CHERRY

Nico Walker

Eine „Cherry“ ist im Slang der US-Armee, basierend auf der eigentlichen Slang-Bedeutung „Jungfrau“, ein junger, unerfahrener Soldat. Und ein solcher war Nico Walker, Jahrgang 1985, als er 2005 nach einer kurzen Ausbildung als Sanitäter im Irak landete und dort im Kampf verwundete Kameraden verarzten sollte – so es nach Guerilla-Angriffen mit Sprengsätzen auf die Patrouillen der Amerikaner durch irakische Aufständische noch was zu verarzten gab.

Walker war zur Armee „geflohen“ aus einer unglücklichen Beziehung, ziellosem Herumstudieren und zu viel Drogen, und wie Zehntausende vor ihm glaubte er, die Armee wäre der Ort, um ihn auf die richtige Spur zu bringen.

Das Gegenteil war der Fall, Drogen (Druckluftspray zum Reinigen von Computern!) gab es auch da, Tod, Terror und Sinnlosigkeit des Einsatzes machten ihn kaputt, hinterher ging es „lustig“ weiter nach unten, bis Walker 2010 begann, Banken in seiner Heimatstadt Cleveland auszurauben für seine Drogensucht und nach zehn Überfällen im April 2011 geschnappt wurde.

Elf Jahre Knast bekam er, im November 2020 soll er freikommen. Ganz arm wird er dann nicht sein, denn nach einem BuzzFeed-Bericht 2013 bemühte sich Matthew Johnson von Tyrant Books, den man auch wegen seines Labels Fat Possum Records kennt, darum, von Walker dessen Lebensgeschichte aufgeschrieben zu bekommen, die, so sieht man es in den USA, in den Kontext der dramatischen, in Europa kaum zur Kenntnis genommenen Opioid-Epidemie passt.

Walkers Buch ist erstaunlich nüchtern – sehr trocken, rational und reflektiert schrieb er eine Geschichte auf, die ausweislich seines Vorworts „frei erfunden“ ist. Es ist einmal mehr die „Banalität des Bösen“, die schockt.

Joachim HillerNico Walker

CHERRY

Heyne Hardcore • heyne-hardcore.de • 384 S., 22 Euro • Eine „Cherry“ ist im Slang der US-Armee, basierend auf der eigentlichen Slang-Bedeutung „Jungfrau“, ein junger, unerfahrener Soldat.

Und ein solcher war Nico Walker, Jahrgang 1985, als er 2005 nach einer kurzen Ausbildung als Sanitäter im Irak landete und dort im Kampf verwundete Kameraden verarzten sollte – so es nach Guerilla-Angriffen mit Sprengsätzen auf die Patrouillen der Amerikaner durch irakische Aufständische noch was zu verarzten gab.

Walker war zur Armee „geflohen“ aus einer unglücklichen Beziehung, ziellosem Herumstudieren und zu viel Drogen, und wie Zehntausende vor ihm glaubte er, die Armee wäre der Ort, um ihn auf die richtige Spur zu bringen.

Das Gegenteil war der Fall, Drogen (Druckluftspray zum Reinigen von Computern!) gab es auch da, Tod, Terror und Sinnlosigkeit des Einsatzes machten ihn kaputt, hinterher ging es „lustig“ weiter nach unten, bis Walker 2010 begann, Banken in seiner Heimatstadt Cleveland auszurauben für seine Drogensucht und nach zehn Überfällen im April 2011 geschnappt wurde.

Elf Jahre Knast bekam er, im November 2020 soll er freikommen. Ganz arm wird er dann nicht sein, denn nach einem BuzzFeed-Bericht 2013 bemühte sich Matthew Johnson von Tyrant Books, den man auch wegen seines Labels Fat Possum Records kennt, darum, von Walker dessen Lebensgeschichte aufgeschrieben zu bekommen, die, so sieht man es in den USA, in den Kontext der dramatischen, in Europa kaum zur Kenntnis genommenen Opioid-Epidemie passt.

Walkers Buch ist erstaunlich nüchtern – sehr trocken, rational und reflektiert schrieb er eine Geschichte auf, die ausweislich seines Vorworts „frei erfunden“ ist. Es ist einmal mehr die „Banalität des Bösen“, die schockt.