... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD

Pfadfinder des Todes

Eine Band mit solch einem ausschweifenden Namen nimmt sich entweder unheimlich wichtig, oder sie hat einfach keinen Bock, sich in irgendeine Schublade pressen zu lassen. TRAIL OF DEAD, und dabei bleibt es in diesem Text, sind mit diesen zehn Worten am Stück auf jeden Fall unbeliebte Gäste auf einem säuberlich beschrifteten Mixtape. Musikalisch allerdings veredelt dieses Quartett aus Austin, Texas jedes Tape. Das aktuelle Album „Source Tags And Codes“ kommt nämlich derart abwechslungsreich und bisweilen eigenständig daher, dass man mit dem Themenangebot zunächst fast überfordert ist. Sehr britisch klingen TRAIL OF DEAD auf weiten Strecken des Albums, dann bricht plötzlich die Zerfahrenheit AT THE DRIVE-INs herein. Hinzu kommt eine Ladung Noise-Schnippsel, Samples, Streicher, Percussions und Bläser. Und die 13 Songs besitzen eine Gefühlskurve von peitschend aggressiv bis zur psychedelischen Harmonie.

Geschickt zusammengewürfeltes Flickwerk oder ein innovatives Meisterwerk? Jedenfalls dürften TRAIL OF DEAD gerade jetzt die richtige Band zur richtigen Zeit sein. Schließlich gibt es mit Bands wie CAVE IN, DREDG, DIVISION OF LAURA LEE, AEREOGRAMME aber auch den ATD-I-Nachfolgern SPARTA und THE MARS VOLTA momentan eine musikalische Marschrichtung, die aufhorchen lässt. TRAIL OF DEAD passen jedenfalls irgendwo dazwischen.

Die Band wird seitens der Musikpresse momentan hochgelobt, manche mögen gar gehypt sagen. Der englische NME hielt sich nicht zurück und lobte u.a. die Live-Qualitäten der Band. Klar, enden die Konzerte doch meistens in wüsten Zerstörungsorgien, bei denen Erinnerungen an THE WHO eher zum Schmunzeln anregen.

Hinzu kommt ihre Bandgeschichte: Kevin Allen, Neil Busch, Conrad Keely und Jason Reece stammen aus einer Christen-Gemeinde namens Planoe, einem kleinen Ort in der Einöde von Texas. In der Kindheit besuchte man den Planoe Methodist Choir und heimste sogar Preise für den besten Knabenchor ein. Später nahmen die vier ein Studium auf, wirkten jedoch weiter als vierköpfiges Vokal-Ensemble.

Bis hier ist die Geschichte von TRAIL OF DEAD noch nachvollziehbar, es wird erst kompliziert, wenn man die Bedeutung ihrer Musik ergründen will. Hier möchte ich gerne das Info zitieren: „Den Lehren von Greil Marcus, Guy Debord und Anton LaVey folgend, suchten sie nach einem vereinigendem Bindeglied, das im Sinne eines bestimmten, wiederkehrenden Schemas die Kulturen der Vergangenheit mit der der Gegenwart nach einer Art eindeutigem Muster verbindet.“ TRAIL OF DEAD sind also eine Band, die sich ihrer Musik auf wissenschaftlichem, intellektuellem und musikkulturellem Wege nähert. Mal hören, was Conrad Keely (Sänger/Gitarrist/Schlagzeuger), todmüde und in eine Bettdecke gehüllt und Kevin Allen (Sänger/Gitarrist/Schlagzeuger), leicht betrunken, zu erzählen haben.

Was bewegt vier Jungs aus einem Kaff in Texas eigentlich dazu, Musik wie eure zu machen?

Kevin: Teilweise Gottes Kräfte des universellen Allwissens.
Conrad: Außerdem bemühen wir uns vierzig Jahre Rocktradition zusammenzufassen.

Welche musikalischen Einflüsse hat man euch denn auf den Weg mitgegeben?

