FRÄULEIN ELSE

Manuele Fior

Veronal, in kleinen Dosen schlaffördernd, in größeren stark narkotisierend. 1903 von Merck eingeführt, wurde es wegen seiner guten Verträglichkeit bei für damalige Verhältnisse scheinbar geringen Nebenwirkungen schnell zum Verkaufsschlager.

Schon bald stellte man die Gefahr einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit bei Dauerkonsumenten fest, außerdem nutzten es Suizidkandidaten zunehmend als Mittel der Wahl für ihren Weg ins Jenseits.

Um dem Missbrauch Einhalt zu gebieten, war Veronal bereits ab 1908 legal nur noch auf Rezept zu erhalten. In den 1960ern wurde es schließlich nach und nach von anderen Derivaten abgelöst.

Arthur Schnitzler hat dem Barbiturat in seiner 1924 veröffentlichten Novelle „Fräulein Else“ ein Denkmal gesetzt. Schnitzlers beständig fließenden inneren Monolog rund um die Wiener Rechtsanwaltstochter Else T.

verwandelt Manuele Fiore in ein bildliches Umkreisen der Protagonistin. Ob Fiore mit seiner Adaption selbst so Recht zufrieden ist, weiß man nicht so genau, jedenfalls schickt er der grafischen Umsetzung in seiner Widmung ausdrücklich die Worte „Und eine kleine Entschuldigung an Arthur Schnitzler“ voran.

Müsste er nicht, denn eigentlich hat er die Monolognovelle sehr solide umgesetzt. In ihrer bildlichen Darstellung je nach eingenommener Veronaldosis teilweise bis zur Unkenntlichkeit fratzenartig verzerrt und der Grundstimmung entsprechend unterschiedlich eingefärbt, quält Fräulein Else sich durch ihre ganz persönliche Lebenslüge voller einengender Moralvorstellungen, bigotter Erwartungen und tabuisierter Gelüste.

Ein eindringlicher und kritischer Blick auf die scheinheilige Welt der bürgerlichen Wiener Gesellschaft des angehenden 20. Jahrhunderts kurz vor dem großen Knall des Zweiten Weltkriegs.