GUN CLUB JEFFREY LEE PIERCE

Wildweed CD / Lucky Jim 2CD / Mother Juno 2CD / Danse Kalinda Boom 2CD

Die Umschreibung "Preachin' the blues" - das Stück von Blueslegende Robert Johnson, welches sich in dem großartigen Song "Sex beat" auf dem Debütalbum "Fire Of Love" (1981) von THE GUN CLUB wiederfindet - beschreibt ganz grundlegend das Schaffen und den Geist von Jeffrey Lee Pierce, jener Ikone des Punk-Blues, der Anfang der achtziger Jahre von Los Angeles aus mit dem GUN CLUB Musikgeschichte schrieb und zur Legende wurde.

Pierce, der sich bereits als Musikjournalist mit Soul, Blues und Jazz auseinandersetzte und zwar in der Zeit, in der er nicht seine gesamte Aufmerksamkeit dem Gesamtkunstwerk BLONDIE widmete, deren lokalen Fan-Club er leitete (schliesslich erschien das zweite GUN CLUB Album "Miami" (1982) auf Animal Records, dem Label des BLONDIE-Gitarristen Chris Stein), definierte gemeinsam mit seinen wechselnden Mitstreitern wie beispielsweise Kid Congo Powers, Rob Ritter oder Patricia Morrison den Sound eines Bluespredigers mit selten dagewesener Authentizität, Konsequenz und glaubwürdiger Todessehnsucht: Man denke an seine Coverversion von John Coltranes "A love supreme".

Mitte der achtziger Jahre - nach zahlreichen Tourneen mit dem GUN CLUB u.a. mit SIOUXSIE & THE BANSHEES - siedelte Pierce nach London über, arbeitete an seinem Soloalbum "Wildweed" (1985), verbrachte viel Zeit in Asien, beschäftigte sich mit Jazz-Meditation ohne allerdings seine Alkohol- und Drogen-Gepflogenheiten gänzlich aus den Augen zu verlieren.

Im Anschluss an seine Soloambitionen reformierte er den GUN CLUB wieder und nahm seit 1987 mit wechselnden Besetzungen in Holland auf, beispielsweise das Album "Mother Juno" (1987), produziert von Robin Guthrie (COCTEAU TWINS), mit Unterstützung von Romi Mori am Bass - der Frau an seiner Seite - und Blixa Bargeld.

In Deutschland erschienen diese späten Alben von GUN CLUB bei What's So Funny About - dem Label von Alfred Hilsberg. Zehn Jahre nach dem Tod von Pierce beginnt das holländische Label Flow Records eine Serie mit neuen Editionen der späten Alben von GUN CLUB und Jeffrey Lee Pierce auf den Markt zu bringen - am Ende sollen es neun Alben sein.

Zusammengestellt hat diese Serie Gene Temesy, der Biograf von Jeffrey Lee Pierce und Präsident des GUN CLUB Fan-Clubs. Weniger schön ist, dass die Cover mit dem "9Lives"-Logo (dem Titel der Serie) etwas verhunzt sind und beispielsweise das Album "Lucky Jim", auf dem sich Pierce u.a.

mit den Gewinnern und Verlierern des Kapitalismus und dessen Begleiterscheinungen auseinandersetzt, in einem "neuen" Cover erscheint, mit einem merkwürdig kolorierten Konterfei von Pierce (immerhin findet sich auf der zweiten CD u.a.

drei Liveaufnahmen aus dem Jahre 1993 von einem Konzert in Salzburg). Bei seinem Soloalbum "Wildweed" wäre es auch keine Schande gewesen, die Songs von der im gleichen Jahr erschienen EP "Flamingo" (mit den beiden Jimi Hendrix Coverversionen "Fire" und "No more fire") zusätzlich mit auf die Wiederveröffentlichung zunehmen.

Das Live-Album "Danse Kalinda Boom" (1985) ist ergänzt um ein weiteres Konzert von der Australien-Tournee im Jahre 1983 und vermutlich wirklich nur etwas für Fans. Die Serie wurde von Peer Rave remastered (u.a.

Produzent für Henry Rollins und bereits der Alben "Lucky Jim" und "Ramblin' Jeffrey Lee"). Im Winter 2006/2007 werden noch die Alben "Ramblin' Jeffrey Lee Pierce & Cypress Grove With Willie Love" (2CD), "Divinity" (2CD), "Pastoral Hide And Seek" (2CD) sowie die Alben "Ahmed's Wild Dream" (CD) und "Ramblin' Jeffrey Lee and Cypress Grove - Spanish Flang Dang (Live)" (CD) - Aufnahmen von den letzten Konzerten in Europa - erscheinen.

Großartig wäre es gewesen, wenn die ersten Alben von GUN CLUB ebenfalls im Gewand einer Doppel-CD mit Bonustracks, Live-Aufnahmen und Raritäten erschienen wären. Im März 1996 erlag Pierce nach langem Leiden einem Gehirnschlag, nachdem er bereits nach Salt Lake City in das Haus seines Vaters zurückgekehrt war und bereits an seiner Autobiografie arbeitete, die er aber nicht mehr verwirklichen konnte.

Von Pierce stammt das Zitat: "Eine Zukunft habe ich nicht, und an die Vergangenheit kann ich mich nicht erinnern"- sein Schaffen und seine Musik werden zweifelsohne in Erinnerung bleiben.

Er wurde im Rahmen einer buddhistischen Zeremonie in Los Angeles beigesetzt: mit dem buddhistischen Namen Shaku Chi Ken - "Follower of buddha, with wisdom and vision". (10)