DIRT SHAKES

Neue Bands gibt es so einige in Deutschland, aber die DIRTSHAKES kann man trotz allem nicht als Newcomer-Band sehen. Schliesslich verstecken sich hinter diesem Bandnamen niemand anders als Jenz "Bumper" Stuhldreier (Gitarre, Vox), Surfmaster Öli (Gitarre, Vox), Jörg "Jay Triplechair" Stuhldreier (Bass) und Tough Timo (Drums). Nach einem furiosen Abschiedsfestival in der Sonne zu Rettenbach, auf dem neben den DIRTSHAKES auch die BACKWOOD CREATURES, CURLEE WURLEE und CAVE 4 auf der Bühne standen, habe ich mich mit den Gebrüdern Stuhldreier, beide gut gelaunt und angetrunken, etwas ausführlicher unterhalten.

Jörg, warum hast du jetzt noch eine Band?


Jörg: Warum ich eine neue Band habe? Ich wollte diese Band eigentlich nicht. Wir haben einfach zusammen Musik gemacht und das hat sich dann so ergeben. Jenz, Öli, Timo und ich haben zusammen gespielt, wir kommen alle auf den gleichen Nenner, wir haben uns da nicht so gross abgesprochen.

Und was ist mit dir, Jenz?

Jenz: Andreas Klemt, der auch für das Ox-Layout verantwortlich ist, hat einen Dokumentarfilm für seine Diplomarbeit namens "Das goldene Seepferdchen" gedreht, und dieser Film handelt unter anderem von Joachim, Adolf Abartig, Hedwig Homesick und mir (Suuperfilm, müsst ihr kaufen! d. Setzer). Und er sagte: "Hey, es fehlt total, dass du Musik machst!" Denn ich habe eigentlich immer über das Musikmachen geredet, wie geil es sei, in einer Band zu spielen, und ich hatte zu der Zeit aber überhaupt keine Band. Er hatte mich gegen Ende der Dreharbeiten gefragt, ob ich nicht einmal eine Session organisieren könnte. Darauf hin habe ich eine Session gemacht, mit Zap von den RADIATION KINGS, Jörg am Bass, wir haben uns jahrelang nicht so gut verstanden, wie das halt manchmal so ist unter Brüdern, ganz speziell eben. Ich habe dann ein paar Stücke vorbereitet, wir haben dann zu dritt gespielt und es hat tierisch Spaß gemacht, die Aufnahme ist leider überhaupt nichts geworden, weil der Ton total verzerrt war. Aber da der Zap mit den RADIATION KINGS zu tun hat, hat dann eben der Timo mitgemacht. Jörg hat noch Öli mitgebracht, seinen besten Freund, der eben Soli spielen kann, ich bin ein begnadeter Typ, der überhaupt keine Soli spielen kann, der Öli ist da einfach super, da man dem auch eine Melodie vorsummen kann und er kann die dann spielen.
Jörg: Wir hatten damals eine Abmachung: Jenz besorgt den Schlagzeuger und ich besorge den zweiten Gitarristen.

Welchen Stellenwert haben die DIRTSHAKES im Vergleich zu eueren anderen Bands?

Jörg: Wir sehen uns als ernste Hobbyband. Da wir auch privat in Solingen, da gibt es ja nicht so viele Leute, zusammen herumhängen, ist die Band einfach ein Teil unserer Freizeit. Wir sehen uns jeden Tag, Jenz wohnt gegenüber von meinem Arbeitsplatz, mit Öli wohne ich sowieso zusammen, das ist alles sehr verstrickt und sehr inzestös, aber das muss man einfach so sehen. Es läuft, wie es bei neuen Bands immer so ist, gut.
Jenz: Eifersüchteleien gibt es definitiv, aber das ist ja nicht so schlimm, denn wir haben ganz klar gesagt, dass wir uns nicht schon nach drei Monaten wieder auflösen wollen, es soll nicht so intensiv sein wie die JET BUMPERS oder die BACKWOOD CREATURES gedacht waren. Bei den DIRTSHAKES proben wir einmal pro Woche, und zwar Mittwochs, das heisst wir schaffen es im ganzen Jahr vielleicht 20 mal zu proben. Da gibt es sicher mal Reibereien, aber die DIRTSHAKES sind ganz klar erst Band Nummer zwei.

Wie sieht es denn mit Studioaufnahmen aus? Wollt ihr sehr viele Sachen aufnehmen?

