GUNTER GABRIEL

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Der erste Satz, der mir beim Namen Gunter Gabriel immer durch’s Gehirn jagt, ist: „Jau, der Gunter, dat is einer von uns!“ Er war irgendwie immer da und ich habe jede Schlag- und Textzeile über ihn begierig aufgesogen. Ich habe mit ihm gelitten und gesoffen, um am Ende dann doch immer wieder aufzustehen und weiter zu machen! Einer musste den Motor ja am laufen halten...
Da draußen war jemand, der in meiner Sprache sang, Situationen beschrieb, die ich alle schon einmal erlebt hatte und dabei mit einer fast selbstzerstörerischen Ehrlichkeit arbeitete. Das war genau das, was ich erwartete, wollte und brauchte. Mir fällt eigentlich kein anderer deutscher Sänger ein, dessen Musik, Texte und Leben mich so tief beeindruckt und berührt haben. Ich konnte gar nicht anders, ich musste ihn als meinen, als den letzten wirklichen deutschen „Outlaw“ feiern. Er ist immer noch mein deutschsprachiger Lieblingssänger und daran wird sich auch nie mehr etwas ändern!
Manche werden sich jetzt angewidert abwenden und fragen: Was das denn alles mit Punk zu tun hat? Nichts, rein gar nichts! Nicht die Bohne, basta, denn Gunter war schon viel, viel früher da! Es gibt Menschen, die stehen so was von über den Dingen, die haben es absolut nicht nötig, sich mit solchen kleingeistigen Schubladen zu beschäftigen! Und mit dem Album „The Man In Black – The International Johnny Cash“ (siehe Reviews), auf dem Gunter Gabriel alte Cash-Songs in deutscher Sprache singt und interpretiert, beweist er wieder einmal mehr seine Ausnahmestellung!
Damit schließt sich auch ein weiterer Kreis in meinem Leben, denn Johnny Cash liebe und verehre ich in ähnlicher Form, aber darum geht es hier nur indirekt, denn Gunter Gabriel ist aktueller, reifer und besser als je zuvor!

Ich wurde immer belächelt, als ich sagte, dass ich Gunter Gabriel gut finden würde! „Trucker-Fuzzi“ war da noch eine der harmloseren Ausdrücke, die ich zu hören bekam. Überhaupt, wie kann man nur „Country-Musik“ hören... Und heute hören genau diese Leute wie selbstverständlich Johnny Cash.


Meine Songs waren immer ‘Zuhörersongs’. Keine erfundenen heuchlerischen Geschichten. Country ist ja als Musik eher langweilig, die Story ist es! Und natürlich der Mann hinter der Story. Solange in Deutschland Country gleichgesetzt wird mit TRUCK STOP und Tom Astor ist es auch kein Wunder, dass die meisten Leute abwinken. Ginge mir auch so. Außerdem muss man in Country-Musik reinwachsen, ich bin da nicht so einfach reingefallen. Und Johnny Cash ist eine Symbolfigur, unantastbar, integer, wahr und menschlich. Muss man da als orientierungsloser Bengel nicht einen Baum in ihm sehen, einen Leuchtturm?! Natürlich muss man die Songs verstehen.

Was bedeutet Johnny Cash für dich persönlich und wie bist du zur Country-Musik gekommen?

Johnny Cash ist in mir gewachsen. Die Initialzündung waren aber Elvis, Little Richard, aber auch Lonnie Donegan. Cash war mal da für mich und dann wieder weg. Als ich 1970 zur CBS in Frankfurt kam und dort als Promoter arbeitete, kam bei denen gerade ‘San Quentin’ raus und ich war fasziniert! Besonders von ‘A Boy Named Sue’. Mit einem Mal wusste ich, was für mich gut ist, kündigte nach einem Jahr und ging als Songschreiber nach Berlin.

Du hast ihn ja schon mehrmals getroffen und auch mit ihm musiziert. Was ist das für ein Gefühl?

Johnny Cash ist eine sehr charismatische Person. Ein Raumfüller. Seine Energie ist umwerfend, wenn man neben ihm steht. Aber er ist eben auch Mensch. Auf der Bühne habe ich besonders seine Band genossen, die Leichtigkeit der Musik, durchsichtig, schwingend und zugleich rockig und punkig.

Siehst du zwischen seinem und deinem Leben Parallelen?

