JOHNNY CASH

American IV - The Man Comes Around DoLP/CD

Wie sagte Wiglaf Droste doch gleich? Wenn es sich lohne zu beten, dann dafür, dass Johnny Cash noch ein Album aufnehmen würde. Er hat es getan, und er hat es wieder mit Rick Rubin als Produzenten bei dessen Label American Recordings getan.

Wo das großartige „American III - Solitary Man"-Album von der Gesamtstimmung bereits einen von Krankheit und einem ausschweifenden Leben an sämtlichen Grenzen angekommenen Man in Black zeichnete, der mit diesem Werk seinen Abschied zu verkünden schien, belehrt „The Man Comes Around" direkt mit dem Titelsong eines besseren.

Dem Text, basierend auf einem Traum, den er selbst vor Jahren hatte und der „Offenbarung des Johannes", sowie weiteren Bibelstellen, hat Cash mehr Zeit gewidmet, als je einem seiner Songs zuvor.

Drei Dutzend Seiten Text über einen Zeitraum von mehreren Monaten, immer wieder verändert und bearbeitet. Tatsächlich ist mir beim ersten Hören, noch ohne diese Infos, eine Gänsehaut ob der Intensität des Songs über den Rücken gelaufen.

Ende August wurde „American IV" fertig gestellt und schon Anfang Oktober auf einer limitierten Vinyl-Version vorveröffentlicht. Dankbarerweise enthält das Vinyl obendrein noch zwei Songs, die nicht auf der Anfang November erschienenen CD veröffentlicht wurden.

„Wichita Lineman" von Jimmy Webb und „Big Iron" von Marty Robbins (auch auf Mike Ness' „Under The Influence"), wie soll es anders sein, zwei weitere große Meilensteine. Somit stehen wie bereits bei den drei vorhergehenden Alben, einige wenige Perlen an selbst geschriebenen Songs Cashs Interpretationen fremder Stücke gegenüber und wieder werden diese zu seinen eigenen.

Cash zeigt, was die Songs für ein Potential haben können, wenn sie in die richtigen Hände geraten. „Personal Jesus", im Original von DEPECHE MODE, wird mit statischer Akustik-Gitarre, an der sich hier neben Cash auch John Frusciante verdient macht, zu einem erhabenen Track.

„I Hung My Head" von Sting gewinnt plötzlich die Erhabenheit, die das Original nie zu erreichen träumte und wenn man sich den Kasperleverein von NINE INCH NAILS betrachtet, mag man kaum glauben, dass „Hurt" aus der Feder von Trent Reznor stammt.

Kaum jemand, der aus Coverversionen weit mehr Potential heraus zu holen vermag als Johnny Cash, was nicht zuletzt dadurch bewiesen wird, dass sich beispielsweise auf dem Tribute Sampler „A Boy Named Sue" auch einige Songs finden, die Cash selbst lediglich gecovert hatte.

Glücklich darf sich schätzen, wer seine Songs in dieser Art veredelt sehen darf. Nick Cave, dem diese Ehre bereits auf dem letzten Album mit „The Mercy Seat" zuteil wurde, findet sich für Hank Williams' „I'm So Lonesome I Could Cry" sogar als Duettpartner auserwählt.

Was also sollte sich noch an Wünschen erfüllen, als dass zwei der größten Singer & Songwriter zusammen in einem Song vereint sind? Die Gebete sind erhört worden. „The music never stops. It's an unending loop through my brain." (55:59) 10/10