RIVAL SCHOOLS

Ich wurde von meinem Interviewvermittler bereits fünfmal auf meinem Handy angerufen – in den letzten drei Stunden. Jedesmal hieß es, dass es problematisch ist, das Interview festzusetzen, weil die Band gerade in den Staaten auf Tour ist und niemand so genau weiß, wo ein gewisser Herr namens Walter Schreifels gerade steckt. Ich bin aufgeregt, ziemlich sogar. Der Name Walter Schreifels ist mir bekannt, seit ich angefangen habe, ernsthaft Musik zu hören. Während ich also auf meine Verbindung warte, hier ein paar historische Randbemerkungen zur neuen Post-Hardcore-Hoffnung namens RIVAL SCHOOLS.

Es war Ende der Achtziger in New York. Damals machte eine Welle neuer Hardcore- und Straight-Edge-Bands auf sich aufmerksam, allen voran GORILLA BISCUITS und die Krishnas von YOUTH OF TODAY. Was beide Bands verband? Ein gewisser Walter Schreifels an der Gitarre. Anfang der Neunziger hatte er dann genug von dieser Art Musik, hatte den Drang sich weiterzuentwickeln, aus den musikalischen Schemata auszubrechen, die er nun schon seit Jahren bediente. 1993 konnte man mit dem Debütalbum "Slip" seiner neuen Band QUICKSAND erstmals hören, wohin die Reise gehen sollte – und man wandte einen Begriff ganz schnell an, um den Stil seiner neuen Band in eine Schublade zu packen – Post-Hardcore. Zwar war Walter nicht der erste, der sich angenehm vom sich ständig wiederholenden Hardcore-Sound distanzierte, aber doch einer der aufsehenerregendsten. Kommerzieller Erfolg blieb QUICKSAND jedoch verwehrt und konnte sich auch nicht mit dem zweiten Album "Manic Compression" einstellen, und irgendwann war dann das Ende der Band gekommen.

Walter wandte sich CIV zu, mit deren Sänger selben Spitznamens er bereits bei GORILLA BISCUITS zusammenarbeitete. Auch CIV-Drummer Sammy Siegler war ihm wohlbekannt, spielten die beiden doch bei YOUTH OF TODAY Seite an Seite – damals war Sammy 12 Jahre alt. Später gab Sam dann ein Gastspiel bei den New Yorker New-School Newcomern GLASSJAW, spielte mit ihnen das Debüt "Everything You Ever Wanted To Know About Silence" ein und verließ die Band. Jetzt sind Walter und Sammy wieder vereint – und an ihrer Seite ist Cache Tolman, der neben Dub- und Countrysoloalben früher mal den Bass bei den Jazz-Corern THE ICEBURN COLLECTIVE bediente. Als Gitarrist stieß Ian Love zu RIVAL SCHOOLS, der sich bereits bei BURN und DIE 116 einen Namen in NY-Hardcore Kreisen machte.

Und dann klingelt endlich das Telefon. Eine Dame der amerikanischen Plattenfirma Def-Jam/ Island ist in der Leitung. Sie teilt mir mit, dass Walter jetzt Zeit hätte und schickt mich für eine Minute in die Warteschleife.

Walter, wo bist du gerade, es war ja nicht besonders einfach, dich zu erreichen?

Wir sind gerade in Cincinatti, im mittleren Westen der USA und es ist der letzte Termin auf unserer Tour. Heute Abend stehen wir vorerst das letzte Mal auf der Bühne und morgen bin ich schon wieder zu Hause.

Simple Frage, aber trotzdem: Was hat es mit dem Bandnamen auf sich?

Puh, das war echt Zufall. Als wir gerade zusammen waren, zerbrachen wir uns den Kopf, weil wir doch einen tollen Bandnamen brauchten. Eines Tages holte ich mir eine Pizza in so einem Laden auf der Lower East-Side. Jedenfalls stand in diesem Laden so ein Videospiel mit dem klangvollen Namen "Rival Schools United By Fate". Es ging dabei um irgendwelche Aliens, die gegen Collegeschüler kämpfen. Ich fand den Namen echt witzig, weil der so lang und irgendwie doof war. Also stand meine Entscheidung, den Titel auszuborgen schnell fest – zumal ja eine gewisse Botschaft mitschwingt, von rivalisierenden Gruppen, die sich jedoch zusammenschließen um für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen. Da wir uns aber keinen Ärger mit den Produzenten des Spiels einhandeln wollten, haben wir das Album schließlich "United By Fate" genannt. RIVAL SCHOOLS passt mit seinen zwei Worten von der Länge her sowieso besser auf ein T-Shirt.