Natürlich gibt es die. Von der Herkunft aus einer Arbeiterfamilie, bis zu seinen Rückschlägen. Allerdings ist er ziemlich früh, mit 22 Jahren schon, mega erfolgreich gewesen! Da habe ich sozusagen noch in die Windeln geschissen. Um diesen Vorsprung, den ich niemals einholen werde, beneide ich ihn wirklich. Auch um sein eigenes musik-kulturelles Bett! Er konnte basierend auf Blues, Gospel, Rockabilly und der ganzen Songwriter-Schiene seinen eigenen Wege gehen. Was wir uns ja hier in Deutschland mühsam selber schaffen müssen. Sollte ich mich an Reinhard Mey orientieren? An Peter Alexander oder Udo Jürgens? Das ist das wirkliche Dilemma bei uns! Wo sind die Vorbilder?

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Bear Family Records?

Richard Weitze, der Inhaber von Bear Family, rief mich vor ca. zwei Jahren an und seine ersten Worte waren: Du bist ein Arschloch, aber ein Genie! Wie auch immer er zu diesem Urteil kam, heute sind wir Freunde!

Wer hatte die Idee zu dieser Zusammenstellung? Teilweise waren die Johnny Cash-Interpretationen ja schon auf Schallplatten veröffentlicht worden und ziehen sich auch wie ein roter Faden durch deine Konzerte!


Ich wollte bereits vor zwanzig Jahren so ein Album machen: Gabriel singt Cash. Meine Plattenfirma wollte das aber nicht! Ich war aber immer der Meinung, dass seine Songs nur Sinn machen, wenn man sie versteht. Das Schlüsselerlebnis war dann bei einem Countryfestival. Ich saß neben einigen Leuten, die einer Ami-Band zuhörten, die gerade ‘A Boy Named Sue’ spielten. Der Mann neben mir rastete völlig aus. ‘Warum?’, fragte ich und er sagte: ‘Der Rhythmus gefällt mir!’ Dabei war es doch die Story, die Philosophie dahinter, das war doch das Geniale! So kam ich darauf, Cash zu übersetzen. Das erfolgte nach Wichtigkeit der Songs, und wie geil ich die Story fand. Außerdem hatte ich von ‘72 bis ‘82 immer einen Johnny Cash-Song auf meinen Alben drauf. Das ging mit ‘Gesucht in Bremerhaven’ los. Von der ‘San Quentin’ praktisch geklaut und abgewandelt von Bob Dylan. Auf dem Album ‘Waschecht’ von ‘83 ist der ‘Mann hinterm Pflug’. Dann hatte ich noch als Demo-Versionen ‘Big River’, ‘A Boy Named Sue’, ‘Folsom Prison Blues’ usw. in der Schublade. So füllte sich die CD von Bear Family.

Was macht eigentlich gute Country-Musik für dich aus?

Country ist erst mal Unterhaltung! Die Leute wollen unterhalten werden. Durch die Stories und die Musik, durch ihre Tiefe und Schönheit. Durch das Traurige, das Lustige und das, was einem gut tut! Was ist gute Country-Music?! Du wirst es schon merken, wenn du sie hörst!

In Deutschland ist Country ja nicht so verbreitet und überhaupt fällt mir keiner ein, der das so lange macht wie du. Naja, vielleicht Ronny oder Peter Hinnen, die ja noch länger dabei sind...

Also, Ronny und Peter Hinnen, welch eine Gesellschaft! Aber von mir aus, warum nicht?! Auch Freddy hatte Countryelemente in seiner Musik! Aber wo sind die alle geblieben? Sie haben diese Stilart nur als Vehikel für ihre Karriere benutzt, aber nie als Weltanschauung. Genau das hat sie disqualifiziert!

Deine Art von Country ist ja auch eher traditionell und amerikanisch geprägt...

Ich will keine Ami-Musik kopieren! Ich muss das auf Deutschland beziehen und ich bin auch nicht im konservativen Sinn traditionell. Es gibt nur einige Sachen, die gibt es eben nur so! Daran wirst du auch in 100 Jahren nichts ändern! Wenn du aufs Scheißhaus willst, musst du die Hose runterlassen! So einfach ist das!

Du hast ja auch schon mit anderen Countrygrößen aus Nashville zusammengearbeitet. Mit Boxcar Willie hast du zum Beispiel „Good Hearted Woman“ aufgenommen – auf deutsch heißt er „Ehrbares Mädchen“. Ein Duett mit Johnny Cash gibt es allerdings nicht!

