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THROBBING GRISTLE

Journey Through A Body / Heathen Earth / Mission Of Dead Souls

Die schlimmste Reaktion des Publikums auf Künstler, die mal angetreten waren, um konventionelle Hörgewohnheiten radikal hinter sich zu lassen und regelrecht zu zerstören, dürfte Akzeptanz sein. Damit stehen die Mitte der Siebziger aus der Performance-Truppe COUM Transmissions hervorgegangenen britischen Industrial-Pioniere THROBBING GRISTLE aber nicht alleine da, denn in der Kunstwelt scheint es eine Art Naturgesetz zu sein, dass nach zwei, drei Jahrzehnten selbst extremste Kunstströmungen einen musealen Charakter bekommen.

Auch wenn das grundsätzliche Schaffen von TG schon seit einigen Jahren in technisch überarbeiteter Form wieder problemlos erhältlich ist, heißt das natürlich noch lange nicht, dass daraus plötzlich nette Popmusik geworden wäre.

Nach „The Second Annual Report“ (1977), „20 Jazz Funk Greats“ (1979) und der 2004 erschienenen Compilation „The Taste Of TG“ wurden bei Mute jetzt drei weitere TG-Releases neu aufgelegt. „Heathen Earth“ wurde bereits im Zuge einiger Wiederveröffentlichungen im Jahr 2011 neu auf den Markt gebracht, jetzt allerdings um eine weitere CD mit unterschiedlichen Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1980 ergänzt, plus die Single-Tracks „Subhuman“ und „Adrenalin“.

„Heathen Earth“ selbst wurde am 16. Februar 1980 vor ausgewähltem Publikum aufgenommen, darunter Jon Savage und Jonas Almquist von THE LEATHER NUN. Spektakulärer fallen dagegen die Live-Aufnahmen von „Mission Of Dead Souls“ aus, dem letzten Auftritt von TG am 29 Mai 1981 in San Francisco, die seit den Neunzigern nicht offiziell wiederveröffentlicht wurden.

TG-Live-Aufnahmen waren aber schon immer vorwiegend etwas für eingefleischte Fans. Das musikalische Verstörungspotenzial dieser extremen Ausnahmeband kommt auf „Journey Through A Body“ wesentlich besser zur Geltung.

Dabei handelt es sich um die letzten Studioaufnahmen von TG aus dem Jahr 1981, die man im Rom für RAI aufnahm, die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Italiens. Besonders der erste, 15-minütige Track „Medicine“ sorgt hier für reichlich Unbehagen, er scheint aus Krankenhausgeräuschen zusammengesetzt und vermittelt einem das Gefühl, in einem Operationssaal zu liegen mit direktem Anschluss an die Pforten der Hölle.

Aber auch die anderen vier Stücke von „Journey Through A Body“ zeigen die musikalische Unberechenbarkeit von TG. Das TG-Schlüsselwerk ist und bleibt aber weiterhin „20 Jazz Funk Greats“.