MOVE

Anthhology 1966 – 1972

„In England kamen zuerst die BEATLES, dann die Stones und dann kamen THE MOVE – in dieser Reihenfolge“, tönte großspurig Tony Secunda, MOVE-Manager, vormaliger Wrestling-Promoter mit massig Halbweltkontakten und Hansdampf in allen Gassen.

Das stimmt zwar nicht ganz, die Verkaufszahlen sprechen da einen andere Sprache, aber was die kreativen Leistungen angeht, liegen THE MOVE mit den beiden großen Namen mindestens gleichauf.

Und das gilt für jede Phase ihres sechsjährigen Bestehens. Vom lockeren Mod/Freakbeat der ersten Aufnahmen (auf dieser Box erstmals zu hören) über blumige Pop-Psych-Songs im Stil ihrer ersten großen Hits „I can hear the grass grow“ oder „Fire brigade“ spannt sich der Bogen ihrer musikalischen Karriere bis hin zu Proto-Metal/-Glam à la „Brontosaurus“.

Auf dem Weg dahin unternahmen THE MOVE auch immer wieder Ausflüge in soulige Gefilde (Carl Wayne gilt ja als einer der talentiertesten „blue eyed“ Soulsänger), und Anfang der 70er spielten sie bärtigen Freakrock, zeittypisch mit langgezogenen Freakout/Solo-Passagen.

Mit der „Anthology“ kommt diese unterschätzte Band nun endlich auch einmal in den Genuss einer ausführlichen Werkschau. Salvo Records hat auf vier CDs einen ausführlichen Überblick über die Karriere der Birminghamer Band vorgelegt.

Der Box liegt ein 64-seitiges Booklet mit massig detaillierten Informationen und raren Bildern bei. Auf CD 1 sind die ersten 1½ Jahre zusammengefasst. Dazu gehören die ersten Gehversuche im Studio, schon mächtig professionell und mit sehr viel Potential, die aber leider unveröffentlicht blieben.

Des weiteren sind alle frühen Singles vertreten, teils in raren Mono- oder Rough-Mixen und auch das ein oder andere Demo hat seinen Weg auf die Scheibe gefunden. Und erfreulicherweise ist auch „Vote for me“ dabei, eigentlich als B-Seite für die gecancelte Single „Cherry Blossom Clinic“ vorgesehen.

Doch mit Spott über Politiker hatte sich die Band bereits böse die Hände verbrannt, da Tony Secunda ja die grandiose Idee hatte, zum Release der immens erfolgreichen „Flowers in the rain“-Single eine Postkarte zu veröffentlichen, auf der ein Seitensprung des damaligen Premierministers Harold Wilson durch den Kakao gezogen wurde.

Das gab natürlich böses Blut, einen Riesenskandal, einen Prozess, und fortan mussten alle Tantiemen der Single zugunsten karitativer Zwecke gespendet werden. CD Nummer 2 ist auch eine kleine Sensation, da man hier eine komplette Live-Show aus dem Frühsommer 1968 findet, aufgenommen im Londoner Marquee, wo die Band regelmäßige Gastspiele hatte.

Eigentlich war ja geplant, aus den dort entstandenen Aufnahmen eine Live-EP zusammenzustellen, doch leider gab es bei den Aufnahmen eine Panne: Der Gesang war teils kaum zu hören, teils brüllend laut und verzerrt, also mussten für die EP Overdubs angefertigt werden, was dem Ganzen eine Menge Charme nahm.

Für das Box-Set wurden nun die kompletten Marquee-Aufnahmen neu gemischt und gemastert, und es konnte eine ganze Menge des originalen Materials wiederhergestellt werden. So kann man nun endlich ein komplettes Set von THE MOVE aus dem Jahr 1968 miterleben.

Das lohnt sich ungemein, die Band spielt enorm tight, agressiv, soulig und mit unglaublicher Spielfreude. Auch das dargebotene Repertoire ist bemerkenswert. Da gibt es eine Reihe Coversongs, wie zum Beispiel Eddie Cochrans „Something else“, welches derart brutal rüberkommt, dass die SEX PISTOLS mit ihrer Version wie dumme Schuljungs dastehen.

Außerdem merkt man den Einfluss amerikanischer Westküstenbands auf das Birminghamer Quintett. Denn sie spielen LOVEs „Stephanie knows who“ und den BYRDS-Song „So you want to be a rock’n’roll star“ mit einem Verve, als hätten sie die Songs selbst geschrieben.

Auf den CDs 3 und 4 beginnt leider schon der Niedergang. Gelegentlich finden sich noch Perlen, die an die einstige Bestform der Band erinnern („Curly“ oder „Blackberry way“), aber alles in allem wird es hier für meinen Geschmack zu bärtig.

Es klingt nach Selbstverwirklichung durch Dudelgitarrensoli und fiesem Rock, und mit dem Beitritt von Jeff Lynne zur Band war sowieso alles aus, alle Leichtigkeit verschwunden, auch wenn gelegentlich Glamrock-Hits wie „Hello Susie“ dabei herauskamen, die den Sound von SLADE oder SWEET vorwegnahmen.

Aber auch diese Stücke verdienen Gehör, alles in allem ist diese Box hochinformativ geraten, für Fans ob der vielen Raritäten interessant und für Novizen ein guter Einstieg, denn hier sind alle Hits, alle Abscheulichkeiten und die gesamte Bandbreite der drittbesten britischen Band vertreten.