Die Deutsche Rock’n’Roll- und Loonypartei

Schluss mit Politikverdrossenheit! - Der Rock’n’Roll hat eine Partei

Die Rede ist von Bernd “Barny” Birkenkämper aus Mülheim, einem ganz und gar fleißigen Konzertbesucher, zudem mit gutem Geschmack. Wieso er auffallen könnte? Na, ganz einfach, weil er gut und gerne unser Vater sein könnte – sogar meiner, und das soll was heißen. Wie alt er genau ist, verrät er euch weiter unten. Das Interessanteste an Barny ist nun keineswegs sein Alter, der Mann ist vielmehr der Chef und Gründer einer außergewöhnlichen Partei. Weshalb er hin und wieder auch mit einem riesengroßen Zylinder auf Konzerten herumläuft, was dann auch wieder auffällig ist. Ich glaube, ich sollte Barny nun einmal selbst von sich und seiner Funktion erzählen lassen. Letzte Woche bin ich dafür extra mit Rollschuhen nach Mülheim gedüst, um in Barnys Anwesen ein Interview zu führen. Ich war recht lange unterwegs, aber ich denke, es hat sich gelohnt. Einen so interessanten Mann wie Barny, der schon einiges erlebt hat, trifft man nicht alle Tage!


Hallo Barny! Stimmt es, dass du eine Musik- und Funpartei gegründet hast?


Ja, ich habe bereits im August 2001 in Mülheim an der Ruhr die Deutsche Rock’n’Roll- und Loonypartei gegründet und bin auch erster Vorsitzende. Die Partei hat inzwischen 45 Mitglieder. Dass es diese Partei überhaupt gibt, scheint bisher nur im Ruhrgebiet und im Bergischen Land bekannt zu sein, aber das wird sich ja mit Erscheinen dieser Ox-Ausgabe schlagartig ändern.

Bist du eigentlich selbst Musiker?

Nein, dafür hat mein Talent nie gereicht, vermutlich war ich aber nur zu faul. Stattdessen bin ich seit frühester Jugend leidenschaftlicher Schallplattensammler und habe seit meinem sechzehnten Lebensjahr über 2.000 Konzerte besucht, also bestimmt mehr als 3.000 Gruppen live gesehen. Leider habe ich nur mal vorübergehend Tagebuch darüber geführt, aber ich habe noch jede Menge Eintrittskarten aufbewahrt.

Nenn’ doch mal einige Beispiele.

Da waren in den Sechzigern die BEATLES, die ROLLING STONES, David Bowie und Jimi Hendrix, in den Siebzigern Gruppen wie DEEP PURPLE, TEN YEARS AFTER, BLACK SABBATH, MAN und ROXY MUSIC, aber auch Deutschrockgruppen wie KRAAN und GURU GURU. Ende 1976 habe ich quasi die Entstehung des Punkrocks in England und Deutschland miterlebt, da ging es gleich Schlag auf Schlag: JAM, VIBRATORS, UK SUBS, UNDERTONES, STIFF LITTLE FINGERS, DEVO, DEAD KENNEDYS, EXPLOITED, SKIDS, Iggy Pop usw. Dem Punk bin ich bis heute treu geblieben, aber ich stehe jetzt mehr auf Garagepunk.

Die BEATLES?! Wie alt bist du denn?

Absehen von der hohen Stirn schätzt mich sicher kaum jemand auf 54, aber so alt bin ich tatsächlich, sonst hätte ich auch nicht im Alter von 17 die BEATLES 1966 in der Grugahalle Essen sehen können. Demnach war ich 1977 auch bereits 28, hatte lange Haare und einen Vollbart! Da wurde man von den Punkern gleich wie ein Aussätziger angesehen; heute ist das Publikum schon toleranter. Auch hat es mich geärgert, wenn die Türsteher vom 100 Club in London bei Punkkonzerten zu mir gesagt haben: No Jazz today, Sir.

Kommen wir zurück zur Partei; gab es in England nicht schon mal eine Loonypartei?

