VANDALS

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Joe Escalante gehört zum Urgestein der südkalifornischen Punkrock-Szene und das sieht man: der Mann, der vor dem Interview im Nightliner alle Beteiligten freundlich mit Bier versorgt, hat schon reichlich graue Haare, die er außerhalb der Bühne freilich unter einer Baseball-Cap versteckt. Mitte Juli spielten die VANDALS im Rahmen einer Mini-Europatour einen einzigen Deutschland-Gig im Kölner Underground, der aber erstaunlicherweise gar nicht sooo ausverkauft ist, wie ich dachte. Ein ziemlich junges Publikum feiert die Band dann auch ausgiebig ab, eine Band, die bei dieser Clubshow rundum begeisterte, die Spaß hat auf der Bühne und den auch weitergibt. Vor dem Auftritt unterhielt ich mich mit Joe Escalante (Bass), Josh Freese (Drums), Warren Fitzgerald (Gitarre) und Dave Quakenbush (Gesang) – nicht nur über Band, sondern auch über Joes Label Kung Fu Records, auf dem Mitte September das neue Album
„Internet Dating Super Studs“ der LA-Band
erscheint.

Wieso spielt ihr nur ein Konzert in Deutschland?


Warren: Wir sind nur zwei Wochen in Europa, in manchen Ländern spielen wir gar nicht – da ist eine Show schon viel, hahaha.
Joe: Außerdem spielen wir an einem Samstagabend, das zählt doch mindestens doppelt.

Es ist jetzt halb acht, draußen vor dem Underground stehen schon eine Menge Fans – und vor allem sehr viele junge Punks, was mich bei einer so alten Band wie den VANDALS schon etwas wundert. Ist das typisch?

Joe: Ja, und das ist auch beabsichtigt. Das letzte Mal, als wir in Europa auf Tour waren, hatten wir das Problem, dass unser Tourbooker den örtlichen Veranstaltern gesagt hatte, wir seien eine der dienstältesten kalifornischen Punkbands. Die hatten überall ein älteres Publikum erwartet, doch stattdessen kamen jede Menge Kids. Wir haben dann unserem Tourbooker erstmal erklären müssen, dass das auch unser normales Publikum ist und die alten Punks eigentlich kaum noch auftauchen. Und wenn sie kommen, dann haben sie in den letzten zehn Jahren keine unserer Platten gekauft.
Warren: Oder sie kommen nur, um ihre Kinder vor dem Club abzusetzen, haha.

Aber wie habt ihr das geschafft? Bei vielen anderen Punkbands von damals, die heute noch auf Tour gehen, liegt der Altersdurchschnit schon beinahe bei 30... Ich erinnere mich nur an die ZEROS letztes Jahr.

Joe: Was soll ich sagen... Solche Konzerte sind perfekt, wenn du eine Frau in deinem Alter kennenlernen willst. Wenn du aber versuchst, deinen Lebensunterhalt irgendwie mit Punkrock zu verdienen, kannst du das vergessen.
Warren: Und ich finde das auch gut, vor Kids zu spielen, denn darum geht’s doch.
Joe: Die meisten meiner Platten habe ich gekauft, als ich im Alter unseres Publikums war. Damals war ein Konzert noch etwas aufregendes, besonderes. Und die Kids wollen auch immer neue und bessere Musik, die geben sich nicht so einfach zufrieden. Die alten Fans wollen immer nur die alte Musik hören: „Spielt doch mal diesen Song von damals, als die Frauen mich noch attraktiv fanden, als ich noch Haare hatte – und vielleicht wachsen meine ausgefallenen Zähne auch wieder nach“. Hahaha! Eine alte Band zu sein, ist viel einfacher, als eine neue Platte aufzunehmen und diese Kids beeindrucken zu müssen. Die verzeihen dir nichts.

Andererseits: Josh ist ein sehr gefragter Schlagzeuger, er hat unter anderem für A PERFECT CIRCLE und GUNS’N’ROSES getrommelt, Joe hat ein gut laufendes Label – ich denke mal, ihr macht die VANDALS nicht aus finanziellen Gründen, auch wenn es gut für euch läuft. Oder wie sieht das aus?

