SCHROTTGRENZE

Glitzer auf Beton

Es glitzert gewaltig auf Hamburgs Straßen. Die Gruppe SCHROTTGRENZE meldet sich mit „Glitzer auf Beton“ zurück. Ihre mehrjährige Schaffenspause beendete sie 2015 mit zwei umfangreichen Compilations und ersten Konzerten, um nun ein nagelneues Album vorzulegen.

Mit Hauke am Bass und Benni am Schlagzeug wurde die Rythmussektion nach der Auszeit ausgetauscht. Die Gruppe scheint sich gefunden zu haben. Wie bereits auf der Bühne zeigen sich SCHROTTGRENZE spielfreudig wie in besten, jungen Jahren.

Die Lieder sprühen vor Ideen und eingängigen Melodien. Hier lauern an jeder Ecke kleine Ohrwürmer, die sich lässig einschleichen und dann nicht mehr verschwinden wollen. Dabei bewegen sie sich stets im Grenzbereich zwischen treibendem Indierock und harmonischem Powerpop.

Aber auch Wave- und Punk-Klänge werden gerne mit eingebaut, mit „Spuren von Dir“ ist selbst für eine Ballade Platz. Das klingt insgesamt alles reif und ausgefeilt, trotzdem aber erfrischend und spontan.

Verantwortlich für den Sound ist Kristian Kühl (FINDUS), der „Glitzer auf Beton“ produziert hat und einen klaren und doch treibend-schrammeligen Klang gefunden hat. Textlich beschreiten SCHROTTGRENZE ganz neue Wege und beschäftigen sich zum ersten Mal mit den Themen Homo- und Bisexualität, Gendering und Geschlechternormen.

Das rührt vor allem durch das recht späte Outing von Sänger Alex her, der nun endlich bei sich angekommen scheint und somit klar Stellung beziehen kann und das auch tut. Es gibt Zeilen wie:„Lieb doch einfach, wen du willst“, „Weil Geschlechter konstruiert sind, und ich nicht an sie glaub“, „Wir fahren raus ins Queer Love Country“ – sieht man einmal von Laura Jane Grace und AGAINST ME! ab, wurde das Thema im Indierock selten direkt angepackt wurde hier.

Zumindest hier in Deutschland stoßen SCHROTTGRENZE damit neue Türen auf und verleihen all denen einen Stimme, die sich in ihrer Sexualität unsicher sind und bisher auch in der Punk- und Indie-Szene kaum Gehör fanden.

Doch ist „Glitzer auf Beton“ dadurch kein queeres Album geworden. Im Gegenteil. Es will Grenzen aufbrechen und somit jeden erreichen, egal welchem Geschlecht er sich zugehörig fühlt und welche sexuellen Neigungen er empfindet.

Alex’ Lyrics klingen dabei locker und doch zart, selbstbewusst und doch zerbrechlich. Texte, die trotz Tiefgang nie zu verkrampft wirken. So spielt es auch keine weitere Rolle, dass die übrigen Bandmitglieder alle heterosexuell sind.

„Wir stehen da voll und ganz hinter“, bekräftigt Gitarrist Timo. Aufgrund der musikalischen Abwechslung und seines Ideenreichtums, vor allem aber eben der sehr individuellen und persönlichen Texte wegen, zähle ich „Glitzer auf Beton“ schon jetzt zu den wichtigsten deutschsprachigen Platten des Jahres 2017.