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ARCHANGEL

William Gibson

Über das Jahr 2016 sagte Cyberpunk-Mitbegründer William Gibson („Necromancer“) in einem Interview: „Dinge, die ich im Lauf von zwanzig Jahren erwartet hätte, wurden auf zwölf Monate komprimiert. [...] Wenn ich so eine verrückte Geschichte erfinden würde, könnte ich sie keinem Verlag verkaufen.

Nur die Welt höchstselbst kann sich das erlauben.“ Seine Romane wimmeln zwar nur so von dystopischen Verschwörungszenarien, aber die Geschehnisse des Jahres 2016 wären selbst für einen Gibson-Roman over the top.

Ein Reality-TV-Star und dubioser milliardenschwerer Unternehmer wird unter anderem mit Unterstützung von im Auftrag russischer Oligarchen agierenden Hackern und einem durchgeknallt-technikhörigen Silicon-Valley-Unternehmer (Peter Thiel) zum US-Präsidenten gewählt ...?! Das hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten.

Um die (fiktiven) Taktierereien der US-Eliten im Jahr 2016 geht es auch in William Gibsons erstem Comic, das er in Zusammenarbeit mit Michael St. John Smith und Zeichner Butch Guice in Szene gesetzt hat.

„Archangel“ spielt wechselnd 2016 und in einer vom Menschen geschaffenen Parallelwelt im Jahr 1945, Hauptschauplatz Berlin. Dort liefern sich die regierende Machtelite und der politische Widerstand des Jahres 2016 einen harten Kampf um den weiteren Verlauf der Zukunft.

Optisch ein modernisiertes, weniger statisches Metropolis, inhaltlich gespickt mit Anleihen aus obskuren Militärverschwörungstheorien (Foo-Fighter, Reichsflugscheibe), eigentlicher Ursprung der Geschichte: Ein deutscher Produzent ist für eine Fernsehserie auf der Suche nach Material zu Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Gibsons Stoff ist ihm allerdings zu anrüchig. Damit hatte er sicherlich auch recht, für „Archangel“ war er aber genau richtig. Lesenswert.