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FEINE SAHNE FISCHFILET

Sturm & Dreck

Deutschland sieht auch im Herbst 2017 noch ganz schön trostlos aus. Werte fallen nach wie vor wie die Blätter von den Bäumen. Und alle, die mit Sätzen wie „So etwas muss eine Demokratie aushalten können“ ankommen, mögen im Grundsatz recht haben, verharmlosen jedoch auch die Entwicklung, die sich gerade Bahn bricht und die dazu führt, dass der alte Vollidiot Rechts mit Grinsen im imaginären Gesicht wieder als Normalität grüßt.

Warum das wichtig ist, um die neue Platte der aus Greifswald stammenden Band zu bewerten und einzuordnen? Ganz einfach: Weil diese Gemengelage FEINE SAHNE FISCHFILET zur derzeit wichtigsten Band Deutschlands macht.

Natürlich reißen auch andere Künstler den Mund auf. Zuletzt waren das SLIME, die BROILERS, DIE TOTEN HOSEN. Sie sind etabliert und stehen mitunter seit Jahrzehnten im Fokus politischer Diskussionen.

Sie werden nicht selten harsch angegangen und vom Pöbel mit Vorliebe in die „Gutmensch“-Ecke gedrückt. Vor allem Campino kann ein Lied davon singen. Trotzdem gehen sie meist locker und mit ein paar weiteren deutlichen Statements darüber hinweg.

FEINE SAHNE FISCHFILET – und das ist der Unterschied – sitzen dagegen mitten drin in diesem Misthaufen, der auf allen Seiten braun dampfend aufragt. Sie leben im Osten des Landes, wo eine rechte Gesinnung beinahe schon zum „guten Ton“ gehört.

Sie werden regelmäßig angegangen. Nicht nur verbal, sondern auch körperlich. Und trotzdem stehen sie aufrecht und halten dagegen. Sie starten gefühlt mehr Projekte für die gute Sache als alle anderen Künstler zusammen.

Und sie sind sich nicht zu schade, dafür auch in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten. Und genau davon, von diesem – so schlimm der Begriff auch klingen mag – Leben im Zeichen des Widerstandes handelt ihr neues Album „Sturm & Dreck“.

Es ist eine Platte darüber, wie es sich anfühlt, stets zum Handeln bereit zu sein und dafür ebenso stets belächelt (günstigster Fall) oder attackiert (Regelfall) zu werden. Natürlich: „Scheitern und Verstehen“ wird auf ewig die Hitplatte in ihrer Diskografie bleiben.

An Klassiker wie „Komplett im Arsch“ oder „Geschichten aus Jarmen“ reicht ohrwurmtechnisch kein Song auf „Sturm & Dreck“ heran. Zudem besingen Monchi und Co. dieses Thema des Gerademachens ja nicht zum ersten Mal.

Aber nie war es so präsent. Und nie waren die Lieder trotzdem so hoffnungsvoll. Songs wie „Angst frisst Seele auf“, „Zuhause“ oder „Wir haben immer noch uns“ sind Ausdruck dessen, was im Herbst 2017 hierzulande geschieht und wie man damit am besten umgeht: Indem man losläuft und dagegenhält und sich der gar nicht mal so kleinen Gruppe vergewissert, die mit einem rennt.

FEINE SAHE FISCHFILET spielen bei Rock am Ring? FEINE SAHNE FISCHFILET sind erlebnisorientierte Halbstarke? Sie sind kein Punk (mehr)? Ja und? Sie sind verdammt nochmal genau so, wie wir alle sein sollten.