COMMON RIDER

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Last wave rockers

Mit OPERATION IVY hat Jesse Michaels als Sänger Ende der 80er mit Punkgeschichte geschrieben. Nachdem sich die Band nach nur zwei Jahren aufgelöst hatte, haben seine ehemaligen Bandkollegen kurz darauf RANCID gegründet. Während Tims und Matts Band immer größer wurde, wurde es gleichzeitig immer stiller um Jesse. Er zog es vor, um die Welt zu reisen und sich mit Buddhismus statt mit Musik zu beschäftigen. Bis vor zwei Jahren, als er sich ganz still mit einer neuen Band zurückgemeldet hat, COMMON RIDER. Im Herbst 2002 ist das zweite Album der Band erschienen, und im Rahmen der “Plea For Peace”-Tour konnte man sich zum ersten Mal von den Live-Qualitäten von COMMON RIDER überzeugen. Dieses Interview mit Jesse Michaels ist nach der Tour Ende Oktober entstanden.


Wie war es, wieder Konzerte zu spielen? Wie ist die Tour verlaufen?


Die Tour war gut. Hart, aber lohnenswert. Es war wirklich gut, nach all diesen Jahren wieder live zu spielen und alte OP IVY-Fans zu treffen.

Du hast für euer zweites Album “This Is Unity Music” die Besetzung geändert. Auch auf der Tour hattet ihr zwei Gitarristen dabei, und du hast nur gesungen. Wie siehst du COMMON RIDER, als richtige Band oder eher als Projekt?

Es wird keine richtig zusammengeschweißte Band sein, solange nicht alle in der gleichen Stadt leben. Ich glaube nicht, dass man wirklich eine Band haben kann. ohne regelmäßige Proben und ständigen Kontakt. Aber es gibt gute Chancen, dass COMMON RIDER in Zukunft eine richtige Band werden können. Bislang ist es ein fortlaufendes Projekt, das wir Schritt für Schritt angehen.

Als euer Debütalbum erschienen ist, waren viele Leute etwas enttäuscht, die sich von dir etwas in Richtung OP IVY erhofft haben. Inwieweit hatte das Einfluss auf die Arbeit am neuen Album, und was denkst du über diesen aufgezwungenen Vergleich der beiden Bands?

Alles, was ich irgendwie erlebe, beeinflusst mein Songwriting. Das würde dir jeder sagen. Deshalb hat die Meinung der Leute auf jeden Fall einen Einfluss auf mich, auch wenn ich nicht vorhabe, jemandem den Arsch zu küssen. OPERATION IVY war eine bessere Band, als es COMMON RIDER ist. Aber es ist unmöglich, eine Band wie OP IVY künstlich zu erzeugen. Es ist eine Sache des Glücks und Schicksals, eine solche Chemie zu haben. Das passiert nicht jeden Tag, und man kann es nicht erzwingen. Wenn du mir nicht glaubst, probier es einfach! Mein Job und der von COMMON RIDER ist es, so gute Songs wie möglich zu schreiben und dabei Spaß zu haben. Im Grunde sind solche Vergleiche sinnlos. Man muss einfach tun, was man tun will.

Nach OP IVY hast du dich für lange Zeit von der Musik ferngehalten. Hatte das besondere Gründe, und hattest du das Bedürfnis, dich mit einer neuen Band wieder damit auseinander zu setzen, was dann zur Entstehung von COMMON RIDER geführt hat?

Ich wollte lange nichts mit Musik zu tun haben, weil mich der Vorgang des Songwritings verrückt gemacht und deprimiert hat. Ich weiß nicht einmal warum. Dann hat es nach einiger Zeit angefangen wieder Spaß zu machen. Das war der Moment, als ich mich entschieden habe, wieder Musik zu machen.

Du befasst dich viel mit Buddhismus. Denkst du, das hat einen Einfluss auf deine Lyrics?

Ja, wegen dieses Konzepts der Einheit, dass es da eine zu Grunde liegende Verbindung allen Lebens und Seins miteinander gibt. Es ist kein direkter Einfluss, ich rede nicht über buddhistische Konzepte in meinen Songs, aber der Buddhismus hatte zusammen mit anderen philosophischen Überlegungen so viel Einfluss auf mich persönlich, dass er sich definitiv auch auf meine Texte auswirkt.

