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DER HAUPTMANN

Bei Robert Schwentkes Film „Der Hauptmann“ muss man unweigerlich an den Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt denken, der 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp Soldaten die Stadtkasse von Köpenick raubte und damit den deutschen Untertanengeist lächerlich machte, nach dem Motto „Kleider machen Leute“.

Auch den Hauptmann namens Willi Herold aus Schwentkes Film hat es wirklich gegeben, der als „der Henker vom Emsland“ bekannt wurde und den man 1946 als Kriegsverbrecher hinrichtete. Die „Köpenickiade“ in „Der Hauptmann“ besitzt allerdings eine weitaus erschreckendere Dimension als beim Schuhmacher Voigt.

Denn der 19-jährige Herold, ein normaler Gefreiter, wurde im April 1945 in der Nähe der holländischen Grenze in Niedersachsen von seinen Kameraden getrennt und fand zufällig eine Hauptmanns-Uniform, wodurch er eine ebenfalls versprengte Gruppe Soldaten um sich scharen konnte.

Mit diesen übernahm Herold in einem Strafgefangenenlager das Kommando und ließ über 100 Lagerinsassen ermorden, einige tötete er sogar eigenhändig. Wer in Filmen nach positiven Identifikationsangeboten sucht, wird im grausamen Schwarz-Weiß-Historien-Thriller von Schwentke nicht fündig werden, der den erschreckenden moralischen Verfall thematisiert, der einhergeht mit einer unkontrollierten Machtfülle, und die Mechanismen aufzeigt, die Menschen zu Mördern werden lassen.

Wahrscheinlich war Herold noch nicht mal ein wirklich schlechter Mensch, der aber unter den besonderen Umständen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges offenbar eine moralische Berechtigung für seine unmenschlichen Taten sah.

Schwentke lässt am Schluss aber keinen Zweifel daran, dass der „Der Hauptmann“ nicht nur ein Film über die Vergangenheit ist, sondern auch über die Gegenwart.