sein. Ich glaube, es liegt einfach an unserem gemeinsamen Background an unserer hispanischen Abstammung, unserer ähnlichen Erziehung und einem identischen Musikgeschmack. Allerdings ist es wirklich sehr selten, dass etwas so gut passt und das wiederum irritiert andere Leute, jedenfalls hat es die anderen ATD-I Mitglieder irritiert...

Nachdem ihr in den USA mit ATD-I sogar im Vorprogramm von RAGE AGAINST THE MACHINE gespielt habt und deren Fans euch gehasst haben, käme es für euch in Frage, so was auch mit TMV noch mal zu versuchen?

Cedric: Es war wirklich nicht sehr schön, aber durchaus eine interessante Erfahrung von Tausenden von Leuten ausgebuht zu werden. Andererseits gab es nach jeder Show auch ein paar Leute, denen es gefallen hat, und nur darauf kommt es an. Wir wollen nicht die ganze Welt erobern! Oft glauben einem die Leute nicht, wenn man sagt, es reicht, wenn nur ein paar Personen verstehen, worum es einem geht, aber genau das ist der Punkt! RATM wussten ja selber, was für eine Art Publikum sie ziehen. Bei einigen Konzerten musste uns RATM-Gitarrist Tom Morello sogar als seine Lieblingsband ansagen, damit die Leute uns nicht mit irgendwelchen Sachen bewarfen, obwohl er unsere Musik kaum kannte. Eigentlich sind RATM selbst sogar eine ziemlich intelligente Band mit sehr guten Texten, aber sobald du diesen harten Gitarrensound, bestimmte Videos und jede Menge Airplay hast, spielst du überwiegend für die harten Jungs, haha!
Omar: Aber wir würden es wieder tun, wenn wir das Gefühl haben, es ist das richtige für uns. Letztendlich kommt es immer auf die Band an, mit der man spielt, z.B. bei PJ HARVEY wäre das sicher anders gelaufen.

Was steht jetzt an für THE MARS VOLTA?

Cedric: Nach dieser Tour gehen wir nach Japan und spielen dann zuhause in Californien auf einem großen Wüsten-Hippie-Festival...

Omar: ...dann werden wir hoffentlich eine komplette TMV-Platte aufnehmen und danach eventuell eine neue DEFACTO-Platte!