SPLIT CRANIUM

I’m The Devil And I’m Ok

„Auf Ipecac erscheint die neue SPLIT CRANIUM, ist Crust“, haben sie gesagt. „Willst du die besprechen?“, haben sie gefragt. „Auf Ipecac? Dann auf jeden Fall!“ Das Reviewpaket zweimal nach der Platte durchsucht, bis ich die Scheibe mit dem wahrscheinlich bisher untypischsten Crust-Cover dann tatsächlich gefunden habe.

Gut, ein rosa Einhorn wäre wahrscheinlich noch etwas weiter von der üblichen Schublade entfernt, aber das soll ja nix heißen. Ipecac bürgt ja immer noch für Qualität, abseits der ausgetrampelten Pfade, und die Hauptbeschäftigungsbands dieses transatlantischen Zusammenschlusses, wie etwa CONVERGE, versprechen ja auch einiges.

Erster Durchgang: Ach ja. Vielleicht doch zu leise gehört und das falsche Getränk aufgetischt. Zweiter Durchlauf: Jupp, jetzt passt das mit der Lautstärke, vielleicht noch ein Getränk. Dritter Durchlauf: Das Cover ist immer noch zweifelhaft, dafür passt der Rest.

Es gibt gute Gründe, warum diese Platte auf Ipecac erschienen ist, weil sich SPLIT CRANIUM eben nicht in die Heerscharen der ungezählten Crust-Vertreter einreihen lassen. Der gegurgelte Röchelgesang erinnert noch am ehesten an TRAGEDY, das war es dann aber auch schon an eindeutigen Übereinstimmungen, die über die üblichen D-Beat-Muster und Crust-Schemata leicht einzuordnen sind.

Erst beim zweiten oder dritten Durchlauf werden einem die Dissonanzen klar, die unter dem Teppich liegen, die Chöre, das Glockenspiel, die feinen Zugaben, die unter fast allen Stücken liegen und die das Genre um bisher nicht kombinierte Aspekte bereichert, ohne völlig daraus auszubrechen.

Ganz nebenbei spielen die Herren gekonnt mit Tempowechseln und weiteren Elementen, die in eine andere Richtung zeigen als beispielsweise die letzte TAU CROSS-Platte, nämlich nach vorne, an die Spitze dieses ansonsten weit ausgetrampelten Genres, die sich nur durch kompromisslose Härte oder genrefremde Zutaten erobern lässt.

Wer stumpf will, der hat eine breite Auswahl, wer intelligent will, der sollte diesem Projekt – eine richtige Band wäre mir auch lieber – eine Chance mit mehreren Durchgängen geben, und er wird nicht enttäuscht.

Klar steht auch Kurt Balou mit im Booklet für den Mix, wie erwartet, also klingt es amtlich und brachial. Spätestens dann, wenn man die unterlegten feinen Teppiche herausgefiltert hat, wenn die Zwischentöne nicht mehr auszublenden sind, hat diese Platte gewonnen.

Dann sind sie für immer da, wie die Melodien bei TRAGEDY, die den Unterschied machen zwischen nackter Gewalt, Musik, und dem, was unsere Eltern nie verstanden haben, weil für sie ohnehin nur alles unerträglicher Lärm war.

Mittlerweile passt dann auch das Cover als himmelblau umrahmter Schlag mitten ins Gesicht. So sieht er aus, der Soundtrack für die Tage, an denen man erkennt, dass ohnehin alles zu spät ist.