Früher war ich so drauf, dass ich unbedingt mit anderen Sängern Duette machen wollte. Davon wurde dann eines verwirklicht, nämlich das mit Boxcar Willie. Das kam aber nur deshalb, weil er zufällig in München war, in meiner damaligen TV-Show ‘Country Music mit Gunter Gabriel’ für den Bayrischen Rundfunk. Wir gingen einfach ins Studio von Ralph Siegel und nahmen den Song auf, der dann monatelang Nr. 1 in der Radio Station Fort Worth/Texas war. Auch Willie Nelson bot mir ein Duett an, als ich ihn vor Jahren in Berlin traf. Inzwischen bin ich der Meinung, dass ich mich weder mit anderen Musikern profilieren muss, noch Tom Astor nacheifern, der bewiesen hat, dass es kein Kunststück ist, mit Country-Größen Songs aufzunehmen. Sicherlich hätte ich auch mit Elvis einen Song hingekriegt. Mit Johnny Cash natürlich auch! Ich habe viel zu viel Ehrfurcht vor ihm, um mich als kleiner Sünder zu erdreisten, sich mit ihm auf eine Platte zu drängeln. Ich verbeuge mich und das ist es! Ich bin nicht er. Er ist unerreichbar. Denkmäler soll man auf ihrem Sockel lassen und nicht stürzen.

Können wir uns auf eine spezielle „Gabriel singt Cash“-Tour freuen?

Wir planen mit meinem neuen Management eine ‘Gabriel singt Cash’-Tour. Wann sie allerdings beginnt, steht noch in den Sternen, vielleicht Ende dieses Jahres oder im Frühling 2003.

Du bist ja auch ein eher rastloser Typ. Wie lange lebst du denn schon auf dem Hausboot in Hamburg? Wäre eine Ranch im Sauerland nicht stilvoller? Das Meer ist ja eher etwas für Freddy Quinn...

Ich bin eigentlich gar nicht der rastlose Cowboy! Die Situationen, in denen ich mich befand, haben mich dazu gebracht. Um nicht unterzugehen, musste ich handeln und nicht an einem Ort kleben bleiben. Und Deutschland, mein Wohnzimmer, ist ja wirklich sehr klein, und da muss Stühlerücken doch erlaubt sein! Eine Ranch?! Davon habe ich nie geträumt! Und dann noch im Sauerland? Dann würde ich mich eher erschießen! Ich bin ein Großstadtmensch! Am liebsten würde ich nach Paris gehen. Mit meinem Hausboot an die Seine. Da ich aber unbedingt noch einiges hier in Deutschland machen will, werde ich mich vorerst auf die Seen um Berlin konzentrieren und dann, weil meine Freundin aus Barcelona kommt, nach Spanien fahren – auch wegen des Klimas. Ich hab echt die Schnauze voll vom Regen hier!

Da war der Tabbert-Wohnwagen, mit dem du zehn Jahre durchs Land gezogen bist, schon authentischer... Aber das hatte ja nicht nur „romantische“ Gründe?

Ich lebe nicht nach den Stilvorstellungen anderer Leute! Ein Tabbert-Wohnwagen hat nur Stil, wenn ich ihn nach meinen Vorstellungen umgestalte, was ich auch getan habe, ansonsten verbinde ich damit nur Spießigkeit. Dass ich hauptsächlich durch eine ‘Notlage’ zu diesem Lebensstil gekommen bin, empfinde ich heute als Glück! Denn ich habe so ein herrlich romantisches, nicht ganz unstressiges Leben entlang der deutschen Autobahnen gelebt.

In den 80ern und 90ern hast du ja vor allem mit Alkohol, Amokfahrten und Frauengeschichten Schlagzeilen gemacht, besonders die Bild-Zeitung berichtete ausführlich und reißerisch über dein Leben. Was war eigentlich wahr daran?