Jenz: Überhaupt nicht. Wir sind, was das angeht, ziemlich relaxt. Ich habe zu Daniel von Alien Snatch gesagt, dass es überhaupt nichts macht, wenn die 10" anfangs nicht so gut läuft, denn uns würde es sicher noch länger geben und dass wir irgendwann einmal gerne auch eine LP machen würden, wir werden uns dafür aber sicher nicht selber in den Arsch treten.
Jörg: Es wachsen Früchte, irgendwann einmal fallen sie und irgendwann einmal erntet man sie. Das hat übrigens Billy Childish mal gesagt.
Jenz: Wir wissen ungefähr, wie eine Band funktioniert, wie man mit Leuten umgehen kann, aber was Platten veröffentlichen angeht, setzen wir uns selber nicht unter Druck. Ich bin von vornherein der Typ, der keine Platten braucht, der auf der Bühne viel mehr Spaß hat, als im Studio. Jörg ist da das genaue Gegenteil, der hat Spaß im Studio und beim Produzieren. Wir beiden leben auch immer diesen Konflikt aus, indem der eine sagt "Ich bringe da drei Akkorde mit und eine geile Melodie und ein Song ist fertig" und der andere arrangiert lieber. Ich glaube, irgendwo dazwischen treffen wir uns und deshalb funktionieren die DIRTSHAKES. Irgendwo zwischen den RIP OFFS und RED KROSS sind die DIRTSHAKES zu Hause.
Jörg: Wobei wir uns auch privat sehr gut auf ein paar Bands einigen können, wir haben schon unsere Lieblingsbands.
Jenz: Unsere Diskussionsband Nummer eins ist SOCIAL DISTORTION, weil Timo und ich überhaupt nichts mit diesem Macho-Gehabe und dieser unwitzigen Musik anfangen können, während die anderen Jungs diese Band schon gut finden.
Jörg: Wobei man aber sagen muss, dass wir uns über Mike Ness totlachen und das überhaupt nicht ernst nehmen, das ist eine gute Band mit guten Liedern, nicht mehr.

Kann man die Bands, die ihr gerade habt, überhaupt irgendwie voneinander trennen?

Jörg: Da gibt es das Problem, dass wir uns gar nicht als Band sehen. Aber man kann die Sachen schon gut trennen: CAVE 4 spielen Garage und Surf, die BACKWOOD CREATURES stehen für Pop-Punk und die DIRTSHAKES stehen eben woanders.
Jenz: Jede Band hat einen, nennen wir ihn kreativen Kopf im Hintergrund. Bei den BACKWOOD CREATURES ist das der Nilz, der alle Stücke schreibt, bei den DIRTSHAKES bin ich das und bei CAVE 4 ist es Patricia, die, wenn ich das von außen richtig sehe, die Surf-Fahne hochhält und das vor zehn Jahren auch angefangen hat, als sich noch kein Mensch dafür interessiert hat. Es ist auch okay, dass ein Einzelner eine Band prägt. Es gibt nichts Schlimmeres, als zehn Arten von Musik in eine Band pressen zu wollen.

Kommen wir noch mal auf eure 10" zu sprechen. Wie kam es dazu, dass sie auf Alien Snatch veröffentlicht wurde?

Jenz: Ich habe die Kritiken gelesen von Daniels Platten und er hat das an den Platten gut gefunden, was ich auch daran gut gefunden habe. Ich habe zwei Leuten unsere erste Demo-CD geschickt, Tom von Radio Blast und Daniel von Alien Snatch. Da habe ich gemerkt, dass Daniel voll hinter seinen Sachen steht. Es ist wichtig, dass ein Label eine Band total unterstützt, nicht nur dass die Platte veröffentlicht wird und die finanzielle Seite stimmt, sondern auch dass die Band mit dem Label identifiziert wird und auch umgekehrt. Das hatten wir bei Radio Blast am Anfang auch sehr, die JET BUMPERS und die SONIC DOLLS waren die Radio Blast-Bands. Das hat uns damals total geholfen, Tom natürlich auch. Da Tom sich aber heute mehr um Schweinerock kümmert, hatte ich da nicht so Lust darauf. Daniel ist auch sehr kritisch, sobald er sagt, dass er die Aufnahmen gut findet, sind wir als Band aus der Verantwortung entlassen. Wir wollen genügend Leute zu unseren Konzerten locken, damit die Shows einigermaßen gut gefüllt sind, aber Plattenverkäufe interessieren uns nur sekundär.

Passiert es euch eigentlich, dass Leute auf Konzerte kommen und das eine oder andere JET BUMPERS-Lied hören möchten?

