BOYS

Weihnachten war für viele Punkrocker im letzten Jahr schon zwei Tage eher. Und wenn sogar Fans aus Argentinien nach Düsseldorf einfliegen, um ihre Lieblingsband zu sehen, dann muss es sich wohl um ein ganz besonderes Ereignis handeln. So war es dann auch, als THE BOYS ihr erstes Konzert überhaupt in Deutschland gaben. 1976 in London gegründet, schrieben THE BOYS unvergleichliche Power-Pop-Hits wie "Brickfield Nights", "New Guitar in Town" und "Sick On You", wurden die "Beatles of Punk" genannt, schafften es aber nie in eine Liga mit Bands wie THE JAM oder THE CLASH. 1981 lösten sie sich auf, ohne sich jedoch ganz aus den Augen zu verlieren. Mit Honest John Plain (Gitarre), Matt Dangerfield (Gitarre & Vocals), Casino Steel (Piano & Vocals) und Vom Ritchie (Drums) standen mir vier der fünf BOYS am Tag vor ihrer Show im Tor 3 Rede und Antwort.

Ihr gebt morgen euer erstes Konzert in Deutschland. Warum habt ihr es damals nie geschafft, hier zu spielen?


Honest John: Das ist uns selber auch ein Rätsel. Wir spielten damals überall in Europa. Bis auf eine TV-Aufzeichnung für den Musikladen hat es uns aber nie hierher verschlagen.

Im letzten Sommer habt ihr euer erstes Konzert in England seit 20 Jahren gegeben. Wie war´s?

Honest John: Fantastisch, als ob wir nie weg gewesen wären. Es waren alte Fans da, aber auch viele junge, die teilweise sogar aus Amerika gekommen waren, um uns zu sehen. Das Ganze fand statt im Rahmen eines großen Punk-Festivals, wo mehrere Bands gleichzeitig in verschiedenen Läden spielten. Alle anderen Bands hörten auf und kamen rüber zu uns, um sich die Show von den BOYS nicht entgehen zu lassen.

Was können denn die Kids von euren Shows heute erwarten?

Honest John: Dasselbe, was die Kids 1976/77 gesehen haben. Punkrock. Vielleicht sind wir ein klein wenig langsamer geworden, aber sonst ist alles gleich geblieben.

John und Matt, ihr stammt eigentlich aus Leeds. Als ihr seinerzeit nach London gezogen seid, gab es da schon Punk?

Honest John: Nein, überhaupt nicht. Wir hatten ein Studio, in dem viele Bands ihre ersten Sachen aufnahmen. THE CLASH, THE DAMNED und GENERATION X zum Beispiel. Ich glaube, sogar die PISTOLS kamen mal vorbei. Keiner von uns nannte das damals Punk, bis eines Tages Mick Jones vor mir stand, der eigentlich lange Haare hatte und auf MC5 abfuhr. Mick trug auf einmal einen durchlöcherten Anzug mit Sicherheitsnadeln und kurze Haare. Ich fragte ihn, was denn los sei und er antwortete nur: Das ist Punk. So wurden wir damals Punkrocker.

War das dann auch der Anfang von THE BOYS?

Matt: In gewisser Weise schon. Unser Keyborder Casino spielte zu jener Zeit in einer legendären Band namens HOLLYWOOD BRATS. Nach deren Auflösung suchte Casino Mitstreiter für eine neue Band und kam auf uns. John und ich hatten gerade LONDON SS verlassen, aus der kurz darauf u.a. THE DAMNED, GENERATION X und THE CLASH hervorgehen sollten. So ging es damals mit uns los.

Alben von THE BOYS galten schon damals als Meilensteine des Punkrock. Der kommerzielle Durchbruch blieb euch aber versagt. Warum haben es andere Bands geschafft und ihr nicht?

Matt: Die anderen hatten gute Plattenfirmen, wir leider nicht.
Honest John: Unsere Scheiben wurden falsch promotet und tauchten in den großen Läden erst gar nicht auf. Wir haben damals viele Platten verkauft, sind aber nie in den Charts gelandet. Das war schon höchst seltsam. Geld haben wir auch nicht gesehen. Ich kann mich noch gut an ein Konzert erinnern, das wir mal mit THE JAM gaben. Sie supporteten uns, denn wir hatten gerade unsere erste Platte veröffentlicht. Paul Weller hatte seinen Vater dabei, der mich in einem ruhigen Moment zur Seite nahm und mich fragte, wie denn sein Sohn an einen Plattenvertrag kommen könne. Ich sagte es ihm. THE JAM wurden danach Megastars und wir nicht. Nach dem Konzert gab es dann noch eine Schlägerei zwischen Paul und mir, bis Vater Weller einschritt und die Sache beendete. Er war nämlich Boxer.

Nach vier großartigen Platten war 1981 Schluss für euch. Warum gibt es euch heute wieder?