Es war weitaus gefährlicher, als jede Zeitung schrieb! In der Gefahr, speziell in deren Bewältigung, liegt aber auch eine große Chance. Wenn du dich mit Messerstechern rumgeschlagen hast, ist das harte Realität! Wenn du dir einige Knochen dabei gebrochen hast und selber reichlich auf die Schnauze bekamst, dann siehst du viele Dinge komplett anders. Der Alkohol war ja nur ein Fluchtmittel, wenn dein ganzer Frust dich zu erdrücken drohte. Johnny Walker kann ganz schnell dein Freund werden. Als Folge davon bist du natürlich nicht mehr berechenbar. Dadurch häuften sich die Ausraster und Crashs auf der Autobahn. Der Wagen platt, der Schein weg. Überhaupt ist es schwer, sich über Wasser zu halten, wenn einen jeder kennt und du von der Bundesliga in die Kreisklasse gerutscht bist! Kein Plattendeal mehr, keine Produktionsfirma mehr, Finanzexperten mit deinen Millionen über alle Berge, keine Freunde mehr, keine Steuerberater mehr, keine Familie und dann – auch keine vernünftigen Frauen mehr! Dann nimmst du erst mal, was kommt. Und es kommt nicht immer das Netteste und Eleganteste. So kommt dann eins zum anderen. Aber die letzten zehn Jahre sind durch für mich! Ich möchte sie perverserweise auch nicht missen, aber zurückhaben möchte ich sie auch nicht mehr. Was ich am meisten bedaure ist, dass ich unter den Umständen einfach keine geilen Somgs schreiben konnte, oder mich im Songschreiben weiterentwickeln konnte...

Solche extremen Lebensabschnitte prägen einen Menschen doch sehr...

Stimmt, heute kann mich eigentlich nichts mehr schocken und das ist gut so. Ich habe dadurch meinen Weg gefunden, den ich mir so nie hätte vorstellen können. Das Leben inmitten des Hamburger Hafens, zwischen all den wunderbaren Ozeanriesen, Barkassen und Karibik-Segeljachten, verbunden mit interessanten Leuten, Kapitänen, Malochern und Weltenbummlern. Es ist wirklich klasse! Aber da musste ich erst mal hinkommen, und zwar, bevor man kaputt geht!

Wer kam eigentlich auf den Namen Gunter Gabriel? Geboren wurdest du ja als Günther Caspelherr.

Auf einer der Nachwuchsveranstalltungen, wo ich Anfang der 60er häufig anzutreffen war, meinte ein Veranstalter: ‘Such dir einen anderen Namen aus, mit Günter Caspelherr kannst du echt nix werden! Denk dir einfach einen aus!’ Durch meine damalige Freundin Gabriele kam ich dann auf Gabriel. Das war’s eigentlich schon...

Du bist Jahrgang ‘42. Wie hast du im Wirtschaftswunderland deine Jugend erlebt?

Meine Jugend war eine einzige Katastrophe, die ich nur durch meine Gitarre überlebte. Meine Mutter starb, als ich drei Jahre alt war. Mein Vater war gewalttätig. Elvis, Rock, Cash, Lonnie Donegan und natürlich meine eigenen Lieder, die ich damals schon schrieb, haben mich damals gerettet.

Darf man mehr über deine Familie und Eltern erfahren?

Mein Vater war Schrankenwärter bei der Eisenbahn. Meine Mutter starb bei einer Abtreibung im Alter von 22 Jahren. Wir lebten in alten Bahnhöfen, zeitweise sogar in alten Güterwagons. Es gab reichlich auf die Fresse, wenn was nicht klappte, denn mein Vater war ein fustriertes Schwein! Mit elf Jahren wäre ich beinahe draufgegangen, weil ich durch einen Fahradunfall an Wundstarrkrampf erkrankte und für ein Jahr ins Krankenhaus musste. In der Nacht, als ich beinahe dran war, erzählte mir meine damalige Krankenpflegerin: ‘Ich glaube, der liebe Gott hat noch eine Menge vor mit dir!’ Da hatte sie wirklich Recht, aber das konnte ich ja damals nicht wissen! Mit vierzehn war dann Schluss in der Volksschule und ich musste Geld verdienen!

Du bist dann mit 16 Jahren zu Hause rausgeflogen und hast dich mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten. Du warst Möbelpacker, Lastwagenfahrer, hast ein Ingenieur-Studium begonnen und bist erst relativ spät zur Musik gekommen.

