LOST SOUNDS

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Surf On The Black Wave

Es piepst und zirpt. Es kracht und lärmt. Es ist vertrackt und doch eingängig. Und absolut unwiderstehlich. Die LOST SOUNDS mischen Punkrock, New Wave und einen Haufen Elektronik zu einem dichten und mitreißenden Sound und bescheren dem, der sich auf sie einlässt, ein extrem intensives Hörerlebnis. Ihr drittes Album “Rat’s Brains & Microchips” auf Empty Records US beweist wieder mal aufs Neue: Die Black Wave rollt unaufhaltsam. Mit Humor und starkem Selbstbewusstsein ausgestattet beantworteten Alicja und Jay, die beide für die Gitarren und die Synthesizer bei LOST SOUNDS verantwortlich sind, auf die Fragen, die wir ihnen per Email schickten.

Erst mal die Basics bitte. Wann, wie und warum habt ihr die LOST SOUNDS gegründet?

Alicja:
Wir haben die Band vor vier Jahren zu dritt gestartet und anfangs die Positionen an den Instrumenten oft getauscht. Jay und Rich von den REATARDS haben Gitarre und Schlagzeug, bzw. Bass und Schlagzeug gespielt, und ich habe ebenfalls Schlagzeug sowie das Keyboard gespielt. Wir wollten simplen Punkrock und NUGGETS-mäßige Songs machen und damals war so eine Mischung noch ziemlich neu. Wir schreiben Songs über Satan, die eher vom Black Metal als von den Radio-Hits der Sechziger beeinflusst sind.
Jay: Ich war von dem angekotzt, was die REATARDS machten und wollte etwas weniger primitives machen.

Was ist euer musikalischer Background? Wir wissen zwar, dass Jay bei den REATARDS war, aber was habt ihr sonst so gemacht?

Alicja:
Meine erste richtige Band hieß THE ALLURING STRANGE. Eine Pop-Rock’n’Roll-Gruppe, die hauptsächlich aus Frauen bestand. Aber nachdem ich ein paar Mal rausgeschmissen wurde, habe ich mit ein paar alten Freunden THE CLEARS gegründet. Wir haben Analog-Synthesizer und ein Cocktail-Kit-Schlagzeug benutzt und silbernen Eyeliner und glänzende Klamotten aus den Angebotsregalen von den ‚Hootchie Mama’-Läden getragen. Wir haben sogar eine Veröffentlichung auf Smells Like Records gehabt. Völlig gegensätzlich zu dem, was die REATARDS machten. Danach war ich noch bei THE ULTRACATS. Bevor alle von New Wave redeten und sich auf die Suche nach Moogs, Korgs und Rolands aus den Achtzigern machten, hatte ich schon eine ziemlich ansehnliche und einsatzbereite Sammlung davon, und ich habe deren Einsatz auch bei LOST SOUNDS eingefordert, an Stelle einer Orgel, die zu der Zeit das beliebteste Tasteninstrument war. Das ganze Neo-Garage-Zeug war da noch ziemlicher Underground.

Hat eure Herkunft aus Memphis irgendeinen Einfluss auf eure Musik?

Jay:
Ja, Memphis ist eine öde Stadt, die einen manchmal ziemlich runterziehen kann. Dieses Gefühl fließt auch in unsere Musik ein.

Es gibt einige Bands, die Musik machen, die eurer nicht ganz unähnlich ist, wie THE BRIEFS, EPOXIES, ROTTEN APPLES, SUBTONIX oder auch THE CRIPPLES. Diese Mischung aus Punkrock, New Wave und diesen ganzen elektronischen Sounds. Siehst du da eine Verbindung?

Alicja:
Ich sehe eine Verbindung zu den SUBTONIX. Sie haben, wie wir auch, diesen unwiderstehlichen Garagerock-Appeal, ohne sich völlig in einem Sixties-Feeling zu verlieren. Außerdem die Punkrock-Ethik, es simpel zu halten, und diese Doom-Gloom-Darkness, dieses Black Wave-Ding. Das unterscheidet uns und sie von den anderen Bands, die ihr erwähnt habt. Wir haben eher eine Wall Of Sound als ein Nebeneinander von Gitarren und Keyboards. Manche Bands sind in diesem New Wave-Ding drin, während sich andere Bands nur so anhören, aber nicht wirklich dabei sind.
Jay: Ich finde, die meisten neuen Bands, die Synthies benutzen, spielen auch nur Synthie-Pop. Ich sehe einen Synthesizer eher als Werkzeug zum Krachmachen und nicht als einen Nostalgie-Faktor.

Kommt da ein Trend auf uns zu? Hoffentlich nicht. Aber es scheint so, dass viele Leute diesen Sound mögen und ihn auch gerne selber machen. Was sind eure Einflüsse? Warum macht ihr gerade diese Musik?