Joe: Lass es mich ganz einfach ausdrücken: Es macht einfach mehr Spaß, die Band zu machen, als nicht. Josh hat, wie du schon sagtest, andere Möglichkeiten viel Geld zu verdienen, bei mir ist es genauso, Warren ist Drehbuchautor – und so muss jeder von uns etwas von seinem „normalen“ Leben opfern, um mit den VANDALS auf Tour zu gehen, aber es macht eben viel Spaß. Natürlich bringt uns das auch Geld, wir können uns nicht beklagen, aber wären wir Zuhause geblieben, würden wir in der gleichen Zeit sicher mehr Geld verdienen.

Wenn man wie ihr die Band „nur“ zum Spaß macht, nimmt das doch auch eine Menge Druck – und dem setzen sich viele jüngere Bands ja durchaus aus, die sich für ihre Band einen regelrechten Karriereplan ausgedacht haben.

Warren: Wenn die Band das Einzige in unserem Leben wäre und wir all unsere Hoffnung und Anstrengung in die Band setzen würden – das wäre ziemlich für’n Arsch.
Josh: Mit den VANDALS ist alles so locker, dass es immer Spaß macht. Klar haben auch wir unsere Ziele und nehmen die Band ernst, aber du wachst nicht jeden Tag auf und dein erster Gedanke ist, warum dein Song schon wieder nicht im Radio gespielt wird, wie du es schaffen könntest, im Radio gespielt zu werden, wie du endlich bekannt werden kannst. Wir machen alle schon so lange Musik, immer mit geringen Erwartungen, dass sich irgendwann dann doch ein paar Erfolge einstellen. Das muss sich entwickeln, dass kann man nicht erzwingen. Und es ist auch viel einfacher, das zu machen, was man will, wenn man nicht ständig seine großen Träume zerschlagen bekommt. Entspannt an die Sache rangehen, das ist das Wichtigste.
Warren: Mann, ich kenne so viele Bands, die sich überhaupt nicht entspannen können, weil sie ständig nur im Kopf haben, wie sie dies oder das erreichen können.
Joe: Das ist auf jeden Fall nicht, worum es bei Punkrock geht. Ah, und da kommt unser Frontmann! Darf ich vorstellen? Dave Quakenbush!
Josh: Ich habe schon so viele Bands sich auflösen sehen, weil die superfette Plattenverträge bekommen haben und dann unglaublich aufgeregt waren – und dann passiert gar nichts, rein gar nichts von dem, was ihnen die ganzen Leute von der Plattenfirma und vom Management versprochen haben. Denen wird immer nur auf den Rücken geklopft, von allen, von den ganzen wichtigen Leuten bei MTV und so weiter. Und die großen Magazine sagen ihnen eine große Zukunft voraus – und es tut sich rein gar nichts. Die bekommen dann voll die Depressionen, lösen sich auf, hassen sich untereinander und ziehen wieder Zuhause bei ihren Eltern ein.

Eine Tendenz, die mir in den letzten Jahren auffällt, hat mit großen „Punk“-Bands wie BLINK 182 etc. zu tun: Viele von deren Fans interessieren sich einen Scheiß für den „richtigen“ Punkrock, der im Untergrund abläuft, die kennen nur das, was auf MTV läuft.

Dave: Mag sein, aber immerhin hören sie sich keinen Techno, Nu Metal oder Teen-Pop an.
Joe: Einen guten Teil unserer jungen Fans bekommen wir aber aus dem Lager der BLINK 182-Fans: Die gehen zu den Konzerten, sehen eine Punkband im Vorprogramm und fangen dann an, sich für andere Bands zu interessieren. Uns haben damals THE OFFSPRING mit auf Tour genommen, und AFI und GUTTERMOUTH, und das war für diese Bands die erste Gelegenheit, vor ein paar mehr Leuten zu spielen. Und dann kommen sie auf ihrer eigenen Tour in diese Städte zurück und sie haben schon mal ein paar mehr Leute bei ihrer Show. Ich denke also, man kann auf diesem Wege ganz gut was erreichen – und die Kids interessieren sich auch wirklich für diese kleineren Bands, wenn auch nicht für alte Bands. Das wiederum ist der Grund, weshalb wir uns als VANDALS ständig neu präsentieren, denn die Kids sind neugierig auf neue Bands – und ruinieren sich mit dieser Musik ihr Leben, hehehe.

Apropos sich ständig neu präsentieren: Das ist ja das Interessante an euren Alben, dass ihr euch nie stilistisch festgelegt habt, sondern bei jedem Song auf jeder neuen Platte – zumindest bei denen der „neuen“ VANDALS aus den Neunzigern – was anderes, was neues macht und nicht die übliche Variation des California-Punkrock.