Conrad: Meine Eltern waren sehr musikalische Leute. Meine Mutter hat mir ständig die BEATLES, LED ZEPPELIN und THE WHO vorgespielt, eben die Bands, die sie ganz besonders mochte.
Kevin: Meine Eltern hörten viel Bob Dylan und viel Motown wie Al Green.
Conrad: Die Welt der Rockstars hatte gerade für uns als Kinder immer etwas Magisches. Kinder sehen Rockstars als Spielzeuge an, als Cartoon-Charaktere, mit denen sie spielen und Abenteuer erleben können. Diese romantische Betrachtungsweise war damals sehr ausschlaggebend. Hinzu kamen Filme, insbesondere welche mit viel Rockmusik wie z.B. ‘Tommy’ von THE WHO oder ‘Jesus Christ Superstar’, den meine Mutter ständig geguckt hat.

Was hat euch als junge Burschen eigentlich dazu bewogen, in einen Chor einzutreten? Da gehört ja auch eine Menge Hingabe und Disziplin zu.

Conrad: Nun ja, die Stimme ist das natürliche Instrument, das erste Instrument überhaupt. Danach kommt erst das Schlagzeug und dann die Gitarre. Die Disziplin, die wir damals gelernt haben, hat uns geholfen, uns dem Rock-Ideal anzunähern.

Aber warum baut ihr euren musikalischen Background nicht intensiver ein, ich denke da gerade an A-Capella-Gesang?

Kevin: Oh, vielleicht werden wir das noch.
Conrad: Wenn man ohnehin aus dieser musikalischen Ecke kommt, hat man nicht unbedingt den Drang dazu, die Wurzeln derart offensichtlich in das neuere Konzept einfließen zu lassen. Man will sich ja schließlich weiterentwickeln, etwas Neues kreieren.
Kevin: Manchmal will man auch gar nicht die Vergangenheit derart intensiv Revue passieren lassen. Schließlich waren das im Chor nicht immer schöne Zeiten. Der Chorleiter, Tom Kenstowicz, war sehr streng. Wenn wir nicht aufrecht standen, hat er uns an Stuhllehnen gefesselt, damit wir Haltung erlernen, es hatte schon was Militärisches.
Conrad: Von der religiösen Seite her betrachtet ist unsere Gegend ohnehin eigenartig. Während des Gottesdienstes setzte man sogar Klapperschlangen ein. Ich rede hier vom Süden der USA, das ist der Holy-Roller, der Bad-Bible-Belt. Hier gibt es andere Formen des Christentums, die man glatt mit Voodoo vergleichen könnte. Hier hat sich das Christentum teilweise aus dem Heidentum entwickelt.
Kevin: Darum leben wir jetzt auch in Austin, um etwas Abstand zu derartigem zu bekommen.

Erklärt mir doch mal bitte, warum Bands ihre Instrumente auf der Bühne zerhacken - das ist etwas, was ich nie verstehen konnte.

Conrad: Das Besondere daran ist der Sound. Dieser Sound der dabei entsteht, kann in der gleichen Form nicht wiederholt werden.

Lieben Musiker ihre Instrumente nicht? Eric Clapton hat immerhin mal seine Gitarren aus seinem brennenden Haus gerettet.

Conrad: Ja, wir lieben Instrumente, deshalb spielen wir sie, aber wir lieben keine bestimmten Instrumente. Wir haben keine emotionale Beziehung zu unseren Gitarren. Das ist doch Schwachsinn. Eine Gitarre benutzt man doch nicht als Wandschmuck, eine Gitarre will gespielt werden. Und wir reizen dieses Spiel voll aus und schmeißen sie danach eben weg.
Kevin: In Afrika gibt es Eingeborene, die daran glauben, dass die Trommel eine Seele hat. Und wenn diese Seele die Trommel verlassen hat, ist sie nutzlos. So denken wir auch über unsere Gitarren, unser Schlagzeug oder was auch immer. Und wenn wir merken, dass unsere Instrumente ihre Seele verloren haben, sollten sie eliminiert werden.

Was bedeutet eigentlich euer überlanger Bandname und warum habt ihr euch keinen kürzeren ausgesucht?

