RAY DAVIES

Other People's Lives CD

Das ist schon fast eine mittlere Sensation. Raymond Douglas Davies, seit 42 Jahren im Pop-Geschäft, hat mit "Other People's Lives" seine erste wirkliche Solo-Platte aufgenommen. Die "Storyteller"-CD von vor ein paar Jahren natürlich nicht mitgerechnet, das war ja eine Live-Platte, und vieles darauf waren alte KINKS-Titel.

Dieses Album ist aber anders, denn a) sind darauf nur neue Kompositionen, und b) spielt Ray nun mit einer richtigen Band, also kein ungestöpseltes Akustikgeschrubbe mehr. Und das tut der Platte richtig gut, mit kompetenten Begleitmusikern kommt die Qualität der Songs besser zur Geltung, es ist eben viel leichter, den ohnehin schon atemberaubend guten Kompositionen phantasievolle effektive Arrangements zu verpassen.

Die Stücke sind zwar allesamt relativ spartanisch gehalten, selten sind da mehr als zwei Gitarren, Bass, Drums, hier und da Pianobegleitung und simple, aber wirklich rührende Bläsersätze.

Das verleiht der Platte aber eine verblüffende Frische, es klingt absolut zeitlos, wie eigentlich alles, seit die KINKS die verpickelten Flegeljahre hinter sich haben. Wellers Paul (Wie Ray auch jemand, dem gerne mal die Patenonkelschaft des Britpop angedichtet wird.

Völlig zu unrecht, das geht allein auf die Kappe von Lennin/McCarthy ...) sollte mal eine ähnlich frische und aufgeräumte Platte abliefern, statt sich der Midlife-Crisis gramgebeutelt hinzugeben.

Von Krisenstimmung ist hier überhaupt nichts zu spüren, auch wenn die letzten zwei Jahre für Ray bestimmt nicht die einfachsten waren: Der hassgeliebte kleine Bruder Dave erlitt einen Schlaganfall, Rays Freundin verliert bei einem Überfall ihre Handtasche, dafür bekommt der heldenhafte, aber erfolglose Beschützer eine Kugel ins Bein geballert.

Und dann noch der Ritterschlag durch die Queen. Davon muss man sich erstmal erholen. Doch ist diese Platte sicher nicht als Bewältigungsversuch zu sehen, Ray schreibt nach wie vor am liebsten und am besten darüber, wovon er am meisten versteht: Den Alltag mit seinen Widrigkeiten, präzise, aber ungemein poetisch beschriebene Standardsituationen, die wirklich jeder kennt, der mal verlassen wurde, oder der mal Touristen ausgelacht hat, oder schlechte Stand-up-Comedians im Fernsehen ertragen musste, oder einfach mit offenen Augen seine Mitmenschen beobachtet.

(09/10)