FEHLFARBEN

Monarchie und Alltag

Gut, dass ich nicht da war, als die FEHLFARBEN im Mai 2017 ihr Über-Album „Monarchie und Alltag“ live spielten. Kalle Stilles Bericht überzeugte mich von der richtigen Entscheidung, war doch nie wirklich damit zu rechnen, dass Peter Hein von nostalgischen Gefühlen so übermannt wird, dass er das Seinige beiträgt, die Lieder live genauso wirken zu lassen, wie sie in die Erinnerung gebrannt sind.

Stattdessen ist da bei ihm immer wieder diese Distanziertheit – kein Wunder, war Hein doch 1981, als es mit der Band losging, kurzerhand ausgestiegen, um sich weiterhin seiner Berufstätigkeit bei Xerox zu widmen.

Zum Hit wurde das notorische „Ein Jahr (Es geht voran)“ dann sowieso erst 1982, als die Musikindustrie die NDW-Pest zum Massenphänomen machte. Da reingepasst haben FEHLFARBEN sowieso nie, und vom Abgang ihres Sängers, der mit FAMILY 5 seine musikalischen Vorstellungen weit besser umsetzen konnte, hatte sich die Band seinerzeit nie erholt.

„Monarchie und Alltag“, das im Oktober 1980 erschien, immer erhältlich war und nie das Schicksal eines übersehenen Meisterwerks erleiden musste, wurde nun neu gemastert und einmal mehr neu aufgelegt.

Und es ist und bleibt ein Über-Album, eine der zehn besten deutschsprachigen (Post-)Punk-Platten. Die Produktion ist gigantisch, schon immer gewesen und jetzt noch mehr, und es ist wohl die britischste deutsche Platte, die je gemacht wurde: die FEHLFARBEN dümpelten nicht in Punk-Klischees herum, verleugneten aber ihre Wurzeln nicht, hatten die nötige Schärfe und Härte, doch gleichzeitig auch diesen extremen Groove.

Sie hatten kapiert, was GANG OF FOUR, PiL, WIRE wollten und machten, dieser seltsame No-Wave-Funk aus New York kam dazu, nur das Saxophon wirkt rückblickend etwas „modistisch“ und dem Zeitgeist geschuldet.

„Militürk“ ist ein Hammer, „Grauschleier“, „Ein Jahr (Es geht voran)“ (das Lied mit „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht“), „Das sind Geschichten“, „Angst“, „Paul ist tot“ – ach, alle elf Lieder sind textlich wie musikalisch famos, haben nichts an Aussagekraft und Prägnanz verloren.

Deshalb: Wer „Monarchie und Alltag“ noch nicht hat, sollte das jetzt ändern. Und ja, Vinyl gibt’s auch.