Conrad: Was ist denn mit dem Namen nicht in Ordnung? Er ist immerhin kürzer als ‘Krieg und Frieden’. Unser Name ist sogar verkürzt. Wir hätten ja auch den kompletten Paragraphen nehmen können, aber wir haben ja nur den letzten Teil des Absatzes genommen. Der Name entstammt einer Maya-Glyphe, gewidmet einem Gott namens Itzamna. Dieser und Apuk, der Maya-Gott des Todes, konkurrierten im Glauben der Mayas um die Weltherrschaft, genau so wie Apollo und Dionysus in der griechischen Mythologie. Und der letzte Vers dieser Hymne an Itzamna ist unser Bandname. Deshalb sind auch die Pünktchen davor, um zu zeigen, dass es sich nur um einen Teil von etwas Großem handelt.
Kevin: Diese Hymne beinhaltet auch einen Code, eine Referenz an die Zukunft. Er besagt, dass im Jahre 2012 ein universeller Wechsel stattfindet. Das fünfte Universum wird komplett vernichtet und ein neues nimmt seinen Platz ein. Die Mayas waren schon sehr prophetisch.

Wie vereint ihr denn euer Studium, Aufnahmen, Touren und das Songschreiben?

Conrad: Wir haben unser Studium abgeschlossen, nun sind wir nur noch Forscher.
Kevin: Manchmal geben wir sogar Vorlesungen über die Konzepte der Rock’n’Roll-Ikonografie. Wir arbeiten mit einem Professor namens Gilderoy Lockhart zusammen. Unsere Untersuchungen beinhalten die Suche nach einer anthropologischen Einheit.

Der NME hat geschrieben, dass, wenn man eure Musik mag, auch mal ein Ohr bei AT THE DRIVE-IN, RADIOHEAD, MOGWAI, IDLEWILD, QUEENS OF THE STONE AGE, GODSPEED YOU BLAC EMPEROR, BLUR oder PRIMAL SCREAM riskieren kann. Was sagt ihr dazu, kennt und mögt ihr die Musik dieser Bands?

Conrad: Wir mögen nicht nur ihre Musik, wir kennen sie teilweise sogar persönlich.
Kevin: Wir teilen verschiedene Ansichten mit ihnen, nicht nur musikalisch, zum Beispiel was die Musikindustrie angeht. Gerade MOGWAI und A.T.D-I sind definitiv eng mit uns verbunden. Eine ähnliche Verbindung könnte ich mir auch bei Q.O.T.S.A. vorstellen, aber wir kennen sie leider nicht persönlich. Die britischen Bands, die du aufgezählt hast, sind alle ziemlich cool. Nur RADIOHEAD, die sind so ein bisschen die Senior-Rocker, dagegen sind wir die NEW KIDS ON THE BLOCK, haha!

Wenn man eurer eine Genrebezeichnung zukommen lassen würde, wäre dann Postrock oder Apocalyptic Rock die richtige Bezeichnung?

Conrad: Wir mögen diese Bezeichnungen nicht so sehr, wir sind einfach eine Rock’n’Roll-Band. Wir sind Outsider – uns mochte nie jemand, die Mitschüler nicht, die Lehrer ebenso wenig. Aber egal. Uns ist der Aspekt des ‘Roll’ wichtig. Nur mit ‘Rock’ kommt man nicht weit. Der ‘Rock’ bleibt bestehen, aber um das ‘Roll’ muss man sich kümmern.

Ihr seid alle Multi-Instrumentalisten, jeder spielt bei euch jedes Instrument, ist das richtig?

Conrad: Ja, das stimmt. Wir arbeiten an den Arrangements und den Lyrics als Kollektiv. Auf der Bühne kommt es aber nicht selten vor, dass gerade Kevin und ich die Positionen tauschen. Im Produktionsprozess kann jeder so kreativ sein, wie er gerne möchte, bei uns ist niemand auf nur ein Instrument beschränkt. Dass jeder von uns Multi-Instrumentalist ist, rührt daher, weil wir in der Highschool oft nichts Besseres zu tun hatten.

Ich danke euch beiden für dieses Interview.