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MARATHONMANN

Die Angst sitzt neben dir

Machen wir uns nichts vor, das letzte MARATHONMANN-Album „Mein Leben gehört dir“ war irgendwie nicht das Gelbe vom Ei. Vieles ging einfach nicht auf, es klang zu planlos und irgendwie nicht ausgegoren.

Positiv beziehungsweise freundlich aufgenommen wurde es wohl eher aus Prinzip und auch mit Rücksicht auf die Wechsel im Line-up. Scheiß der Hund drauf, denn bei „Die Angst sitzt neben dir“ sieht es dieses Mal ganz anders aus.

Die Vorfreude war groß, als MARATHONMANN mit ihrer ersten Single „Schachmatt“ und dem bezaubernden Coverartwork um die Ecke kamen. Und diese Freude war durchaus berechtig, dabei steht der Song gar nicht exemplarisch für die Stimmung auf „Die Angst sitzt neben dir“.

Der Titel ist wieder programmatisch, die Angst als roter Faden für alle Songs. Angst vor Fremdem, Angst vor der Ungewissheit, vor anderen oder vor der eigenen Angst. Alle Texte stammen erneut ausnahmslos aus der Feder von Sänger und Bassist Michi Lettner, seine Inspiration holt er sich aus seinem Umfeld, über fiktive Begebenheiten schreibt er nie.

Das merkt man dem Material an, ebenso wie die Tatsache, dass bei MARATHONMANN immer zuerst die Musik fertig ist und die Texte sich davon inspirieren und leiten lassen. MARATHONMANN wagen sich auf ihrem vierten Album endlich weiter raus, scheinen deutlich strategischer und bedachter vorgegangen zu sein.

Eine Vorproduktion kann schon echt hilfreich sein. Songs wie „Die Bahn“ bleiben dann minimal ohne C-Teil arrangiert, während man an anderen Stellen vieles optimieren konnte. Die Texte von MARATHONMANN wirken auf den ersten Blick einfach und ganz eindeutig.

Beschäftigt man sich länger damit, werden ihre Vieldeutigkeit und eine politische Haltung offenbar („Totgeglaubt“). Dem eigenen Anspruch, zum Nachdenken anzuregen und wertfreie Denkanstöße zu geben, wird die Band dieses Mal durchaus gerecht.

Der Experimentierfreude des Gitarristen Leo Heinz ist es zu verdanken, dass MARATHONMANN zum ersten Mal, aber äußerst gekonnt Synthesizer und Effekte integrieren. Angst vor poppigeren Töne haben MARATHONMANN keine („Flashback“, „Nie genug“, „22 Meter“).

Auch dass im Bandbus in letzter Zeit öfter mal eine „Formel Eins“-CD rotierte, hört man dem aufpolierten Sound an. Bunte Stirnbänder und Leggings, anyone? Ist auch egal, denn die Genrebezeichnung Post-Hardcore trugen MARATHONMANN sowieso von Anfang an nur aus Verlegenheit und weil gerade kein passenderes Etikett zur Hand war.

Will man die Band unbedingt in eine Schublade stecken, dann reicht es vollkommen aus, diese mit Punk zu beschriften. Das ist ganz sicher das beste Album, das MARATHOMANN bisher veröffentlicht haben.

Geahnt hatte man das Potenzial der Band schon länger, aber jetzt scheint der Knoten geplatzt zu sein. Der MARATHONMANN hat lange genug trainiert und läuft endlich zur Höchstform auf.