MUDHONEY

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1988 waren sie nur eine Punkband in der verschnarchten Flugzeugbauerstadt Seattle. 1992/93 wurden sie vom Hype mitgerissen, der da auf den Namen Grunge hörte, und schließlich wieder an Land gespült. Zehn Jahre später sind sie immer noch dabei. „Since We’ve Become Translucent“ heißt das neue, achte und beachtliche Album, erschienen auf SubPop, und bis auf den „neuen“ Basser Guy Maddison (der den ‘99 ausgestiegenen Matt Lukin ersetzt) ist die Besetzung die alte, also Mark Arm (Gitarre & Gesang), Dan Peters (Drums) und Steve Turner (Gitarre), mit dem ich auch über die neue Platte sprach.

Hallo, Steve.

Guten Morgen, ich hoffe es stört dich nicht, wenn ich während des Interviews meinen Frühstückskaffee trinke.

Überhaupt nicht. Was hast du heute noch vor?


Erstmal das Interview, dann kommen Typen von der Bank vorbei, um mein Haus neu zu schätzen, und dann fahre ich rüber zu SubPop und gebe noch ein paar Interviews. Und heute abend spielen MISSION OF BURMA im Rockmuseum EMP – ich bin echt gespannt. Ansonsten arbeite ich als Landschaftsgärtner, das ist mein eigentlicher Job, und ich skate auch noch recht viel. An meinem Solo-Album arbeite ich auch noch.

Und, entspricht das den Vorstellungen vom Leben eines Rockmusikers, die du mit 15 hattest?

Mit 15 habe ich darüber noch nicht nachgedacht, erst mit 17 kam ich auf die Idee, in einer Band zu spielen. Geplant habe ich daran gar nichts, ich mache das alles halt seit 15 Jahren, auch wenn es manchmal schwer fällt, das alles zu rechtfertigen, weißt du? Aber eigentlich bin ich derzeit eher in meiner ‘Hungernder Künstler’-Phase – und habe eigentlich noch Glück gehabt, denn immerhin gehört mir das Haus, in dem ich wohne. Und ich muss auch nicht einen Vollzeit-Job machen, um zu überleben, und ich fühle mich insgesamt jünger, als ich bin. Es geht mir gut!

Was ist euer Rezept als Band, es weiter zu schaffen als die üblichen drei, vier Alben und sich dann aufzulösen?

Uns hat geholfen, dass wir die Band nie als wirkliche Karriere begriffen haben. Außerdem haben wir uns auch Pausen gegönnt. Wir haben sehr lange überlegt, und Mark und ich lenkten uns erstmal mit dem MONKEYWRENCH-Album ab. Sollte uns aber jetzt nochmal jemand abhanden kommen, wäre es wirklich vorbei.

Matts Abschied lief seinerzeit parallel zum Best Of- und Outtakes-Album.

Ja, es fiel genau in die Vorbereitungsphase. Wir haben dann trotzdem weitergemacht, weil es uns einfach zusammen Spaß macht, Musik zu machen. Das hatte rein gar nichts mit Gedanken à la ‘Hey, wir haben doch einen guten Namen, wäre doch blöd den aufzugeben’ zu tun, denn damals interessierte sich echt keiner für uns. Wir waren gerade von einer US-Tour zurückgekehrt, die überhaupt nicht gut gelaufen war.

Nimm mir das nicht übel, aber mir kommt es heute so vor, als würden sich vor allem Leute über 30 für MUDHONEY interessieren.

