STEREO

Mac-Geeks

Ich hätte es vom letzten Mal eigentlich noch wissen müssen: mit Jamie Woolford alias THE STEREO führt man nicht mal so eben ein Interview... So nett der Kerl ist, so ausführlich sind auch seine Antworten, was so gesehen dem Interviewer die Arbeit recht einfach macht. Anlass des Interviews: ein ausgesprochen schönes neues Album der Band, voll mit powerpoppigen Songperlen, wieder auf Fueled By Ramen erschienen und in Deutschland als Lizenz-Release via Defiance zu haben.

Jamie, wo bist du, was machst du?


Ich sitze zuhause vor dem Computer und arbeite am Artwork des neuen Fueled By Ramen-Label-samplers. Die eine Hälfte meines Jobs ist die Band, die andere die Arbeit als Grafiker. Erfreulicherweise habe ich mittlerweile so viele Platten gemacht, dass die monatlichen Schecks vom Label ganz okay sind und für einen Typen wie mich ausreichen, der in einer kleinen Wohnung lebt. Den Rest verdiene ich mit Layoutarbeiten, und das gefällt mir, denn die Sachen haben meist was mit Musik zu tun. Ich arbeite für verschiedene Bands, etwa LESS THAN JAKE, und vor allem für Fueled By Ramen, mache die Anzeigen, T-Shirt-Designs, Plattencover und so weiter. Ich habe aber auch schon für Drive-Thru, Moon Ska und einige andere mehr gearbeitet. Und für die Firma meines Vaters mache ich auch Sachen, der zahlt sehr gut.

Mir scheint, diese Grafik-Sache ist ein typischer Musikerjob, ich höre das immer wieder.

Ja, das macht ja auch Sinn, denn wenn du Musiker bist und immer wieder auf Tour gehst, ist es schwer einen normalen Job zu haben. Als Grafiker brauchst du nur ein Laptop und kannst überall arbeiten. Ich bin gerade dran, mir einen neuen Mac zu kaufen, ein iBook. Ich zögere noch im Augenblick, denn bei Computern ist es ja immer so, dass dann, wenn man sich einen neuen Rechner gekauft hat, eine Woche später das viel bessere Nachfolgemodell rauskommt. Sogar der neue iMac ist schneller als mein gar nicht mal so alter G4 das nervt, echt.

Bist du so ein richtiger Computer-Nerd?

Total! Das ist mein einziges Laster! Ich habe nichts mit Drogen am Hut, ich saufe nicht, aber ich liebe dieses ganze elektronische Spielzeug. Ich muss immer das neueste und teuerste Computerequipment haben. Ich bin ein richtiger Mac-Geek.

Sympathisch! Hier im Hause Ox gibts auch nur Macs.

Cool! Weißt du, was mein Lieblings-TV-Sender ist? TechTV, die bringen nur Berichte über Computer und so weiter, sonst läuft bei mir kaum was anderes. Und ich sitze sowieso 12 bis 16 Stunden am Tag vor dem Rechner, ganz gleich, ob ich nun Layout mache oder Musik.

Wie, du machst die Musik am Rechner?

Ja, wir haben das neue Album beinahe komplett am Rechner aufgenommen. Die ganze Produktion lief diesmal anders. Früher lief es so, dass ich die Songs mit meiner Akustikgitarre geschrieben habe, der Band vorspielte, wir ins Studio gingen und sie einspielten. Nun, mittlerweile besitze ich ProTools, eine Studio-Software für den Mac, und so lief alles ganz anders: Ich habe die Songs in ProTools am Rechner geschrieben, habe meine Gitarrenakkorde aufgenommen, mit dem Programm bearbeitet, was echt ganz einfach ist. Das war ein ganz erfrischender, neuer Ansatz ans Songwriting, denn ich konnte sofort das Ergebnis hören. Und ich bin mit dem neuen Album auch sehr, sehr zufrieden.

Wie muss man sich das genau vorstellen? Du stöpselst deine Gitarre in den Verstärker ein und von da geht ein Kabel in den Rechner?

Nein, es gibt keinen echten Amp mehr, auf dem ganzen Album nicht. Es gibt ein Adaptergerät, das mit dem Computer verbunden wird, und darin habe ich eine ganze Palette virtueller Gitarrenverstärker. Früher war das ziemlich billig und schlecht, aber mittlerweile ist diese Technik so gut geworden, dass man damit sehr gut arbeiten kann ehrlich gesagt klingts damit sogar besser als alles, was ich bislang an echten Gitarrenverstärkern spielen konnte. Anfangs wollte ich mit dieser Methode nur zuhause ein Demo aufnehmen, aber stellte dann fest, dass es damit einfacher und besser klingt. Ich habe mir dann auch so einen Pod für den Bass geholt, so dass wir die Platte bis auf das Schlagzeug und den Gesang nur bei mir in der Wohnung eingespielt haben. Die Drums haben wir im Haus meiner Eltern in meinem alten Kinderzimmer aufgenommen, da habe ich auch gesungen, denn in meiner Wohnung wollte ich nicht so rumschreien. Die ganze Platte ist also fake stuff, haha.

Findest du denn nicht, dass man sich so auch schnell zum Sklaven der Technik macht?

