CURE

Seventeen Seconds 2CD / Faith 2CD / Pornography 2CD

Mein erster Kontakt mit THE CURE ... Das muss "The walk" gewesen sein, diese komisch synthielastige Nummer, die 1983 erschien und damals allenthalben im Radio gespielt wurde. Und dann das Mädel aus meiner Clique, Manu, die total auf Robert Smith abfuhr.

Der Typ, damals schon recht mollig, mit einer seltsam auftoupierten Frisur und mindestens so freakig aussehend wie Buzz von den MELVINS, dazu bewusst unsauber rot geschminkte Lippen, war damals in der "Bravo" allgegenwärtig, Poster hier, Poster da, und ja, bei Manu im Zimmer waren die Wände voll davon.

Ich weiß nur, dass ich genervt war von dieser blinden Starverehrung, wie sie vor Begeisterung zusammenzuckte, wenn mal irgendwo im Fernsehen ein Bericht über den Gruft-Mops kam. Komisch, so eine Vergötterung lehnte ich damals schon ab, obwohl ich gerade erst Punk als Musikstil kennengelernt hatte, aber eigentlich noch nichts verstand von den Ideen und Idealen.

Und so albern ich den Rummel um Robert Smith als Frontmann von THE CURE fand, so begeistert war ich doch von den CURE-Platten, allen voran das Quasi-Debüt "Boy's Don't Cry" (okay, eigentlich war das ja "Three Imaginary Boys", aber das fanden wir erst später raus), aber auch "Seventeen Seconds" (April 1980), "Faith" (April 1981) und "Pornography" waren schon erschienen, wobei die beiden ersteren unsere düsteren Teenager-Seelen begeisterten, während ich zu "Pornography" nie so den rechten Zugang fand.

Geld für die Platten hatte ich nie, natürlich nahm ich sie auf Tape auf, auch damals wurde schon "raubkopiert", und wie oft ich die Platten bzw. Tapes gehört haben muss, fällt mir erst jetzt auf, beim Hören der exzellent aufgemachten Wiederveröffentlichungen, deren Produktion Smith selbst überwachte.

"Seventeen Seconds" zu hören, das ist wie nach Jahren durch die Straßen seiner Heimatstadt zu gehen, und auch wenn man in einem Viertel seit 20 Jahren nicht mehr war, so ist man doch erschrocken, wie man fast jede Ecke noch wie im Schlaf kennt, Erinnerungen mit ihnen verknüpft.

Ich bin auch fest der Meinung, dass man nur zu Platten, die man zu Teenie-Zeiten kennengelernt hat, zu seinen ersten, na, hundert Platten ein wirklich inniges Verhältnis aufbauen kann, so wie man auch nur als Kind eine Fremdsprache unbefangen und mühelos erlernen kann.

Diese Musik brennt sich auf ewig ins Hirn, und ich bin beinahe erschrocken, wie nah mir diese Platte beim ersten Hören nach sicher 15 Jahren ging, wie ich jeden einzelnen Song, ob nun "Play for today", "Secrets", "In your house", "A forest", "M" oder "Seventeen seconds" schon beim ersten Takt wiedererkannte - ein musikalisches Klassentreffen, nur dass die Songs nicht fett geworden sind, das Leben keine Spuren an ihnen hinterlassen hat.

Ich denke, solche Intensiv-Platten hat jeder, dem Musik etwas bedeutet, ganz egal wie banal oder erstklassig diese anderen auch erscheinen mögen. Nicht weniger intensiv und so tieftraurig, ohne dabei in kitschigen Gruft- und Goth-Bombast zu verfallen wie so viele der Bands, die musikalisch und optisch in die Fußstapfen von THE CURE treten wollten, war/ist "Faith" von 1981.

"Primary", "All cats are grey", "The funeral party", "The drowning man", Faith" - auch diese Songs "sitzen" noch nach über zwanzig Jahren, verblüffend, und man merkt erst jetzt, da man sich mal wieder mit dem Original beschäftigt, wie stilprägend THE CURE waren und speziell in den letzten paar Jahren wieder sind: Smiths eigenwillige Art zu singen, sein komplexes Gitarrenspiel, der blecherne Drumsound, der blubbernde Bass, das sparsam eingesetzte Keyboard, das hat Spuren hinterlassen, die am deutlichsten zu erkennen sind bei all den Dance-Punk-Bands der jüngeren Vergangenheit und vonen die meisten ohne THE CURE nicht denkbar sind.

Verblüffend, dass seinerzeit solche Meisterwerke von Alben im 12-Monats-Rhythmus veröffentlicht wurden, denn auch "Pornography" folgte nach nur einem Jahr und wartet unter anderem mit dem meisterlichen "A hanging garden" auf - das auch auf "Concert" enthalten war, der 1984 wie alle anderen CURE-Scheiben auf Fiction erschienenen Live-Platte, die meine erste eigene CURE-Platte war.

Was nun diese Rerelease-Serie anbelangt, so ist die Aufmachung meisterlich: Alle drei Alben kommen im Doppel-Digipack mit zusätzlicher transparenter Schutzhülle, das beiliegende dicke Booklet enthält neben Fotos und Songtexten detaillierte Hintergrundinfos und Linernotes, und auf der zweiten CD finden sich tonnenweise Bonus-Songs, die bislang meist nur extrem nerdigen Fans zugänglich waren, etwa die Songs der 7" des Nebenprojektes CULT HERO, Demos und Liveaufnahmen, die freilich in den Achtzigern in der damals sehr lebendigen Tapetrader-Szene in rauhen Mengen ausgetauscht wurden.

Kein Füllstoff, sondern interessante, ergänzende, das Bild abrundende Tracks. Alles in allem also drei essentielle Rereleases, an denen eigentlich kein Weg vorbei führt. (10)