DISCHARGE

Why CD

Eine der seltsamsten Modeerscheinungen der letzten Zeit ist die inflationäre Verwendung des Begriffes "D-Beat". Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass bis vor wenigen Jahren jemand von DISCHARGE, ANTI-CIMEX oder VARUKERS als "D-Beat"-Bands gesprochen hätte - das wurde einfach Crust-, Hardcore-, Anarcho- oder Peacepunk genannt, zumindest im deutschen Sprachraum.

Seit einer Weile nun spricht jeder nur noch von D-Beat (was seinen Ursprung in einem bestimmten Schlagzeug-Rhythmus hat, der angeblich auf die BUZZCOCKS zurückgeht - das "D" steht aber natürlich für DISCHARGE).

Zumindest dass DISCHARGE die Urväter dieses Sounds sind, ist gar keine Frage - und Legion sind die Bands, die sich seitdem in Verehrung ihrer Vorbilder einen mit DIS- beginnenden Namen gegeben haben.

DISCHARGE stammen aus einer Zeit, da niemand einen Zweifel daran hegte, dass Hardcore gegen Militarismus und Krieg, gegen konservative Regierungen, gegen organisierte Religion, gegen das "System" ist, als niemand auf die Idee gekommen wäre, als CDU-Mitglied ein Hardcore-Label zu betreiben (Grüße an Dead Serious Records!), als die Welt also noch in Ordnung und ungefähr so schwarz und weiß war wie die Plattencover jener Zeit und speziell die von DISCHARGE.

Bereits 1977 gegründet, kam die große Zeit von DISCHARGE erst ab 1980. "Realities Of War", die erste 7"-EP, wurde in diesem Jahr veröffentlicht, zwei weitere folgten, und 1981 kam dann die "Why"-12", auf deren Cover tote Zivilisten zu sehen sind, dazu die Feststellung "In order to satisfy their mania for conquest lives are squandered".

Die "Why"-12" wurde von Captain Oi! nun zum Hauptmedium gewählt, die zehn Songs des Mini-Albums machen den Anfang und werden ergänzt um alle Tracks der drei vorangegangenen Singles sowie ein Booklet mit History und einem Teil der Texte.

Im Oktober 1981 erschien dann die "Never Again"-EP, und man ist ehrlich überrascht vom Output der Briten aus Stoke-on-Trent, vergingen doch seinerzeit bei vielen anderen Bands teilweise Jahre zwischen den Releases, während es hier nur Monate waren.

Auch hier gibt es reichlich Bonusmaterial, etwa die wichtige "State Violence State Control"-EP vom Oktober 1982 sowie auch ein paar spätere Aufnahmen, doch gerät hier die Chronologie durcheinander.

Denn mit "Hear Nothing See Nothing Say Nothing" veröffentlichten DISCHARGE im Mai 1982 ihr erstes und wichtigstes Album, das wiederum die "Never Again"-EP von Oktober 1981 als Bonus enthält.

Ein kleines Durcheinander also, doch da es nur Sinn macht, diese drei CDs im Paket zu kaufen, relativiert sich die Konfusion wieder. Das essentielle Frühwerk von DISCHARGE hat man mit diesen Rereleases jedenfalls annähernd komplett, und was die von diversen Ab- und Zugängen geplagte Band dann ab Mitte der Achtziger so trieb, ist eigentlich nur noch am Rande interessant, weil es im Vergleich zum brutalen, rauhen und innovativen Frühwerk letztlich eher konventioneller Metal war.

Erst ab 2002 wurde es wieder interessant, das Comeback und das titellose Album konnten annähernd an die alten Zeiten anknüpfen. (10)