Ja, der berühmte Rocksänger Screaming Lord Sutch hat die Official Monster Raving Loony Party bereits Mitte der Sechziger gegründet, als er durch das Aufkommen der Beatmusik seinen ersten Karriereknick hatte. Seinen einzigen Hit hatte er zuvor mit dem Stück ‚Jack the Ripper’. Durch die Musikpresse war ich über seine musikalische und politische Entwicklung stets informiert. Loony bedeutet ja verrückt und so sollten seine politischen Forderungen auch aussehen. Die Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 wurde zuerst belächelt, aber später ebenso von anderen Parteien beschlossen wie die Ausstellung von Pässen für Hunde und Katzen. Leider habe ich ihn nie live gesehen oder persönlich kennengelernt. Das wollte ich im Oktober 1999 beim Las Vegas Grind nachholen, aber er hat am 17. Juni 1999 Selbstmord begangen. Im September 1999 habe ich rein zufällig während eines Englandurlaubs eine Englische Loony Jahreshauptversammlung besucht und bin spontan der englischen Partei beigetreten. Weiteren Kontakt zur Partei oder einzelnen Mitgliedern habe ich zuerst nicht gehabt. Auch hatte ich nicht bemerkt, dass die Partei sich im Sommer 2000 aufgespalten hatte. Durch eine Verlinkung auf der Englischen Homepage hatte ich zwischendurch Kontakt zu der Amerikanischen Loonypartei in Florida aufgenommen. Da diese in einem typischen Badeort, St. Petersburg, ansässig ist, war ein Treffen bald vereinbart und im Mai 2001 kam es gleich zu einem Gipfeltreffen, da auch der aktuelle englische Parteichef Screwy Driver dort Urlaub machte. Obwohl die Deutsche Loonypartei noch nicht bestand, wurden die Loonited Nations ins Leben gerufen. Ich sagte spontan zu, in Deutschland innerhalb von sechs Monaten eine Loonypartei zu gründen und bereits die erste Jahreshauptversammlung durchzuführen. Mit Werner Nickel, Chef des Mülheimer Starclubs, vormals Starclub Oberhausen, hatte ich schnell einen passenden Partner und zweiten Vorsitzenden gefunden und gleichzeitig einen Hauptsitz und Parteilokal. Am 18.08.2001 fand dann die offizielle Gründungsveranstaltung mit 18 Mitgliedern statt. Sicherlich hätte eine Loonypartei durch den Spaßfaktor an sich schon eine Daseinsberechtigung, aber das war uns nicht genug. Schließlich sollte ja auch die Livemusik gefördert werden. Also heißt die Partei Deutsche Rock’n’Roll und Loonypartei und eine unserer Hauptforderungen lautet: Abschaffung sämtlicher Steuern, die im Zusammenhang mit Livemusik stehen. Rock’n’Roll steht im Parteinamen für ehrliche Livemusik mit echten Instrumenten. Um die Förderung selbst voranzutreiben, veranstaltet die Loonypartei neben dem Starclub e.V. gelegentlich auch eigene Konzerte z.B. kürzlich das legendäre Dreitageskonzert mit den Lokalmatadoren. Aber auch Auftritte der NIMRODS, DIRTSHAKES und MONTESAS haben im verschlafenen Mülheim Aufsehen erregt. Von unserem ersten Gedanken, die Konzerte immer Montags zu veranstalten, haben wir nach einigen schmerzhaften Erfahrungen wieder Abstand genommen.

Tritt die Partei eigentlich auch bei Wahlen an?

Lord Sutch ist in England insgesamt bei über 50 Wahlen als Kandidat angetreten, genauso will die Deutsche Loonypartei auch an allen Wahlen teilnehmen. Die Bundestagswahl 2002 wäre im ersten Jahr des Bestehens sicher eine Nummer zu groß gewesen und wir wollten uns erst mal auf die Kommunalwahlen 2004 konzentrieren. Plötzlich ergibt sich jedoch noch eine einmalige Gelegenheit: der Oberbürgermeister der Stadt Mülheim ist kürzlich aus ‚persönlichen Gründen’ zurückgetreten und am 23.03.2003 findet eine Oberbürgermeisterwahl – nur in Mülheim – statt. Die Loonypartei schickt ihren Spitzenkandidaten ins Rennen. Also ich trete an, natürlich als Favorit, denn die anderen Parteien verstehen keinen Spaß und haben auch keine Ahnung von Rockmusik – das wird der Wähler noch rechtzeitig merken. So werden wir dann mit England gleichziehen, denn mein Kollege und Freund Screwy Driver ist Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde!

Wie können sich die LeserInnen über das gesamte Programm der Loonypartei informieren, sucht ihr noch Mitglieder und wie hoch ist der Beitrag?

Am besten kann man sich auf unserer Homepage informieren. Da kann man auch Fotos sehen, z.B. von mir, von Screwy Driver und von verschiedenen Gruppen, die im Starclub Mülheim gespielt haben. Im Hintergrund ist das Lied ‚Jack the Ripper’ zu hören. Den Aufnahmeantrag kann man ebenfalls von der Homepage herunterladen und ausdrucken. Hierbei kann man lesen, dass der Monatsbeitrag erschwingliche 1 Euro beträgt. Also neue Mitglieder sind stets willkommen, vielleicht befindet sich ja auch mal ein bekannter Musiker darunter oder ein potentieller neuer Parteichef. Die prominentesten Mitglieder der englischen Loonypartei sind Roy Wood und Captain Sensible. Das müsste doch zu übertreffen sein! Wo bleiben die Campinos?