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MAULGRUPPE

Tiere in Tschernobyl

„Andere“ Musik als mit seinen „normalen“ Punkbands macht Jens Rachut schon lange, man erinnert sich an KOMMANDO SONNE-NMILCH und NRFB. Die haben und hatten mit all ihren Releases aber immer den entscheidenden Nachteil einer recht hohen Sperrigkeit – die Grenze zwischen Nervigkeit und herausfordernder Komplexität wurde da auch schon mal überschritten.

Bei all seinen Punkbands, die live bis zum Projektende 2018 unter dem Namen RATTENGOLD subsummiert wurden, war es hingegen anders: da änderte sich öfter mal der Name, alles andere – grob pauschalisiert – blieb.

Nun gibt es also MAULGRUPPE und man hat es mit dem spannendsten musikalischen Output zu tun, den man sich mit Rachuts markantem Gesang vorstellen kann. Im Ox-Interview im Sommer 2018 kündigte er das neue Projekt bereits an: „RATTTENGOLD hören bald auf.

Das wird sonst zu käsig. Aber ich habe schon eine neue Band, die heißt ROTTENMEIER. [...] Das sind die beiden Typen von YASS. Die kommen aus Freiburg. Die haben zweimal mit RATTTENGOLD gespielt und machen geile Mucke.

Also bin ich da mal hingefahren, wir haben das ausprobiert, und es war gut.“ Nun, der Name ROTTENMEIER wurde verworfen, es wurde MAULGRUPPE, aber die Besetzung blieb: Neben Jens als Sänger sind das Markus Brengartner (Drums; TEN VOLT SHOCK) und Frank Otto (Gitarre; KURT, TEN VOLT SHOCK), die Rachuts genreprägenden Gesang auf ein faszinierendes, elektronisch-federndes Fundament stellen.

„Da läuft ein Computer mit und der ist gefüttert mit all diesen geilen Sounds, und die werden dann von Frankie mit seinen 21 Fußpedalen ausgelöst.“ So beschreibt Jens den technischen Ablauf, denn schon von den ersten Takten an wird klar: hier wird anders gearbeitet, MAULGRUPPE klingen immer wieder stark nach TRANS AM, der famosen US-Krautrock-Post-Punk-Band.

So handgemacht die Musik auch ist mit Gitarre, Bass und Schlagzeug, die federnd-flächigen Sounds – nicht wavig vorgetragen, sondern eben krautrockig und bisweilen auch technoid, ohne je in stumpfe Partybeats abzugleiten – prägen das gesamte Album und machen es unglaublich zwingend, fesselnd und eingängig.

Näher an tanzbarer Musik war Jens Rachut nie. Und nichts daran ist, um in dessen Sprachgebrach zu bleiben, „käsig“, sondern er singt seine wie immer faszinierenden, verschlüsselten Texte zu Musik, die mich über die Distanz von vierzig Minuten zu jeder Sekunden mitreißt.

Markus und Frank, die mit ihren Bands ja schon einige Achtungserfolge erzielt hatten, haben hier mit Hilfe von Studiomann Tobias Levin ein Meisterwerk erschaffen. Kann sein, dass Rachut-Traditionalisten hier erstmal schlucken, lieber Kost à la DACKELBLUT, OMA HANS etc.

geboten bekommen hätten, aber spannender, mitreißender sind MAULGRUPPE. Und jetzt hoffe ich, dass das Trio live genauso überzeugen kann und auch ausgiebig tourt.