Matt: Schuld ist Japan. Wir wurden immer wieder gefragt, ob wir nicht auf diversen Punk-Festivals spielen wollten, was wir jedes Mal ablehnten. Das Angebot, in Japan zu spielen, war aber einfach zu verlockend, weil wir dort nie zuvor aufgetreten waren. Wir gaben also zwei Konzerte in Tokio, die prima verliefen. Seitdem kommen wir hin und wieder zusammen, um zu spielen.
Honest John: Wir waren selber überrascht, wie viel Spaß wir dabei hatten. Weil die Stimmung untereinander so gut war, reformieren wir uns heute von Zeit zu Zeit, wenn auch nur für einen Abend.

Bis auf euren Schlagzeuger seid ihr im Original-Line-Up zusammen. Was ist mit Jack passiert?

Honest John: Er kann aus gesundheitlichen Gründen kein Schlagzeug mehr spielen. Bei einem Auftritt in Spanien hat er es noch mal versucht, kann aber seitdem seinen Arm gar nicht mehr bewegen.

Wie seid ihr auf Vom gekommen, der ja auch bei den TOTEN HOSEN Schlagzeug spielt?

Honest John: Das ist eine lange Geschichte. Wir spielten mal mit den YOBS eine Weihnachtstour im Vorprogramm der HOSEN, als sich unser damaliger Drummer gleich auf der ersten Show den Arm brach. Er hatte vergessen, dass er auf einem zwei Meter hohen Podest saß und fiel einfach runter. Eine Freundin aus Düsseldorf empfahl uns daraufhin einen verrückten Engländer namens Vom. Wir trafen uns, verstanden uns auf Anhieb und der Rest ist Geschichte. Ich kann mich noch gut an das erste Lied erinnern, das wir damals mit Vom probten. Campino stand auf der Bühne und beobachtete Vom, als ich in Campis Augen blickte. In diesem Moment wusste ich, dass Vom eines Tages Schlagzeuger der TOTEN HOSEN werden würde.

Du erwähnst gerade Campino, der als einer eurer größten Fans gilt. 1997 ist auf dem HOSEN-Label JKP mit "Powercut" eine Art unplugged Best Of-Album von euch erschienen. Wieso singt darauf eigentlich Campino?

Casino: Weil er populär ist und wir nicht. Reines Marketing.
Vom: Sellout.

Hat es denn was gebracht?

Honest John: Nein. Offensichtlich hat er seine Sache nicht gut gemacht, haha.

Aber ihr seid immer noch Freunde, oder?

Honest John: Sicher. Für einen Mongo ist er eigentlich ganz okay, haha.
Vom: Wir haben gestern in meiner kleinen Hausbar ein wenig gezecht. Campino kam auch noch vorbei. Allerdings hatten wir da schon 10 bis 15 Drinks intus. Es endete schließlich mit einem ziemlich heftigen Absturz. Das ist auch das Gute an meiner Bar: Keiner kann mich rausschmeißen, abgesehen von meiner Frau natürlich.
Casino: Das macht sie ja auch regelmäßig.

Cas, stimmt es eigentlich, dass dir die RAMONES mal anboten, bei ihnen einzusteigen und damit ihr offizielles fünftes Mitglied zu werden, Casino Ramone sozusagen?

Casino: Ja, das ist richtig. Auf der "End of the Century"-Tour spielten wir bei ihnen im Vorprogramm. Sie hatten damals mit "Baby, I Love You" einen Hit, den sie unbedingt live bringen mussten. Dazu brauchten sie einen Keyboarder und kamen natürlich auf mich. Weil das so gut klappte, fragten sie mich, ob ich nicht fest bei ihnen einsteigen wollte. Ich lehnte aber ab. Sie benahmen sich damals sehr seltsam und redeten zum Beispiel überhaupt nicht miteinander. Das war mir zu strange. Ich hab´s auch nicht bereut.

Neben THE BOYS gibt es mit THE YOBS eine Art Ableger von euch. Wo ist der Unterschied zwischen beiden Bands?

Casino:
Weihnachten!
Honest John: Wir haben einfach zwei Buchstaben ausgetauscht, mehr nicht. Das Line Up ist dasselbe. Und wir spielen natürlich nur Weihnachtslieder, so wie auf unserem neuen Album "The Worst Of THE YOBS".

Euer Konzert morgen im Tor 3 wird ausverkauft sein. Wenn die Resonanz auf eure Konzerte so groß ist, gibt es dann Pläne für ein neues BOYS-Album?

Matt: Vielleicht. Das hängt davon ab, ob wir ein gutes Angebot bekommen.
Casino: Wir machen erst einmal eine Single für das englische Team bei der Fußball-WM. Die wird möglicherweise sogar die offizielle WM-Single des englischen Fußballverbandes.

Bei den Gruppengegnern braucht England auch jede Menge Support, oder?

Honest John:
Wenn sich die Spieler den Song jedes Mal in der Kabine vor dem Spiel anhören, kann nichts schief gehen. Ich sage nur: 5:1!

Wie sieht es denn mit weiteren Konzerten von euch in Deutschland aus?

Honest John: Kein Problem, wenn das gewünscht wird. Wir kommen immer dann, wenn man es nicht erwartet...

Jungs, schönen Dank.

Honest John: "5:1!"