Mit eurem neuen Album näherst du dich so nah wie nie zuvor an das an, was allgemein als Alternative-Rock bezeichnet wird.

Nun ja, ich habe nie wirklich begriffen oder definieren können, was Alternative-Rock wirklich sein soll. Allerdings mag ich behaupten, dass RIVAL SCHOOLS von den Songtexten her wesentlich direkter sind, als QUICKSAND es waren. RIVAL SCHOOLS sind eine Mischung aus dem, was ich mit QUICKSAND eingeschlagen habe, nur das diesmal mehr GORILLA BISCUITS-Elemente dazugekommen sind.

Was ich leicht enttäuscht festgestellt habe, ist, dass RIVAL SCHOOLS definitiv kein wirklicher QUICKSAND-Ersatz sind. Eure Single "Used for glue" und der Song "Holding sand" sind die einzigen Stücke, die an QUICKSAND erinnern.

Yeah, das stimmt schon. Der Rest klingt wahrscheinlich anders, weil alle Bandmitglieder ihre Einflüsse miteinbringen. Naja, was soll ich sagen, es ist eben eine neue Band.

Hat dich irgendwelche Musik, die du in letzter Zeit gehört hast beeinflusst bei der Arbeit am Album?

Vielleicht schon, doch zum Zeitpunkt als wir das Album aufnahmen, war es unser Ziel, einfach nur Musik zu machen. Wir wollten einen Gemeinschaftssinn die Macht über die Arbeit übernehmen lassen, in dem jeder gleichberechtigt seinen Anteil zum Sound von RIVAL SCHOOLS beiträgt. Aber um auf die Einflüsse zurückzukommen: Als wir das Album aufnahmen, habe ich eine Menge PINK FLOYD gehört, aber wahrscheinlich fällt das eh keinem auf. Also kurzum: Wir wollten im Endeffekt nur uns selbst beeinflussen.

Was hat es eigentlich mit dem Instrumental "Hooligans for life" auf sich, der das Album abschließt. Das Stück klingt irgendwie nach einem Coversong.

Nee, der Song stellt eine Art Parodie dar. Ich stehe ziemlich auf 60s Pop und Rock. Der Song erinnert mich irgendwie an ein WHO- oder SMALL FACES-Instrumental.

Arrangierst und schreibst du die Songs immer noch komplett alleine, wie du es bei QUICKSAND tatest, oder arbeitet die Band, was Musik und Lyrics angeht als ein Kollektiv?

Um die Hauptideen kümmere ich mich größtenteils, aber im Grunde arrangieren wir zusammen. Jeder schreibt sich seine Parts selber. Bei QUICKSAND war ich für fast alles verantwortlich, habe versucht, alles zu kontrollieren, da hatte ich diesmal keine Lust drauf.

Wie läuft eigentlich dein Label Some Records? Kürzlich ist dort ja bereits eine Split-EP von euch mit ONELINEDRAWING, dem Solo-Projekt von NEW END ORIGINALs Jonah Matranga erschienen?

Das Label gibt´s jetzt seit, äh, vier, fünf Jahren schon. Hauptsächlich veröffentliche ich Scheiben von irgendwelchen Freunden, um die Szene in New York zu unterstützen. Natürlich veröffentliche ich auch Bands von anderswo, was man ja an HOT WATER MUSICs "No Division" sieht und obendrein kann ich ja noch Material meiner eigenen Band veröffentlichen, wie es eben mit dem Split geschehen ist. Es macht einfach Spaß, die Möglichkeit zu haben, selbst zu veröffentlichen, selbst aufzunehmen und im Grunde zu machen was man will, ohne auf die Hilfe irgendwelcher Plattenbosse angewiesen zu sein.

Was würdest du unseren Lesern als Hörtip empfehlen?

Ich würde etwas empfehlen, mit dem ich selbst zu tun habe und zwar Rebecca Schiffman. Sie ist fantastisch, eine Mischung aus David Bowie und Björk. Ich spiele Drums und Bass auf ihrer Scheibe und habe sie auch produziert. Es ist keine Rockmusik, etwas anderes. Vielleicht Pop, aber nicht im Sinne von BLINK 182, sondern fucking weird, unique, aber Pop. Meiner Ansicht nach wird das eine ganz große Platte werden.