Ich weiß, was du meinst: Irgendwie denkt man bei uns immer an eine bestimmte Zeit Ende der 80er, Anfang der 90er. Ja, was soll ich dazu sagen? Man kann dagegen ankämpfen, aber wichtig ist für uns, dass wir eben nicht damals stehengeblieben sind. Und wenn wir vor zehn Jahren mal etwas bekannter waren, heißt das noch lange nicht, dass unsere Plattenverkäufe heute auch noch so gut wären. Andererseits: Warum sollten sie auch? Wir sind doch keine Pop-Band. Sollten wir mit dem neuen Album jetzt wieder etwas mehr Aufmerksamkeit erfahren und die Kids auf uns stoßen, fände ich das wirklich witzig, denn wir arbeiten darauf ja nicht hin, wir biedern uns bei niemandem an. Wie auch, wenn wir es mit Mühe und Not schaffen, gerade mal zehn Tage auf Tour zu gehen.

Apropos: Was ist mit ein paar Shows in Deutschland?

Wir waren seit 1995 nicht mehr in Europa auf Tour, von einer Show in London 1998 mal abgesehen – ganz einfach, weil kein rechtes Interesse an uns bestand. Jetzt hatten wir die Wahl zwischen einem Konzert in Bielefeld und einem in Paris. Naja, die Entscheidung fiel leicht. Bei Berlin wäre die Entscheidung klar gewesen. Also: Keine Konzerte in Deutschland – aber da müsst ihr euch nichts draus machen, wir touren ja nicht mal in den USA. Dan hat ein Kind, der ist derzeit nicht aus dem Haus zu bekommen, denn er kümmert sich um seine Tochter, und seine Frau muss sich für die Tour zwei Wochen Urlaub nehmen. In den USA spielen wir in nächster Zeit immer nur Wochenend-Shows, fliegen mal nach LA oder New York für ein, zwei Konzerte. Mehr geht eben derzeit nicht, leider.

Immerhin, das ist besser als sich aufzulösen.

Ja, man muss sich eben der Realität stellen.

Euer neues Album ist wieder auf SubPop erschienen, nachdem ihr eurem ersten Label zwischenzeitlich untreu geworden wart.

Wir hatten ja ‘99 schon die Best Of-Triple-LP bzw. -Doppel-CD bei SubPop gemacht, und das lief in der Zusammenarbeit echt gut, die kümmerten sich richtig um uns. Das war schön, weil wir zuvor von unserem alten Label gedroppt worden waren. Als es dann darum ging, ein neues Album zu machen, fanden wir die Idee schön, es wieder bei SubPop zu machen. Damit hat sich der Kreis für uns wieder geschlossen, es war irgendwie ein logischer Schritt.

Sub Pop ist heute aber auch ein ganz anderes Label als 1989 oder 1995.

Ganz klar, und ich finde auch selbst nicht alle Platten gut, die die gemacht haben. Gerade Mitte der Neunziger war eine richtig schlechte Zeit für SubPop, wo sie eine Menge beschissener Indie-Rock-Platten gemacht haben. In den letzten paar Jahren dagegen kamen wieder ein paar echt gute Sachen raus, da haben die einen scharfen Kurswechsel vorgenommen. Und dabei haben sie immer noch ein abwechslungsreiches Programm: Ich mag die BEACHWOOD SPARKS, aber auch NEBULA, mit denen wir viel Shows zusammen spielen, oder die CATHETERS.

Was hörst du heutzutage sonst so, was kaufst du?

Ich kaufe meine Platten meistens in Thrift-Stores, und da finde ich ziemlich viele Folk-Platten – Folk ist seit langer Zeit ein von mir sehr geschätzter Musikstil, von dem man in solchen Second-Hand-Läden massig Platten findet. Derzeit bin ich übrigens ziemlich in Joan Baez vernarrt. Ansonsten kaufe ich auch viele Platten von kleinen, unbekannten Punkbands, von Bands wie den BRIEFS, den A-FRAMES, LEATHERBOY, die alle hier aus der Stadt kommen. Außerdem kaufe ich Blues, komische Country-Platten wie Charlie Rich oder Waylon Jennings.

Folk – wird sich in diese Richtung auch dein Solo-Album entwickeln?