Als Schlosser hab ich eine Lehre gemacht und musste dann als ‘Allrounder’ ab ans Fließband. Danach hab ich so ziemlich alles gemacht, was Geld brachte. Die Jobs habe ich alle immer unheimlich gerne gemacht! Ich war halt so gestrickt... Jammerlappen kann ich deshalb bis heute nicht leiden. Ich hab getan, was getan werden musste! Als mein Vater noch immer in meinem Leben rumpfuschen wollte und mich öffentlich demütigte, hab ich ihm so lange die Fresse poliert, bis er im Krankenhaus war. Da war ich 17 Jahre alt. Damit habe ich mich für seine Brutalität gerächt und ihm all das zurückgegeben, was er mir und meinen zwei Schwestern alles angetan hat. Fertig! Er starb 1983, ohne dass wir uns je wieder versöhnt hätten. Selbst, als ich schon in den Medien war, gab es keine Versöhnung.
Ich habe in allem immer eine gewisse Romantik gesehen, selbst als ich z.B. 1960/61 bei Holzmann in München Kanalrohre verlegte. Ich hatte mich ja schon früh mit Jaspers, Schoppenhauer, Kafka oder Tucholsky beschäftigt und ich war komplett auf dem ‘Nach-Innen-Trip’. Ich las viel und sang Songs. Meine Tagebücher sind voll von Songs aus der damaligen Zeit. Das alles war eine Genugtuung und mein Ausgleich. Wenn andere an der Theke soffen, dann saß ich über meinen Büchern. Das hat mich eigentlich immer nach vorne gebracht! Auch heute reise ich nie ohne vier bis sechs Bücher oder Gedichte von Hermann Hesse in der Tasche. Auch ein Kofferradio mit einigen CDs gehört zur Grundausstattung.

In deinen Songs sprichst du immer vom „kleinen Mann von der Straße“ und auch in deiner Biographie taucht dieser Begriff stets auf. Wer ist dieser „kleine Mann“ für dich?

Der ‘kleine Mann’ ist ja für mich der ‘große Mann’, wobei ich persönlich diesen Begriff niemals in den Mund nehmen würde. Ich mag vielmehr die ehrlichen, aufrichtigen und intelligenten Menschen. Speziell die aus dem Ruhrpott haben eine Mentalität, mit der ich zehnmal besser klarkomme, als z.B. mit der bayrischen. Ich mag die Leute, die offensichtlich nicht so gut weggekommen sind im Leben, dennoch guter Dinge sind und dabei häufig glücklicher sind, als die Wohlhabenden!

Mit der neuen Single „Bye, bye, Deutsche Mark“ greifst du ein Thema auf, das in der Bevölkerung heftig diskutiert wird. Wie stehst du persönlich zu Europa?

Das war ein Auftrag des ZDF zur Abschiedsgala der Deutschen Mark. Ich schrieb den Song eine Nacht vor der Produktion. Meiner Meinung nach wird Europa nie wirklich zusammenkommen, es wird immer nur eine Wirtschafts- und Interessengemeinschaft bleiben. Erst, wenn wir alle eine Sprache sprechen, wird vielleicht was daraus.

Du warst ja auch der Erste, der zu den deutschen KFOR-Truppen in den Kosovo gereist ist und dort „für die Truppe“ gespielt hat und du hast extra das Lied „Es steht ein Haus im Kosovo“ dafür komponiert. Die Resonanz darauf war ja eher gespalten...

Der Kosovo ist für mich nie ein Thema gewesen! Er wurde erst eins, als ich eine Einladung dahin bekam und plötzlich mit großen Augen und Ohren das ganze Ausmaß der Aufgabe dort überblickte. Erst da wurde mir auch bewusst, wie respektlos die Soldaten behandelt werden. Wie sich auch die öffentliche Meinung einen Scheiß darum kümmert! So kam es zu dem Solidaritätssong. Den schrieb ich eine halbe Stunde vor Beginn meines Konzerts vor der ‘Blauen Ruine’ im Prizren-Camp vor 5000 Soldaten im Juni 2002.

Bei den Amerikanern ist diese Art von Truppenbetreung ja selbstverständlich und keiner regt sich darüber auf! Warum ist es für deutsche Künstler nicht selbstverständlich?

Richtig, die Amerikaner regen sich nicht auf, sondern begrüßen das. Das ist da selbstverständlich. Wir sind hier alle Träumer, Kinder, Idioten! Marketingorientierte Möchtegerne und Klugscheißer! Natürlich könnte und müsste die ganze Sänger- und Entertainment-Elite dort aufkreuzen, aber sie tun es nicht, weil sie es einfach nicht checken, was los ist und was laufen muss!

Die NO ANGELS waren ja dann auch dort und bekamen weitaus mehr Aufmerksamkeit! Ist es nicht zum Kotzen, dass diese Hüpftitten einem die Idee einfach klauen und für eine ausgeklügelte PR-Kampagne nutzen?


