NEVER SURRENDER

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True till death!

John Porcell – was soll man zu diesem Mann noch sagen?! Er spielte Ende der Achtziger in einigen der wichtigsten New Yorker Hardcore-Bands, unter anderem natürlich bei YOUTH OF TODAY, BOLD und JUDGE, sang für die sagenumwobenen PROJECT X und brachte einige verdammt gute Platten raus. Danach verdiente er sich sein Brot einige Jahre lang als Gitarrist von SHELTER. Und heute? Nun singt er für NEVER SURRENDER, eine sehr metallische Hardcore-Band, die Einiges zu bieten hat, und baut gerade sein Label Fight Fire With Fire Records auf. Per E-Mail ergab sich die Möglichkeit dieser “Legende” ein paar Fragen zu stellen.


Deine neue Band heißt NEVER SURRENDER, die gerade eine Split-LP/CD mit FACE THE ENEMY auf Defiance veröffentlicht haben. Wie kam es zu dieser Band?


Der Grundstein für NEVER SURRENDER waren ein paar Gedichte, die ich auf der letzten SHELTER-Tour, bevor ich ausgestiegen bin, auf meinem Notebook geschrieben hatte. Ich hatte, warum auch immer, den überwältigenden Drang, zu schreiben, vielleicht weil ich während der Tour ziemlich angepisst war, für mich allein blieb und mein Notebook zu meinem besten Freund machte. Als ich zurück kam, wollte ich nicht mehr bei SHELTER mitmachen. Ich wollte es noch einmal probieren, und habe zu den ganzen Gedichten Musik gemacht und monatelang in meinem Zimmer Demos davon gemacht. Die Texte waren ziemlich düster, also war die Musik, die ich dazu schrieb, ziemlich heavy und angepisst – das schien nur natürlich zu sein. Dann bin ich nach New York gezogen, habe Donny und Ryan dazugeholt und meinen alten Freund Al als Schlagzeuger, der auch bei SHELTER und BETTER THAN A THOUSAND gespielt hat. Danach ist einfach eins zum anderen gekommen.

Wie ist denn der Kontakt zu Defiance Records zustande gekommen?

Issa von GOOD CLEAN FUN ist dafür verantwortlich. Ich glaube, er war schon lange mit den Jungs von Defiance befreundet, und erzählte eine Menge großartige Dinge über das Label. Ich habe dann mit denen gesprochen, und sie scheinen sehr cool zu sein, also freue ich mich über die Veröffentlichung. Erwartet eine NEVER SURRENDE/FACE THE ENEMY-Tour irgendwann 2003, ich bin jetzt schon ganz aufgeregt deswegen.

Aber es scheint, als ob ihr bis jetzt noch nicht viele Shows gespielt habt, stimmt das?

Doch, wir hatten einige tolle Shows, bis Al im letzten Herbst gebeten wurde, für SAVES THE DAY zu spielen – er hat die ganze GREEN DAY/BLINK 182-Tour zusammen mit ihnen bestritten. Das Ganze hat aber nicht ganz hingehauen, was definitiv gut für uns war – der Verlust von SAVES THE DAY war unser Gewinn.

Was ist denn das Verrückteste, was dir auf Tour passiert ist und was war deine bisher beste Show?

Als wir während der ‚Break Down The Walls’-Tour von YOUTH OF TODAY gerade in Memphis, Tennessee waren, rief uns der Promoter aus Los Angeles an, um uns mitzuteilen, dass er uns in letzter Minute für eine EXPLOITED-Show buchen konnte. Also sind wir 36 Stunden durch die Wüste gefahren, ohne Klimaanlage im Van, da wir nur anderthalb Tage Zeit hatten, zu der Show zu kommen. Die Show war riesig, tausende von richtigen Punkrockern und viele Hardcore-Kids, die uns sehen wollten. Wir waren alle ein bisschen aufgeregt, weil wir so lange im Van waren. Als wir endlich die Bühne betraten, nahm Ray das Mikro und sagte: ‚We’re YOUTH OF TODAY and this song is called ‚Break Down The Walls’ and I want everyone to break this fucking place apart!’ Er meinte das natürlich nicht wörtlich, aber das nächste, was passierte, war, dass alle Punkrocker anfingen, den Club auseinander zu nehmen. Sie nahmen Stühle, Tische, die Barrieren, sogar die Wände auseinander! Sie haben wirklich die Wände durchbrochen! Das war eine kranke Show! Die beste Show? Das ist schwer, ich hatte verdammt viele. Vielleicht die letzte YOUTH OF TODAY-Show in Kalifornien, mit GORILLA BISCUITS, BOLD, JUDGE, CHAIN OF STRENGTH, SUPERTOUCH und INSTED. Ich habe zu der Zeit auch bei BOLD gespielt, musste also mit drei Bands spielen, Mann, war ich müde, aber es war trotzdem toll.

