JAPAN

Adolescent Sex CD

In meinem Interview mit dem ehemaligen JAPAN-Sänger beklagte sich David Sylvian vehement darüber, dass seine alte Firma (Ariola-Hansa), mit denen er deswegen jahrelang im Rechtstreit lag, ständig in neuen Versionen die frühen Platten seiner Band wieder neu auflegen würde.

Und jetzt halte ich sie erneut in den Fingern, allerdings diesmal zumindest um Bonus-Material aufgestockt. "Exorcising Ghosts" von JAPAN war sicherlich zu einer bestimmten Zeit eine meiner meistgehörten Platten - eigentlich nur eine Compilation, die allerdings als Doppel-LP mit 16 Stücken eine perfekte Werkschau dieser Band darstellte, was man über die abgespeckte 11-Song-CD wiederum nicht sagen konnte, ansonsten sollte man von Cheapo-JAPAN-Compilations eh besser die Finger lassen.

Wie auch immer, ich war jedenfalls einigermaßen schockiert, als ich im Plattenladen meines Vertrauens dann mal in das erste JAPAN-Album "Adolescent Sex" von 1978 reinhörte. Dieser quäkende Bowie-Klon am Mikro konnte doch unmöglich Sylvian sein, und auch der sonstige schwachbrüstige funkige Glamrock-Verschnitt hatte nicht allzu viel mit der heiß geliebten Band zu tun.

"Adolescent Sex" ist eine ziemlich schreckliche Platte - dann doch lieber was von DURAN DURAN -, das stinkt alles zu sehr nach auf Erfolg getrimmter, glattpolierter Charts-Band. Der etwas straightere Titeltrack ist noch ganz brauchbar, ebenso wie das neunminütige, leicht krautrockige "Television", wo Sylvians Gesang stärker an die späteren JAPAN erinnert, ebenso wie der Song an sich, aber wesentlich besser ist das Ganze über die Jahre nicht geworden.

Als Bonus gibt es hier noch vier Videos, also das, was man früher so unter Videos verstand, und wo man ein paar wirklich ziemlich albern aussehende Typen im NEW YORK DOLLS-Look bewundern kann.

Im selben Jahr entstand der Nachfolger "Obscure Alternatives", eigentlich auch nicht viel besser, aber irgendwie anhörbarer, da der penetrante Funk der ersten Platte einem stärkeren Pop-Appeal gewichen war, plus der zu dieser Zeit angesagten New Wave/Post-Punk-Einflüsse.

Sylvian quäkt zwar immer noch ziemlich eigenartig gepresst herum, aber manche Songs wie "Love is infectious" ziehen einen dann doch irgendwie in ihren Bann, denn auch wenn hier noch einiges im Argen liegt, finden JAPAN so langsam zu ihrem speziellen Groove.

Das Highlight ist dann erneut der letzte Track, das siebenminütige instrumentale "The Tenant", wo Mick Karns Bass und Richard Barbieris Synthies quasi die Verknüpfung zum 1979er-Album "Quiet Life" schaffen.

Bei "Obscure Alternatives" bekommt man noch vier, in Japan aufgenommene Live-Tracks geliefert - denn JAPAN waren schon damals "big in Japan" -, darunter das tolle "In vogue" vom nächsten Album, wo Sylvian endlich nach Sylvian klingt und sich die Band weniger glattgebügelt präsentiert, was diese aktuelle CD-Version schon wieder deutlich interessanter macht.

Und dann endlich der kreative Befreiungsschlag in Form von "Quiet Life", nach wie vor mein JAPAN-Lieblingsalbum. Der Funk ist zwar wieder da, aber der ist elegant eingebettet in fließende Synthiesounds und eigenwillige poppige Melodik, quasi die prototypische New Romantic-Platte, was sich wie gesagt schon bei "The Tenant" andeutete und wo Karns Bass, Barbieris Synthiesounds, Steve Jansens präzises Schlagzeugspiel und Sylvians Gesang der Band endlich eine wirkliche Identität verleihen und sie vom Image der Nachwuchswettbewerb-Schülerband befreite und zu ernstzunehmenden Musikern machte.

Acht durchweg großartige Songs, darunter ewige JAPAN-Klassiker wie der pulsierende Titeltrack und vor allem "The other side of life", der mit seinem mitreißenden Pathos nicht weit von Sylvians späteren Solo-Sachen entfernt ist.

Und dazwischen dann sogar eine inspirierte Coverversion von VELVET UNDERGROUNDs "All tomorrow's parties", eine überraschende Wahl für eine Band, die ansonsten nur eine weitere Coverversion eingespielt hat, und auf der CD noch mal als 1983er 12"-Remix und als 7"-Version enthalten ist.

Am Interessantesten dürfte aber die Ergänzung der "Quiet life"-B-Seite "A foreign place" sein, ein kurzes Instrumentalstück, das ansonsten nur auf der Vinyl-Version von "Exorcising Ghosts" enthalten war.

Danach wechselten JAPAN zu Virgin - damit endete auch die Ära des bisherigen Gitarristen Rob Dean - und nahmen mit "Gentlemen Take Polaroids" und "Tin Drum" ihre in künstlerischer Hinsicht sicherlich beiden besten, allerdings auch letzten Platten als Band auf, was ihre alte Plattenfirma allerdings nicht daran hinderte, mit "Assemblage" 1981 einen etwas komischen Karriereüberblick auf den Markt zu werfen.

Der wirkt mit seinen zehn Tracks zwar im ersten Moment etwas pointless, wartet aber mit einigen interessanten raren Stücken auf, wie "European son" (könnte auch noch gut auf "Quiet Life" passen), der B-Seite "Stateline", einer der besseren früheren Tracks, und "Life in Tokyo" und "I second that emotion", an denen Giorgio Moroder beteiligt war, der JAPAN hier offenbar auf slicke Synthie-Band trimmen wollte.

Wobei mir Smokey Robinsons "I second that emotion", die einzige andere Coverversion von JAPAN, irgendwie immer ganz gut gefiel, so wie die Band hier die poppige Souligkeit des Originals in ihren typischen Sound integrierte.

Dazu gibt es noch Alternativversionen von "I second that emotion", "Life in Tokyo" und "European son", ebenso wie Videos zu den beiden Moroder-Songs, was "Assemblage" für JAPAN-Fans zu einer sinnvollen Ergänzung ihrer Sammlung macht.

Bei Unklarheiten zum Thema JAPAN vielleicht auch noch mal einen Blick auf meine Besprechung der Rereleases der Virgin-Platten "Tin Drum", "Gentlemen Take Polaroids" und "Oil On Canvas" in Ausgabe #53 werfen.(4)