Alicja:
Ich hoffe, dass ich demnächst keine Band auf MTV sehen muss, die unseren Sound geklaut hat und ihn völlig zerstört. Ich würde da wirklich sauer werden. Jay hat mal angemerkt, dass viele der angesagten Garage-Bands ihre Einflüsse gerne herausschreien. Wenn es dann aber darum geht, eine Band auszusuchen, um mit ihr zu touren, entscheiden sie sich eher für irgendeinen Kritikerliebling, als für die wahren Bands. Ich bin mir sicher, dass der Trend schon da ist, aber ich wohne in Memphis, Tennessee und hier hinkt die Popkultur zehn bis fünfzehn Jahre hinterher.

Auf eurer Website gibt es eine Extra-Sektion für euer Equipment. Auf “Rat’s Brains & Microchips” habt ihr die Synthesizer aufgelistet, die ihr verwendet habt. Wie wichtig ist dieses technische Zeug für euch? Für manche Menschen passt das ja gar nicht in ihre Definition von Punkrock.

Alicja:
Die ‚Gear-Ecke’ auf unserer Seite ist schon ziemlich alt. Wir wollten den Leuten zeigen, was für diese ganzen Geräusche verantwortlich ist. Und auch, um den DIY-Gedanken zu erhalten, indem wir ein Home-Studio zeigen. Die Auflistung der Synthies auf unserem Album sollte für andere Keyboard-Geeks sein, und auch um ein bisschen damit anzugeben, was wir uns in den letzten Jahren so angeschafft haben, hehe.

Benutzt ihr wirklich diese schrecklichen Umhänge-Keyboards, die auf dem Cover von “Black Wave” zu sehen sind? Die erinnern unangenehm an eine Phase vor knapp zwanzig Jahren: Komische Frisuren, Neonlicht, beschissene Musik usw. Seht ihr darin, ebenso wie in Bezug auf euren Sound, ein Achtziger-Revival?

Alicja:
Das Cover war nur eine Parodie auf diesen Look, vor dem ihr so Angst zu haben scheint. Aber ich habe mir gerade ein Moog Liberation gekauft. Ich habe so ein Gerät zum ersten Mal gehört, als CHROME in Memphis spielten. Auch James Brown hat so eins benutzt.

In den 80ern gab es keine Musik, die so klang wie das, was ihr macht. Trotzdem klingt es teilweise so, als ob es aus dieser Zeit stammen könnte. Ein Widerspruch?!

Alicja:
Nein, für mich repräsentieren Analog-Synthesizer zwar die 80er, aber ich glaube nicht, dass unsere Musik irgendwas aus dieser Zeit beinhaltet, da ich in den 80ern und 90ern nichts wirklich undergroundiges gehört habe. Es gibt Bezüge zu dieser Zeit, sicher, aber es ist, glaube ich, eine neue Form von Musik – Black Wave bzw. eine Zerstörung von New Wave.

Was hat es auf sich mit den “Demos And Outtakes”-LPs? Ihr habt die Aufnahmen erst als CD-Rs auf euren Konzerten verkauft, und danach auf Vinyl veröffentlicht.

Alicja:
Das war nur so ein Projekt. Ich hatte mir gerade einen CD-Brenner gekauft und Jay hat dann die meisten Exemplare über das Goner Records Bulletin Board verkauft, bevor wir die Teile überhaupt hergestellt hatten. Wir haben 25 mit handgemalten Cover gemacht, der Rest war dann ohne Cover. Auf Vinyl gab’s die nur, weil Hate Records danach fragten. On On Switch bringt jetzt den zweiten Teil namens ‚Recent Transmission’ raus, den wir auf Tour den Leuten gaben, bei denen wir übernachtet haben.

In eurer Top 10 von Dingen, die bei LOST SOUNDS-Shows schief gegangen sind, findet man den Punkt: “...Rich drunk in graveyard, pees on a grave and proclaims ‚fuck the dead people’...” Kurz danach hat sich Rich bei einer Show in Austin den Knöchel gebrochen, und fiel für den Rest der Tour aus. Kommt so was häufiger vor, werdet ihr generell von solchen Sachen verfolgt, seid ihr verflucht?

Jay:
Satan oder irgendwas Böses hat mein Leben für immer verflucht.
Alicja: Satan hat eher den Eindruck, dass wir zur Hälfte auf seiner Seite stehen, also schickt er seine Schergen los, um das Leben anderer zu stören. Ich würde Richs Verletzung auch nicht auf das Gräberpissen zurückführen. Er hatte außerdem eine ziemlich üble Vergiftung und hat die ganze Zeit so ein weißes, kalkiges Zeug ausgespuckt. Er hatte ein bisschen so was Quasimodo-mäßiges an sich.

Werden wir euch irgendwann auf Tour in Europa sehen?

Jay: Klar, wenn uns jemand rüberholt.
Alicja: Wenn uns die Leute hier mögen, sicher.

Alicja, Jay, vielen Dank für das Interview.