BROILERS

(sic!)

Irgendwas ist passiert. Bei dieser Band. Im Land. Und jetzt kracht es ganz gewaltig im BROILERS-Gebälk. Der Vorgänger „Noir“ war 2014 vor allem ein umfangreicher, gleichsam faszinierender wie irritierender Ausflug in den Pop.

Zum ersten Mal hatten die BROILERS die Handbremse angezogen und sich auf fremdem Terrain versucht. Hatten eine schwere Boeing auf den Weg geschickt, die alles wollte: Charts, Riesenhallen, Festival-Overkill.

Nein, „Noir“ war kein Konsensalbum. Einige nahmen es ihnen übel. Viele waren begeistert. Andere warteten ab. Jetzt, zwei Jahre später, steht die Boeing im Hangar. Und die fünf sitzen im Düsenjet und setzen auf Geschwindigkeit und Wut.

Punk’s not dead. Schon die beiden ersten Songs, „Nur ein Land“ und „Bitteres Manifest“, gehen so sehr nach vorne, wie das zuletzt 2007 auf „Vanitas“ mit „Zurück zum Beton“ und „Meine Sache“ der Fall war.

Ein Einstieg für Liebhaber. Ein Einstieg für die Band-Ewigkeit. Dem folgen zehn Stücke, denen man anhört, wozu sie von Frontmann Sammy Amara und den anderen geschrieben wurden: Um die Welt zu erobern mit ihrer Geschmeidigkeit.

Und um die Welt dann windelweich zu prügeln. „(sic!)“ ist ehrliche, zutiefst persönliche Retrospektive. Und es ist politische Zündelei an der Stelle, wo die Straße nach rechts abbiegt. Aus dem Mikrokosmos der Düsseldorfer Vorstadt zwischen „Ich will die Welt aus den Angeln heben“ und „Revolution erstmal verschoben“ geht es hinaus in den Makrokosmos einer Welt, in der nichts mehr stimmt.

In der Moral und Anstand Jahrzehnte nach dem düstersten Kapitel der Weltgeschichte erneut zu fallen drohen. Wenn die BROILERS tatsächlich dem Mainstream angehören sollten, was viele ihnen vorwerfen und ebensoviele abstreiten, dann nutzen sie diese Position jetzt zumindest mit Kalkül und machen das, was viele um sie herum eben nicht machen: den Mund auf.

„(sic!)“ ist ein rasiermesserscharf gezogener Flug mit dem Düsenjet quer durch den Zeitgeist und den Status quo der Gesellschaft, der eine Schneise von Wirbeln entstehen und die Ohren klingeln lässt.

Die Trademarks der Band sind natürlich sattsam bekannt. Viel Pathos. Chöre. Ein wenig Ska. Diese mal offen krachigen, mal abgedämpft scheppernden Gitarrenriffs. Dazwischen gerne mal ein Stampfbeat.

Die unvermeidliche Ballade zwischen Selbsthass, Selbstmitleid und Romantik. Der maximalgeschickte Einsatz einer Orgel im Punk-Kontext. Indes: So homogen haben die BROILERS diese Zutaten noch nie zusammengemixt.

Sogar auf dem erwähnten „Vanitas“, das als seelenverwandte Platte durchgehen könnte, gab es vergleichsweise große Brüche. „(Sic!)“ dagegen ist ein schwerer Brocken, der behände rockt und rollt.

Er ist düster, mitunter gar deprimierend. Er ist wild. Und er ist mitreißend. Da ist es, das Konsensalbum. Der zukünftige Klassiker. Die Totgesagten der Szene haben geliefert.