Joe: Freut mich zu hören, dass du das so siehst. Auf diese Weise ist die Band für uns immer wieder aufs Neue interessant. Im Augenblick bin ich dabei, die Songs des neuen Albums zu üben, und die sind so anspruchsvoll, dass mir das immer wieder großen Spaß macht. Ich freue mich deshalb jetzt schon auf die nächste Tour, wo ich die Songs dann endlich auch live spielen kann. Wenn ich in einer Band wäre, die eigentlich immer nur ihr erstes Album wieder und wieder spielt, würde mich das sehr langweilen.
Josh: Welch grausiger Gedanke, seine Hit-Platte immer wieder covern zu müssen! Außerdem mögen wir auch ganz unterschiedliche Musik, und so kann man die hier und da einfließen lassen – so bleibt es für uns und die Fans interessant.

Wie „groß“ sind die VANDALS denn in den USA?

Joe: So „groß“, dass wir alle okay von der Band leben können. Aber wir werden nicht im Radio gespielt und auf MTV schon gar nicht. Da läuft es in England viel besser für uns. Wir sind eben Teil des weltweiten Punk-Undergrounds.

Die VANDALS sind eine Band, die nicht nur Musik macht, sondern auch in filmischer Hinsicht in Erscheinung tritt. So seid ihr ein zentrales Element des Films „That Darn Punk“, und mit „Fear Of A Punk Planet“ gibt’s die eigene Punk-Seifenoper. Wie kam’s dazu?

Joe: In meinem früheren Leben war ich als Anwalt beim Fernsehsender CBS tätig und habe eine ganze Menge über das TV-Business gelernt. Später habe ich dann die Idee zu einer TV-Serie über eine Punkband an eine Internet-Firma verkauft, als die anfing, auch TV-Formate zu entwickeln und zu produzieren. Wir sprechen von „Fear Of A Punk Planet“, wir alle hatten damit zu tun, ich schrieb das Drehbuch, doch dann machte diese Firma pleite, so wie fast alle Firmen im Internetbereich. Wir fanden uns in der Situation wieder, schon fertige Folgen dieser Serie zu haben, und außerdem diverses Equipment. Ein guter Freund konnte mit 16mm-Film umgehen, und so entschlossen wir uns, das Konzept von Punk-Filmen für die Kids da draußen umzusetzen, wobei diese Filme gar nicht für das Kino gedreht werden, wo die sowieso keine Chance hätten, sondern direkt für DVD und Video. So haben wir absolute Freiheit, müssen uns nicht auf Filmfestivals herumschlagen, mit Vertrieben streiten und uns von Typen in Anzügen dreinreden lassen. Wir machen den Film und bringen ihn raus, ganz einfach. Das heißt, es ist natürlich verdammt viel Arbeit, aber es macht Spaß.

Wann hast du Kung Fu Records gegründet, und wie kam’s dazu?

Joe: Warren ist vor ein paar Jahren immer häufiger gebeten worden Bands zu produzieren, und da war dann die nächste Frage immer, ob er nicht ein gutes Label kennt – und eine größere Band, mit der man auf Tour gehen kann. Daraus entstand dann die Idee, doch einfach ein Label zu gründen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. So fingen wir dann 1996 mit ASSORTED JELLYBEANS an, einer Ska-Punk-Band, auf die meine Frau gestoßen war. Die Platte verkaufte sich gut, dann kamen die ATARIS, die auch gut liefen, diverse andere Bands – du kennst ja unseren Katalog – und schließlich die VANDALS selbst. Außerdem kommen in Kürze Platten von AUDIO KARATE und TSUNAMI BOMB. Oh, ich habe doch glatt unseren Bestseller vergessen, das war natürlich BLINK 182, die haben sich damals so gut verkauft, dass ich meinen Job aufgeben konnte. Mit dem Geld, das wir da verdient haben, konnten wir den anderen Bands helfen, größer zu werden, und heute ist Kung Fu ein richtiges Label, das in einer Liga spielt mit Fat Wreck und Epitaph. Ich vermisse heute zwar etwas das Fernsehgeschäft, aber dafür hat man es im Plattenbusiness in unserer Branche viel mehr mit richtigen Menschen zu tun.