Es fällt mir heute zunehmend schwerer, Leuten, die Berlin erst seit der Wende kennen, die düstere, surreale Stadt zu beschreiben, welche die "Wall City" bis 1989 war und die unzählige Musiker und Künstler aus dem Underground magisch anzog, die ästhetisch den Boden bereitete für Bands wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, MALARIA, MANIA D., SPRUNG AUS DEN WOLKEN, DIN A TESTBILD und eben DIE HAUT.
Deren Geschichte nun im Rahmen einer Rezension abzuhandeln würde den Rahmen sprengen, man muss sie jedenfalls im Kontext der erwähnten (Post-)Punk-Bands sehen, 1982/83, als Nick Cave mit THE BIRTHDAY PARTY von Australien nach Europa übersiedelt war.
In diesem Berliner Musiker-Mikrokosmos begegneten sich dann also die Akteure, und mit Cave als Gastsänger entstand dieses Album - am anderen Ende der Republik, in einem Aachener Studio. DIE HAUT lieferten die Musik, Cave sang, sieben Songs, die in Form der "Burnin' The Ice"-LP veröffentlicht wurde, welche jedoch wegen der Pleite des Labels bald wieder vom Markt verschwunden war und deshalb bis heute entsprechend gesucht ist.
Via Hit Thing wurde nun diese gesuchte Platte aufwendig ausgestattet wiederveröffentlicht, remastered, mit einem dicken Booklet, in dem sich eine ausführliche Bandhistory nebst unveröffentlichten Fotos von damals findet, ergänzt um eine DVD mit Konzertmitschnitten aus dem Jahr 1982.
Eine beeindruckende, düstere Platte, die natürlich Pflichtmaterial darstellt für jeden Cave-Fan, ist das hier doch quasi sowas wie der Missing Link zwischen BIRTHDAY PARTY und den BAD SEEDS.
Und natürlich ist es ein willkommener Anlass, sich auch posthum mit dem hochinteressanten Projekt DIE HAUT zu befassen, das 2000 wohl endgültig aufgelöst wurde, nachdem zuvor alle paar Jahre mal exzellente Alben veröffentlicht wurden, immer mit illustren Gastmusikern wie Blixa Bargeld, Kim Gordon, Debbie Harry, Alan Vega oder Jeffrey Lee Pierce.
(29:55) (08/10)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #55 Juni/Juli/August 2004 und Joachim Hiller