PIERCING

Der seit Mitte der 70er aktive Autor Ryu Murakami gilt als Enfant terrible der japanischen Literaturszene. Gleichzeitig ist Murakami auch als Regisseur aktiv und drehte 1992 mit „Tokio Dekadenz“ einen seiner bekanntesten Filme, der auch hierzulande veröffentlicht wurde, allerdings anfangs nur in zensierter Form, denn darin geht es um eine auf Sadomasochismus spezialisierte Prostituierte.

Seinen Bekanntheitsgrad gesteigert haben dürfte auch Takashi Miikes „Audition“ von 1999, eine albtraumhafte Verfilmung seines Romans „Das Casting“. Auch sein Roman „Piercing“ von 1994 ist nichts für Zartbesaitete, denn Murakami schildert darin das bizarre Aufeinandertreffen zweier trauamatisierter Extremcharaktere und gequälter Seelen in einem Hotelzimmer in Tokio.

Zum einen ein junger Grafikdesigner mit Frau und Kind, der ein Ventil für seine unkontrollierbaren Mordgelüste sucht, zum anderen die Prostituierte Chiaki, die für diese akribisch geplante Tat als Opfer auserkoren wurde, aber die Pläne des Möchtegernmörders durchkreuzt, was Murakami die Möglichkeit gibt, die Rollen von Täter und Opfer auf hinterhältige Weise zu vertauschen.

„Piercing“ wurde jetzt von Nicolas Pesce verfilmt, dessen Regiedebüt „The Eyes Of My Mother“ von 2016 bei Bildstörung erschien, ein visuell ambitioniertes, aber etwas zu inhaltsleeres Schwarzweiß-Horror-Drama über Einsamkeit und Isolation.

Die Handlung von Murakamis fetischistischem Psycho-Horror-Kammerspiel mit Anklängen von David Cronenberg wurde von Tokio in eine nicht näher bezeichnete amerikanische Großstadt verlegt. Pesces fast schon Screwball-artige Adaption überzeugt dabei in visueller Hinsicht mit stylischem wie sleazigem 70er-Retro-Look, letztendlich interessiert sich „Piercing“ aber mehr für Ästhetik als die psychologische Beschaffenheit der Charaktere.