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DIE LIBELLE

Für den südkoreanischen Filmregisseur Park Chan-wook, der zuletzt 2016 den eleganten Erotik-Thriller „Die Taschendiebin“ drehte, ist „Die Libelle“ („The Little Drummer Girl“) aus dem Jahr 1983 einer der besten Romane des britischen Schriftstellers John le Carré, der bei seinen im Spionagemilieu angesiedelten Frühwerken als Ex-Mitarbeiter des britischen Geheimdiensts auf eigene Erfahrungen zurückgreifen konnte.

In „Die Libelle“ interessiert sich John le Carré aber nicht wie gewohnt für den Kalten Krieg, sondern den Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern, geprägt durch kriegerische Auseinandersetzungen und Terroranschläge der PLO, wie der Geiselnahme von München bei den Olympischen Spielen 1972, die Vergeltungsaktionen des israelischen Geheimdienstes Mossad zur Folge hatte.

Auch in John le Carrés Roman steht eine Gruppe des israelischen Geheimdienstes im Mittelpunkt, die nach Attentaten gegen israelische Staatsbürger in Westeuropa nach Strategien sucht, um Khalil, den Kopf einer palästinensischen Terrorgruppe, das Handwerk zu legen.

Dazu rekrutieren sie die junge linksextreme englische Schauspielerin Charlie, um sie in das Terroristen-Milieu einzuschleusen. Wie die meisten Geschichten von John le Carré bewegt sich „Die Libelle“ in einer moralischen Grauzone, in der die Grenze zwischen Gut und Böse fließend ist und gewaltsame Lösungen kritisch betrachtet werden.

Bereits 1984 verfilmte George Roy Hill den Roman mit Diane Keaton und Klaus Kinski, bekam aber dessen Komplexität in 130 Minuten nicht vollständig in den Griff. Chan-wook gelingt das in seiner knapp sechsstündigen, visuell raffiniert umgesetzten und mit Florence Pugh, Alexander Skarsgård und Michael Shannon exzellent besetzten Miniserie deutlich besser, die trotz ihrer gemächlichen Erzählweise schnell einen erstaunlichen Sog erzeugt.