Ja, viele Songs werden rein akustisch sein, bei anderen spielt Dan Schlagzeug, Stone Gossard spielt etwas Bass, denn in seinem Studio habe ich zum Teil aufgenommen. Und Johnny Sangster, der im Egg-Studio arbeitet und auch MUDHONEY aufgenommen hat, hat mir mit Gitarre und Keyboard ausgeholfen. Wann und wo die Platte erscheinen wird, ist derzeit aber noch völlig unklar.

Euer neues Album fand ich anfangs gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile hat es sich festgefressen – gerade die Bläser sind großartig!

Wir sind selbst sehr zufrieden mit der Platte, und es hat auch sehr viel Spaß gemacht, sie aufzunehmen – und vor allem war es sehr leicht, sie zu machen, was, denke ich, das Markenzeichen einer guten Rock’n’Roll-Platte ist. Wir haben an drei Wochenenden jeweils drei Songs aufgenommen, und das war’s eigentlich. Drei Songs haben wir mit Johnny Sangster im Egg-Studio aufgenommen, drei andere – die mit den Bläsern – mit Martin Feveyear, was auch das teuerste Studio war, und die letzten drei mit Scott Colburn, einem Freund aus den alten Hardcore-Tagen. „Inside Job“, bei dem Wayne Kramer Bass spielt, entstand schon vor zwei Jahren im Studio von Jack Endino.

Wohl wegen der Bläser erinnert mich euer neues Album stellenweise an ROCKET FROM THE CRYPT.


Ich denke, unsere Bands verbindet, dass wir alle große SAINTS-Fans sind und uns die Bläser auf „Eternally Yours“ und „Prehistoric Sounds“ sehr gut gefallen. Das sind ganz simple, aber druckvolle ‘Horn Blasts’ mit straighten, rockenden Punksongs – da liegen unsere gemeinsamen Wurzeln, denke ich. Übrigens waren wir vor ein paar Jahren mal mit RFTC zusammen in Australien unterwegs.

Und da seid ihr auf euren Basser Guy Maddison gestoßen?

Nein, der ist schon seit zehn Jahren in Seattle. Er gehört zu einer ganzen Gruppe von Australiern, die damals nach Seattle übersiedelten und sich im Umfeld von LUBRICATED GOAT bewegten. Das war damals eine ziemlich interessante Zeit, weil du überall auf diese Aussies gestoßen bist – die waren alle irgendwie verrückt, und nur ein paar haben’s geschafft, hier zu bleiben. Martin, der Drummer von MONKEY WRENCH, ist übrigens auch Australier – komisch eigentlich, dass in beiden meiner Bands ein Australier spielt...

Über die Jahre haben sich MUDHONEY zwar etwas verändert, unverkennbar war euer Sound aber schon immer.

Wenn du damit sagen willst, dass wir uns über die Jahre immer irgendwie gleich angehört haben, dann akzeptiere ich das. Bei MOTÖRHEAD oder den RAMONES ist das nicht anders, und in diesem Rahmen finde ich das okay. Die musikalischen Moden ändern sich, derzeit ist Rock’n’Roll wieder angesagter, und wer weiß, vielleicht haben wir Glück und erreichen so ein paar mehr Leute. Ich mag die WHITE STRIPES und die HIVES, und keine Frage, das ist mir lieber als CREED oder so ein Scheiß.

„Since We’ve Become Translucent“ – gibt’s eine Story zu diesem Albumtitel?

Das ist nur eine Textzeile aus ‘Sonic infusion’: ‘They think we don’t exist since we’ve become translucent...’.

Das klingt wie eine Beschreibung eurer Band, die mal gehypet, dann wieder übersehen wird, weil eben Rock’n’Roll nicht angesagt ist.


Diese Vermutung hatte ich auch schon, aber Mark schreibt die Texte und wir reden nicht wirklich darüber. Er hat’s lieber etwas mysteriöser.

Steve, ich danke dir für das Interview.