Nein, ich mache die Technologie zu meinem Sklaven! Ich hatte diese Diskussion schon oft, und ich gebe zu, ich bin ein großer Technik-Fan. Und ich weiß auch, dass es Momente geben kann, wo man, wenn man sich auf Technik verlässt und diese dann einen Defekt hat, gar nichts mehr tun kann. Aber wenn man einen Mac hat, ist auch diese Gefahr recht gering, haha. Computer sind einfach so schnell und einfach zu bedienen.

Kommen wir auf die Band zurück...

Ja, also mir ist wichtiger, dass die Platte als solche gut ist, als dass ich Wert auf den allerbesten Sound lege. Ich war auch in all den Jahren nur einmal in einem richtigen Studio. Wenn ich alles selbst machen kann, fühle ich mich einfach wohler. Diesmal etwa waren wir erst in ein richtig gutes Studio gegangen, um das Schlagzeug aufzunehmen, aber hinterher klang es nicht so, wie wir wollten. Wir löschten die Bänder, auch wenn die Aktion 1100 Dollar gekostet hat, und nahmen die Sache für 200 Dollar selber zuhause auf.

Wenn du von Band sprichst, wen meinst du da?

Also im Vergleich zur letzten Europatour sind das jetzt ganz andere Leute. Um das zu erklären, muss ich aber etwas ausholen: THE STEREO war ganz zu Anfang nur die Idee, eine Platte zu machen die Idee von Rory von den IMPOSSIBLES und mir. Das Interesse an diesem Projekt war aber so groß, dass wir uns plötzlich doch zusammen in einer Band wieder fanden doch Rory und ich sind so verschieden, dass das mit uns beiden in einer Band gar nicht klappen konnte. Er stieg aus, ich hatte plötzlich eine Band am Bein, und was anfangs noch klappte, erwies sich zunehmend als schwieriger. Ich hatte keine Lust aufs Touren, steckte in einer generellen Lebenskrise, und meinen Bandkollegen kams mehr darauf an, einfach in einer Band zu sein und zu touren, als dass sie sich für die Musik interessierten. Die Europatour war dann zwar an sich okay, aber wir haben uns eigentlich nur gestritten. Nach der Tour habe ich mich dann erstmal vier Monate verkrochen, habe mich in meiner Wohnung eingeschlossen und musste erst herausfinden, was ich wollte. Dann habe ich mir auch noch beim Skateboarden den Arm gebrochen, konnte also weder Gitarre spielen noch vernünftig am Computer arbeiten. Letztendlich habe ich den drei anderen Jungs eine eMail geschrieben, dass die Band in der Form aufgelöst sei.

Und wie gings dann weiter?

Es kam eine Einladung, in Japan auf Tour zu gehen. Ich als Technik-Freak musste da natürlich hin, also hieß es, eine neue Band auf die Beine zu stellen. Ich fragte BJ, den Drummer meiner alten Band ANIMAL CHIN, der fragte wiederum zwei Freunde aus Seattle, und so tourten wir. Es lief klasse, wir kamen gut aus, und nachdem wir zurück waren, hatte ich das Angebot einer US-Tour. Die Jungs aus Seattle hatten keine Zeit, aber dafür Chris und Kevin von POLLEN. Wir sind alle vier gute Freunde, das war richtig gut, denn zum ersten Mal war THE STEREO das, was ich schon immer wollte: vier Freunde machen zusammen Musik. Vier Leute, die einen Scheiß auf das ganze Musikbusiness geben, die einfach nur zusammen spielen wollen.

In dieser Besetzung kommt ihr auch nach Deutschland?

Nicht ganz: Kevin ist eigentlich Fotograf und gerade dabei, so richtig bekannt zu werden. Kennst du das WEEZER-T-Shirt, auf dem sie so schwarz und weiß unter einer Glühbirne stehen? Das Foto ist von ihm. Er war unschlüssig, ob er sich für die Musik oder das Fotografieren entscheiden solle, und wir haben ihm beinahe Schläge angedroht, sollte er sich gegen das Fotografieren entscheiden. Für Kevin haben wir jetzt Thomas dabei, auch ein alter Freund.

Erklär mir zum Schluss doch bitte noch das Artwork des neuen Albums.

Es ist anders als die bisherigen, ein eher steril wirkenden Cover, nicht? Mein Konzept für alle Cover ist, dass sie einen Mangel an Realität ausdrücken sollen. Das Foto für das neue Album hat Kevin gemacht. Ich bin dafür nach Arizona geflogen, und die Idee war, dass es was von den Fotografien von David LaChapelle hat: im Rahmen eines Fotos soll eine ganze Geschichte erzählt werden. Da ist jemand ertrunken, alle rasten aus, und alle Personen auf dem Cover haben eine eigene Geschichte, die man erzählen könnte, anhand der Kleidung etwa. Ich sitze im Rollstuhl, mit einem umgedrehten Nummernschild mit der Zahl 666 darauf eine Provokation für all die Eltern, die die Zimmer ihrer Kinder nach satanischen Botschaften durchforsten. Vielleicht gibts ja deswegen einen Skandal und unsere Platten verkaufen sich plötzlich wie blöde... Bei MARILYN MANSON hats ja auch geklappt. Ich sage nur: achte auf die Details, da gibts eine Menge zu entdecken.