JUDAS PRIEST

The Essential 2CD

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass in den Siebzigern in England außer Punkrock keine andere Musik existiert hat, doch das ist wohl ein klassischer Fall von selektiver Wahrnehmung. JUDAS PRIEST etwa, die 1970 gegründet wurden, veröffentlichten 1974 ihr erstes Album, hatten mit "British Steel" 1980 den weltweiten Durchbruch und waren bis zum Ausstieg ihres Frontmanns Rob Halford Anfang der Neunziger einer der wichtigsten Vertreter des klassischen Heavy Metal-Sounds, hatten mit Liedern wie "Judas rising", "Breaking the law", "Hell bent for leather" oder "Turbo lover" echte Genreklassiker abgeliefert.

Dass man rückblickend über die grandiose Nieten- und Lederoptik nur lachen kann (siehe dazu auch diverse großartige Fotos hier im Booklet), ist ein Gefühl, das zwischen Beschämung darüber, so was mal gut gefunden zu haben einerseits und andererseits der Erkenntnis der tatsächlichen Lachhaftigkeit solcher Kostümierung liegt.

Und die ganze Sache bekam ja dann später mit dem Coming Out von Rob Halford noch einen ganz neuen Aspekt, denn Metaller hatten eben ganze Kerle zu sein und entsprechend homophob war die Szene.

Angesichts der Optik, mit der aber etwa TURBONEGRO spielen und der heutigen Vertrautheit mit schwulen Insignien wie etwa Ledermützen, fragt man sich aber schon, weshalb einem der offensichtliche Look des Herrn Halford nicht schon früher ins Auge stach.

Egal, mit der musikalischen Bedeutung von JUDAS PRIEST hat das alles nichts zu tun, denn die facettenreiche Band ist auch heute, 36 Jahre und 16 Alben später, noch aktiv (2003 kehrte Halford zurück), auch wenn sie in Sachen Härte und spektakulärer Outfits längst von Jüngeren überholt wurde.

Auf "The Essential", einer Doppel-CD, gibt's genau das, eine essentielle Zusammenstellung von 34 Songs, mit der man zwar alte Fans nicht locken kann, aber den neugierig gewordenen Spätgeborenen, den Studenten-Punk, der vielleicht erst durch "Hats off to Halford" von ATOM & HIS PACKAGE mit dem Namen in Verbindung kam.

Abgesehen davon sind Songs wie "Turbo lover" oder "Breaking the law" auch einfach Rock-Geschichte, grandiose, monumentale Rocksongs, die sich bestens zum extrem lauten Hören bei einsamen nächtlichen Autofahrten eignen ...

Dass es einem bei manchem Gitarrengenudel und mancher Jodeleinlage beinahe die Schuhe auszieht, so schlimm sind die, damit muss man halt leben. (09/10)