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LYDIA LUNCH

Marchesa

Seit ich mal mitbekommen habe, wie Lydia Lunch bei einem Konzert einen notorischen Zwischenrufer diszipliniert hat (verbal – der nächste Schritt wäre gewesen, dass sie ihm den Kopf abgebissen hätte), habe ich noch mehr Respekt vor der Grande Dame des New Yorker Undergrounds.

Unermüdlich tourt sie jahrein, jahraus durch Europa und die USA und hat zwischendurch auch noch Zeit, neue Alben aufzunehmen. „Gräfin“ ist dann auch ein angemessener Titel für Frau Lunch, der ihr mittels des Albumtitels verliehen wird – es gibt einfach Menschen mit einer gewissen natürlichen Autorität, qua Lebensleistung, qua Alter, qua Auftreten.

War Lunch in den letzten Jahren im Studio und auf der Bühne mit James Johnston, Terry Edwards und Ian White hören, also eigentlich GALLON DRUNK, ist das hier eine Solo-Nummer, eher ein Spoken-Word-Album, für dessen klanglichen (nicht musikalischen!) Part Stefano Rossello verantwortlich ist.

Keine Musik? Keine Musik, sondern Geräusche, Samples und so weiter, unter anderem Recycling von Weasel Walter-Sounds und Gitarrenspiel von Lydia Lunch herself. Und um nun auf den Titel zurückzukommen: Von Marchesa ist man schnell bei Marquis und dann bei Herrn de Sade, dessen Werk von Frau Lunch hier rezitiert wird.

Mit einer Stimme, die Gänsehaut erzeugt. Auch wenn es kein „typisches“ Lydia Lunch-Album ist, als Fan wird man das hören und haben wollen. Man will sich ja nicht den Kopf abbeißen lassen.