ZOLAR X

Timeless CD

Manche Menschen müssen für die Aufarbeitung ihrer Jugend ganz tief in ihrer Hirnrinde wühlen, andere lassen sich dabei von einem Psychiater helfen und die glücklichen, die Boss eines Labels sind, veröffentlichen einfach die ihnen damals wichtige Musik neu.

So wie Jello Biafra, der jetzt mit "Timeless" das komplette Vermächtnis der SciFi-Glamrocker ZOLAR X auf Alternative Tentacles veröffentlicht. Die in Los Angeles ansässig gewesene Band um Sänger Zory Zenith aka Billy McCartney - wobei dieser Nachname wohl auch nicht sein richtiger war, sondern aus Huldigung eines bekannten englischen Musikers gewählt wurde - und den Gitarristen,Ygarr Ygarrist Lazor aka Stephen Della Bosca existierte mit Unterbrechungen von 1972 bis circa 1981, als man sich endgültig auflöste.

Zory und Ygarr schufen sich mit ihrer Band ein Image, das sie so dermaßen konsequent durchzogen, dass sie für nicht wenige als komplett durchgeknallte Spinner galten. Kein Wunder also, dass der für einen etwas anderen Geschmack bekannte Biafra sehr angetan war von diesen Verrückten, als er Mitte der Siebziger auf sie stieß.

Zory, Ygarr und die anderen, später häufig wechselnden Bandmitglieder traten nämlich nicht nur auf der Bühne mit eigenartigen "Außerirdischen"-Uniformen, nach dem Vorbild von Mr. Spock rasierten Augenbrauen, gefärbten und extravagant geschnittenen Haaren und Antennen auf dem Kopf auf, sondern ließen sich eigentlich gar nicht anders als so gestylt irgendwo blicken.

Zusammen mit ihrem bis ins Kleinste ausgearbeitete Konzept von auf der Erde gestrandeten Außerirdischen und der Musik, die ihrer Zeit etwas voraus war, kann man schon verstehen, dass die jungen Aliens damals ziemlich aneckten.

ZOLAR X spielten viele Konzerte, bei denen sie auch auf einen möglichst "authentischen" Bühnenaufbau Wert legten und nahmen während ihrer kurzen aktiven Zeit auch einige Songs auf, die aber nie wirklich veröffentlicht werden sollten.

Musikalisch waren ZOLAR X primär vom Glamrock der NEW YORK DOLLS und dem David Bowie der "Ziggy Stardust"-Ära geprägt, aber auch der damals allgegenwärtige Progrock hat Spuren im Sound der Band hinterlassen, wie in der 16 Minuten langen und sehr großartigen Rockoper "Plutionian Elf Story." Andererseits nahm man aber auch viel von dem vorweg, was kurze Zeit später in New York unter dem Namen Punkrock durchstarten sollte.

Leider wurden sie dann Ende der Siebziger von einem großen Teil der Punkrocker nicht akzeptiert - immer wieder faszinierend, wie eine Szene einerseits so vielseitige und für alles offene Musik hervorbringen konnte, andererseits aber auch schon immer verdammt engstirnig war - was sicherlich mit zum Ende von ZOLAR X führte, die sich nicht nur musikalisch, sondern gerade was den DIY-Gedanken anging, sehr mit dem Punkrock identifizieren konnte.

1980 nahm man noch ein letztes Mal zusammen auf und nach ein paar Auftritten 1981 waren ZOLAR X Geschichte. Ygarr hat danach nie wieder Musik gemacht, was angesichts seiner Kreativität sehr schade ist, und lebt heute irgendwo in Nevada.

Zory dagegen hat mit der selben Leidenschaft, die er in ZOLAR X steckte eine neue Identität namens Billy Bo Day entwickelt - mit allem nötigen Drum und Dran natürlich - und ist in Las Vegas relativ erfolgreich als Rockabilly-Musiker.

Mitte der Achtziger sah man ihn dann wohl in San Francisco in zivil und Flyer verteilend rumlaufen. Auf den Flyern: Eine Art von Vorher-Nachher- Bildern von ihm als Zory Zenith und als der zu Gott gefundene Neugeborene, der er jetzt war.

Ein letztes Mal in einer Art Rampenlicht konnte man Zory dann 1988 sehen. Auf dem Titelbild des San Francisco Examiner war ein Foto abgedruckt, das ihn gegen Martin Scorceses Film "The Last Temptation Of Christ" protestierend zeigte.

Bleibt also nur die Musik, und anhand "Timeless" kann sich jetzt jeder von der leider längst vergangenen Großartigkeit von Zory und Ygarr und ihrer eigenartigen, aber charmanten Erfindung namens ZOLAR X überzeugen.

(79:05) (09/10)