Planst du dein Label Fight Fire With Fire Records ernsthaft als Job zu betreiben, oder nur zum Spaß? Arbeitest du ansonsten noch neben Band und Label?

2003 werde ich mich richtig auf Fight Fire With Fire konzentrieren. Platten rausbringen ist etwas, was ich immer geliebt habe. Ich würde es natürlich gerne als Job machen. Im Moment arbeite ich für den Staat New York, so richtig von 9 bis 5. Wenn ich zur Arbeit gehe, sehe ich Leute, die den Job bereits 20 Jahre lang machen, und nur auf die Uhr gucken, weil sie es kaum erwarten können, wieder zu gehen. Deswegen habe ich mir gesagt, dass ich so nicht enden möchte, da das eher traurig ist. Ich möchte meine Energie lieber in etwas stecken, das ich liebe. Ich möchte niemals etwas nur wegen des Geldes machen.

Was für Bands wirst du auf dem Label rausbringen?

Die erste Veröffentlichung wird NEVER SURRENDER sein, danach kommt der Straight Edge-Sampler, an dem ich lange gearbeitet habe. Außerdem bin ich gerade dabei, fünf Bands zu signen, die ich großartig finde, aber ich kann nicht sagen welche, bevor es nicht offiziell ist. Es wird aber definitiv ein Hardcore-Label. Ich möchte es ähnlich aufziehen wie damals bei Revelation, als sie angefangen haben.

Meinst du nicht, dass viele Kids von der Musik, die du mit NEVER SURRENDER machst, enttäuscht sein werden, weil sie von dir Spät-80er-NY-Hardcore erwarten? Gab es einen gewissen Erwartungsdruck für dich?

Ich bin Punkrocker, seit ich 12 bin. Wenn es etwas gibt, was ich daraus gelernt habe, in einer Highschool mit einem Iro rumzulaufen, dann das, dass du niemals viel darauf geben solltest, was andere von dir halten. Ich habe nichts von irgendwelchen Erwartungen gespürt, wie die Band klingen sollte. Ich habe nur das geschrieben, was von alleine kam und ganz natürlich entstand. Ich liebe diesen heavy Hardcore-Sound, und wenn ich singe, bewegt sich etwas in meinem Kopf. Ich gebe dabei einfach alles, also weiß ich, dass es richtig so ist. Ich würde nie etwas kopieren wollen, das in der Vergangenheit mal erfolgreich war, nur weil ich weiß, dass es garantiert von den Kids geliebt wird. Es ist für mich wichtiger, Musik zu machen, die sich ‚richtig’ anfühlt, so dass ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen kann.

Du bist ja noch immer Straight Edge. Denkst du, dass Leute, die sich früher als Straight Edge bezeichnet haben, auch für immer dabei bleiben sollten?

Ja, ich bin immer noch Straight Edge, denn es ist etwas, für das ich starke Gefühle empfinde. Je älter ich werde, um so offensichtlicher wird für mich, dass Drogen und Alkohol absolut nichts Gutes bewirken. So viel Negatives und so viel Leid entsteht dadurch, dass es das einfach nicht wert ist. Es ist für mich seltsam, dass keiner meiner alten Freunde noch Straight Edge ist. Ich kann verstehen, dass Leute, wenn sie älter werden, dazu tendieren, Prinzipien und Glauben anzupassen oder aufzugeben, und einfach ein sogenanntes ‚normales’ Leben zu leben. Für mich waren all diese alten Songs nicht nur Worte, sie waren etwas, woran man glaubt. True till death!

Was denkst du über Bands, die immer noch denselben End-80er-Hardcore machen?

Ich finde es cool. Es war eine großartige Ära und ein großartiger Sound, und es ist schön zu sehen, dass einige Bands die Fackel weitertragen. FACE THE ENEMY ist vermutlich die beste Band, die diesen Stil momentan in Amerika spielt – und die Jungs sind seit 1988 dabei, weshalb sie es wahrscheinlich so gut machen!

Die nächste Frage hörst du wahrscheinlich nicht das erste Mal: Hast du eigentlich noch alte Platten zu verkaufen?

Nein, ich habe alle meine Platten 1992 verkauft, bevor ich in den Hare Krishna-Tempel gezogen bin. Ich hatte wirklich eine der besten Hardcore/Punk-Plattensammlungen des Landes, und habe sie für lächerliche 1.500 Dollar verkauft. Im Sommer ist eine ‚Chung King’-Testpressung von JUDGE für 4.500 Dollar bei Ebay verkauft worden – ich hatte sogar drei davon!