Jenz: Das ist uns bisher erst einmal passiert, das war in Solingen, einer wollte "I Wanna Be Like Milhouse" hören. Es ist total schwierig, darauf zu reagieren, weil ich finde das Lied super und ich freue mich natürlich auch, dass Leute sich dieses Lied wünschen. Aber ich finde es doof, wenn man mit der neuen Band Lieder von einer alten spielt, denn dann könnte man auch den alten Bandnamen beibehalten können und ein paar neue Stücke schreiben können. Am schönsten würde ich es allerdings finden, wenn man in zehn oder 20 Jahren Stücke von uns auf Compilations wie "Back From The Grave" oder ähnlichem finden würde.

Habt ihr Angst vor Abnutzungserscheinungen?

Jörg: Überhaupt nicht. Die Band ist jetzt frisch und neu; dass es aber in zwei oder drei Jahren nicht mehr so sein wird, das ist auch normal.
Jenz: Die Band wird es nicht ewig geben, aber wir haben inzwischen diese Gelassenheit, zumindest Jörg, Öli und ich, denn wir haben schon ein paar Bands gehabt. Wir haben uns vorgenommen, ein paar Jahre mit dieser Band zu spielen und wir wissen aber auch, dass wir uns früher oder später auseinander entwickeln werden.
Jörg: Im Augenblick ist es so, dass wir uns in allen Belangen einigen können, wobei wir aber nicht alles untereinander absprechen, sondern es passiert einfach.
Jenz: Das ist einfach eine scheiss Band, man spielt ein bisschen, trinkt ein paar Bier, es geht weniger um den Weg, sondern mehr darum, dass man abends spielt und wenn es einmal vorbei sein sollte, dann ist es wieder vorbei. Ich weiss nicht genau, woran das liegt, aber es wäre ja illusorisch zu glauben, dass wir als Band davon verschont bleiben und mit Mitte 60 noch genau so rocken wie heute. So mit 18 oder 20 hat man seine erste Band, ist voller Euphorie und mit Mitte 20 merkt man am eigenen Freundeskreis, dass nicht mehr sehr viele mit dabei sind. Die anderen finden eine neue Freundin und verlieren schnell das Interesse. Plötzlich sind dann andere Dinge viel wichtiger.
Jörg Ich kann mir schon vorstellen, dass ich irgendwann einmal keine Lust mehr auf Musikmachen habe.
Jenz: Das kann ich mir nicht sehr gut vorstellen. Aber ich bin klug genug zu wissen, dass dieser Punkt irgendwann einmal erreicht sein wird.

Was ist denn euerer Meinung nach ein gutes Rock´n´Roll Alter?

Jenz: Ein gutes Alter, glaube ich, hat man so ab Anfang 20. Die Rock´n´Roll Highschool hat man bestanden, dann kann man studieren, hat Studentenstatus, dadurch kann man sich finanziell absichern. Also ich habe 23 Semester studiert, und ich meine, dass ist ein ganz normales Rock´n´Roll-Studium. Öli ist glaube ich auch schon im 20. Semester... Du bist Student, hast steuerliche Vorteile, kannst nachts arbeiten und dadurch kannst du eine Band finanzieren, zum Beispiel mit Nachtwächterjobs, wie wir das gemacht haben. Also ich bin der Meinung, Studentenalter ist optimal.
Jörg: Rocken kann man zwar immer, aber um das auf einem brauchbaren Niveau halten zu können, muss man eigentlich Student sein. Gerade im Ruhrgebiet gibt es viele Leute, die sehr kritisch damit umgehen, dass man Rock´n´Roll oder Punkrock macht und Student ist, dass das ein Widerspruch sei. Aber diese Leute sollen dann zeigen, wie man das finanzieren soll. Gerade die Ruhrgebietbands sind meistens Wochenend-Punks, während die Bands, die bereit sind, auch einmal fünf oder sechs Wochen auf Tour zu gehen, keinen normalen Job haben können, den fünf oder sechs Wochen Urlaub bekommt man normalerweise nicht.

Was habt ihr jetzt in den letzen 15 Jahren so gelernt? Welche Weisheiten möchtet ihr jungen Bands mit auf den Weg geben?


Jenz: Denk einfach nicht so viel darüber nach, was du machst. Vor 12 Jahren hatte ich viel weniger Selbstbewusstsein, und Selbstbewusstsein lässt einen am Besten Musik machen.
Jörg: Du musst einfach an dich selber glauben.
Jenz: Der eine kann das schon mit 18, der andere erst nach Jahren. Man muss einfach eine Technik entwickeln, gerade als Sänger ist das sehr schwierig.
Jörg: Aus diesen ganzen Bands habe ich gelernt, dass das aus dem Bauch heraus kommen muss. Denn wenn etwas beim ersten Mal nicht klappt, dann wird es auch beim 25. Versuch nicht klappen.

Ein passendes Schlusswort. Danke an euch beide und viel Spass noch!