HARVEY MILK

The Kelly Sessions CD

Mut zur Lücke: HARVEY MILK waren mir bis zur der Veröffentlichung dieser CD völlig unbekannt, dabei hat die aus Athens, Georgia stammende Band von 1993 bis 1998 drei Alben und unzählige Singles veröffentlicht, die der Band aber nie über den Status eines Geheimtips heraus halfen.

Während die frühen Singles - einige davon finden sich auf einer 2003 bei Relapse erschienenen Singlecompilation wieder - und die ersten beiden Alben "My Love Is Higher Than Your Assessment Of What My Love Could Be" und "Courtesy And Good Will Toward Men" HARVEY MILK für Fans kompromisslosen Noiserocks zur unübertroffenen Legende machte, schaufelte sich die Band mit ihrer letzten Platte "The Pleaser" und ihrer Hinwendung zu eher konventioneller, von AC/DC, LED ZEPPELIN und vor allem ZZ TOP beeinflusster Rockmusik ihr eigenes Grab.

Die jetzt zum ersten Mal überhaupt veröffentlichten "Kelly Sessions" wurden irgendwann Mitte der Neunziger aufgenommen - so ganz genau weiß das sogar das Label nicht - galten bis jetzt als verschollen und beinhalten andere Versionen von Songs, die sich auch auf den normalen Platten fanden.

Neunmal gibt's hier einen Einblick in den Sound von HARVEY MILK - die sich übrigens nach dem 1978 ermordeten Harvey Milk benannten, der der erste sich ganz offen als homosexuell bekennende Abgeordnete im Stadtrat von San Francisco war -, der sich zwischen klassischem Noiserock und ultralangsamem Doom bewegt und wirklich nicht ganz leicht verträglich ist.

Extrem brachial dröhnt sich das Trio in mal beinahe unerträglicher Langsamkeit, mal aber auch relativ flott groovend durch ihre von einer massiven Wand aus lauter Gitarre und bollerndem Bass geprägten Lieder, während Sänger Creston schreit, wimmert und leidet.

Durch spärlich, aber effektiv eingesetzte Höhepunkte schaffen es HARVEY MILK ihre Musik spannend zu halten und verlieren sich dadurch nicht in der auf "The Kelly Sessions" vorherrschenden Monotonie.

Da ist auch mal Platz für ein Hendrix-artiges bluesiges Gitarrensolo am Ende von "Anthem", dem wohl straightesten Noiserocker und am leichtesten ins Ohr gehenden Song auf der Platte, und auch ein mit Akustikgitarre vorgetragenes Leonard Cohen-Cover ist dabei.

Insgesamt aber doch eine quälend schleppende und fiese Platte, die erst in der richtigen Lautstärke abgespielt ihre volle Wirkung entfaltet. (44:07) (08/10)