Das Cover eures neue Albums zeigt ein Baby, das aus dem Fenster greift. Was soll das, und was drückt der Plattentitel “This Is Unity Music” aus?

Das Baby stellt die menschliche Seele dar, die nach dem Guten im Leben greift. Es bedeutet hoffnungsvoll zu sein, wie es das ganze Album ist. Einheit kann viele Bedeutungen im Zusammenleben in einer Gesellschaft haben. Im Titel des Albums steht es für die Möglichkeit des menschlichen Friedens. Es hat weniger mit der Musik zu tun. Aber, was die Musik angeht, so versucht die Band unterschiedliche Aspekte zusammen zu führen, um etwas hörbares zu schaffen.

Worum geht es in dem Song “Firewall”? Um Barrikaden, die Menschen aufbauen, um die Probleme anderer nicht bemerken zu müssen?

Es geht darin um das moderne Verhalten, Ungemütliches zu vermeiden. Der Song sagt, dass wir das Leben direkt betrachten müssen und aufhören sollen, ständig vor uns selbst zu fliehen, wenn es darauf ankommt, die Welt, in der wir leben, zu verändern. Wenn die Menschlichkeit in uns es schaffen würde, sich selbst ernst zu nehmen und sich zu entwickeln, wäre das zwar ein schmerzhafter Prozess, aber er würde dazu beitragen, Unglück zu verhindern.

Du kennst die Punkszene seit vielen Jahren. Wie hat sie sich verändert, und wie fühlst du dich selber in ihr, als Veteran dank OP IVY, oder als Neuling mit COMMON RIDER?

Wegen meiner langen Pause habe ich mich nie als Veteran gefühlt, ich fühle mich immer noch ziemlich neu in der ganzen Sache, und hoffe dieses Gefühl lange zu behalten, denn es hilft mir offen zu bleiben. Das was ich früher als Punk betrachtet habe, wurde durch einen viel mehr am Mainstream orientierten Gedanken ersetzt. Vor zehn Jahren wäre ich entsetzt darüber gewesen, was heute im Zusammenhang mit Kommerzialisierung und Zusammenarbeit mit großen Institutionen abgeht. Aber heute bin ich viel gelassener als damals, ich genieße es einfach, so wie es ist. Außerdem sind die Shows gewaltfreier als früher, und ich habe diese Gewalt bei Konzerten immer gehasst. Also fühle ich mich wohl mit diesem neuen Punk, obwohl ich mir immer wieder überlege, dass die Kids von heute keine Ahnung haben, worum es im richtigen Underground-Punk ging und geht. Sie haben einfach nie eine Musikszene ohne MTV, Tower Records usw. erlebt. Ich habe viele Leute auf der Tour getroffen und bin überwältigt von ihrer Freundlichkeit und Intelligenz. Punk ist immer noch großartig und wird es immer sein!

Ein Thema, das heute alles beherrscht, ist der näherrückende Konflikt mit dem Irak. Wie siehst du das Verhalten in den USA, vor allem auch die Veränderungen, die sich seit dem 11. September 2001 ergeben haben?

Unsere Regierung hat alles, was geschehen ist, dafür ausgenutzt, eine noch konservativere Politik zu führen. Amerika ist ein Imperium, nicht anders als das Römische Imperium in vergangenen Zeiten. Sein Ziel ist die Weltherrschaft, und seine Instrumente sind Krieg, Einschüchterung, Propaganda. Manipulation und Erpressung. Ich bin keine besonders politische Person, aber jeder Idiot kann das sehen. Was mich traurig macht, ist, dass sich unsere Kultur der Oberflächlichkeit und Konsumgesellschaft überall auf der Welt ausbreitet. Ich glaube nicht an die Propaganda moslemischer Terroristen, aber ich sehe keinen großen Unterschied zwischen ihnen und den amerikanischen Extremisten.

Möchtest du noch etwas hinzufügen?

Ich würde gerne meine Bewunderung für die Menschen in Europa zum Ausdruck bringen, denn sie schenken ihre Aufmerksamkeit den Geschehnissen in der Welt. Alles Gute den Punk-Kids in Deutschland!