Hinter allem steht, wie im Fall der NO ANGELS, nur oberflächliche Scheiße. Dennoch bin ich stolz drauf, dass ich immer wieder angefordert und gewollt werde und die begreifen, dass ich diesen Einsatz niemals als PR-Gag herabgewürdigt sehen möchte, dafür sind mir die Soldaten viel zu wichtig und wertvoll. Verarschen sollen andere!

Was hörst du denn privat für Musik?

Morgens im Badezimmer unter der Dusche höre ich karibische Folklore oder Bob Marley. Im Hintergrund, wenn ich am Schreibtisch Büroarbeit mache, höre bzw. sehe ich VIVA und MTV. Abends in der Kiste mit einem Mädel höre ich Cool-Jazz von Brönner bis Miles Davis. Allerdings, wenn ich auf der Straße bin, höre ich Rockabilly von Carl Perkins. Aber auch alte Cash-Compilations, Waylon Jennings und Ry Cooder.

Kennst du eigentlich die Cover-Version von Peter Alexanders „Ich lass dir den Kochtopf, lass du mir mein Bier“ der LOKALMATADORE? Diesen Song hast du ja auch komponiert und ich finde, dass er nie zu Peter Alexander passte. Wie kommt so eine Kuriosität zustande und warum hast du den Song nicht selbst gesungen?

Ich finde die LOKALMATADORE wirklich beachtenswert! Besonders wegen des Punks in ihnen. Und an den Texten erkenne ich, dass da ein ‘frisches’ Hirn drangewesen sein muss. So ist ja selbst ‘Fotze’ ein echtes Stück Arbeit. Wie es zu Peter Alexander kam, war purer Zufall. Ich habe ihn bei Ralph Siegel im Studio getroffen. Er suchte neue Songs und ich hatte den Text in der Arschtasche meiner Jeans. Ich spielte ihn ihm vor, er setzte sich ans Klavier und spielte es sofort nach. So kam die Aufnahme zustande. Ich selber habe es nicht gesungen, weil ich den Song für mich nicht passend hielt und außerdem war es ja auch kein wirkliches Meisterwerk.

Du hast ja auch viele Titel für andere Künstler geschrieben und produziert. Früher waren es Rex Gildo, Peter Alexander, Manuela oder Roland Kaiser, also deutscher Schlager! Fällt es schwer, sich darauf einzustellen?

Durch Auftragsarbeiten habe ich das wirklich kommerzielle Schreiben gelernt. Gott sei Dank! Das waren Lehrjahre und eine sehr interessante Zeit, da ich parallel dazu meine eigenen Sachen entwickeln konnte!

Auf deinen ersten beiden Platten spielt ein gewisser Frank Zander Gitarre...

Frank Zander arbeitete als Studiomusiker in meiner Produktionsfirma und war dann auch Bandmitglied der GLOOMYS, der Begleitband von Christian Anders und Michael Holm. Wir hingen in den gleichen Discos von Berlin rum und so trafen wir uns zwangsläufig. Wir haben damals bei dieser Produktionsfirma neue Leute mit neuen Ideen ausprobiert. So kam Frank mit ins Team. Ich hab dann die ganze erste LP von ihm produziert und einige Hits mit ihm zusammen gehabt. Die Zusammenarbeit ist letztendlich an der Ehefrau von Frank zerbrochen, die in mir eine Gefahr sah, weil ich wohl zu rebellisch für ihren geliebten Frankie war.

Mit Manfred Krug hast du auch ein Duett aufgenommen. Damals passte das ja wie die Faust aufs Auge, da Manfred Krug in der ARD-Vorabendserie „Auf Achse“ einen LKW-Fahrer spielte.

Manfred Krug war immer ein großer Fan von mir, ich aber nicht von ihm! Eine gemeinsame Freundin brachte uns dann zusammen und ich lernte ihn lieben. So entstand dann auch diese Scheibe.

Wer ist Bobby Ford?

Bobby Ford war Anfang der 70er ein Pseudonym von mir, weil die unter diesem Namen veröffentlichten Songs so schwach waren, aber mein damaliger Freund und Produzent Chris Juwens wollte sie unbedingt aufgenommen haben. Ich hab ihm dann diesen Gefallen getan. Unter Gunter Gabriel hätte ich diese Sachen niemals veröffentlicht!

Die berühmten letzten Worte... Vielleicht „Der letzte Wagen ist immer ein Kombi...“?

Haha, wie wäre es mit ‘Er hat sein Bestes gegeben, mehr war verdammt nochmal nicht drin’.