Da ihr ja momentan auf Tour seid, bzw. wart, würde ich ganz gerne wissen, wie denn die Leute, die Fans auf eure neuen Songs reagieren.

Die Leute mögen uns und das freut mich sehr. Scheinbar gefällt ihnen das, was wir jetzt machen, obwohl viele ja die neuen QUICKSAND erwarten bzw. deren alte Songs hören wollen. Wir müssen also jeden Abend neu definieren, was für eine Band wir sind, nämlich nicht QUICKSAND. Allerdings haben wir letztens ausnahmsweise ein QUICKSAND-Medley gespielt – getarnt als witzige Broadway-Show. Das war zwar lustig, aber ich lebe in der Gegenwart und habe keine Ambitionen Zeug zu spielen, das ich vor fast zehn bzw. sieben Jahren produziert habe. Ich möchte wahrgenommen werden, mit dem, was ich heute mache und morgen machen werde.

Wann hast du eigentlich begonnen Musik zu machen? Du musst doch etwa 14 gewesen sein – was treibt jemanden in dem Alter dazu an, sich der Musik zu widmen?

Als ich etwa 15 oder 16 war, habe ich mit den GORILLA BISCUITS angefangen, einfach um mit Freunden zusammen zu sein und Spaß zu haben. Ich konnte produktiv sein, wir reisten herum, lernten Leute kennen. Und überhaupt, Shows zu spielen ist wirklich ein großer Spaß. Ich habe niemals daran gedacht, es eine Karriere zu nennen, geschweige denn, es als eine Karriere zu planen. Heute bin ich einfach froh, ein Leben zu leben, dass auf Kreativität fußt. Mittlerweile bin ich 32 und spiele seit fast 18 Jahren in irgendwelchen Bands und immer wieder treffe ich Leute, die genau so alt sind wie ich und meinen Weg mitverfolgt haben. Allerdings kommen auch Leute zu unseren Shows, die sind 15 Jahre alt und es ist schon irgendwie seltsam, eine direkte Beziehung zu ihnen aufzubauen, da sie ja noch gar nicht geboren waren, als ich schon Musik machte. Nichtdestotrotz ist es interessant mit jungen Leuten konfrontiert zu werden.

Was hältst du von Kommentaren wie "Walter Schreifels ist einer der einflußreichsten Musiker der modernen Rock-Geschichte" wie es der New Musical Express verlautbaren ließ?

Zunächst ist das schon ganz schön, wenn einem so etwas zu Ohren kommt. Ich wäre auch wohl ziemlich doof, wenn ich mich dagegen wehren würde. Man akzeptiert das gerne und ist dankbar, aber ich werde mir darauf keinen runterholen und sagen "Yeah, man, I´m fucking influential – I´m gonna influence your ass!".

Hast du noch irgendwas mit dem Straight-Edge Lebenstil oder dem Krishnatum am Hut oder ist das einfach nur eine schöne Erinnerung an damalige Zeiten?

Ich hatte nie was mit Krishna zu tun. Als Ray (Cappo, der Sänger von SHELTER, YOUTH OF TODAY und BETTER THAN A THOUSAND - Jan) zum Krishna-Anhänger wurde, war es mit der Band fast zu Ende. Er versuchte mir und Sammy den Kram aufzudrängen. Als wir einst auf Europatour waren, hat er uns permanent mit seinem Glauben konfrontiert. Der arme Sammy, der damals gerade 14 war und ich, der damit echt nichts zu tun haben wollte, ging das ziemlich auf den Keks. Straight Edge bin ich im Moment nicht mehr, aber ich bin immer noch Vegetarier. Die Jahre, die ich damals straight war, sind eine wichtige, sehr positive Erfahrung für mich gewesen. Es war eine fantastische Art auf diese Weise gegen die Gesellschaft zu rebellieren. Gerade in meinen Jugendjahren, wenn jeder Alkohol trank, du aber nicht dazugehörtest. Ich denke immer noch auf gewisse Weise straight edge, auch wenn ich mittlerweile Alkohol trinke. Der politische oder soziopolitische Kontext, die teilweise rechtsgerichtete Attitüde, die bei manchen dahinter steckt, damit hatte ich nicht viel bzw. nichts im Sinn.

Walter, ich danke dir für das Interview.

Diskographie:
"United By Fate" (CD, Island, 2001) • "Rival Schools United By Onelinedrawing" (CD, Some, 2001)