ROEDELIUS

Jardin Au Fou

Der inzwischen 74-jährige Hans-Joachim Roedelius hatte durch seine Beteiligung an Bands wie CLUSTER/KLUSTER und HARMONIA nicht unerheblich Anteil daran, dass der Begriff Krautrock heute international immer noch so eine Bedeutung hat.

Und offenbar hat er nichts verlernt, denn letztes Jahr erschien mit „Inlandish" eine gelungene Zusammenarbeit von ihm mit dem Neo-Klassik-Komponisten Tim Story. Dank Bureau B darf man sich jetzt auch wieder an „Jardin Au Fou" erfreuen, seinem zweiten Soloalbum von 1979, das Ende der 90er schon mal in Japan wiederveröffentlicht wurde, versehen mit sechs Bonussongs, die auch hier enthalten sind.

Ein überraschend andersartiges Album, sowohl im Vergleich zum ein Jahr zuvor entstandenen Vorgänger „Durch die Wüste" als auch zum restlichen Krautrock-Umfeld. Angesichts der kindlich-unbeschwerten, naiv-fröhlichen Melodien fällt die Assoziation mit einem „Garten des Wahnsinns" auf jeden Fall schwer.

Zwar gibt es auch hier die luftigen Ambient-Klänge, die man von CLUSTER und HARMONIA kennt, aber ansonsten ist „Jardin Au Fou" mehr ein karnevaleskes Kammerpop-Album als eine Rockplatte geworden, auf der Instrumente wie Cello, Flöte und Klavier dominieren - E-Gitarre gibt es aber durchaus - und der damalige 70er Jahre Kontext kaum noch eine Bedeutung besitzt.

„Jardin Au Fou" könnte in dieser Form auch heute aufgenommen worden sein, dagegen klingen CLUSTER und HARMONIA zwar immer noch innovativ, aber wesentlich zeitgebundener. Roedelius gelang hier eine ungemein unbeschwerte Mischung aus Synthiepop und Ambient, und während gerade viele typische Ambientplatten unter ihren allzu austauschbaren Sounds leiden, gibt es hier jede Menge charakteristischer Melodien.

Die ändern zwar nichts an der grundsätzlichen kompositorischen Offenheit von „Jardin Au Fou", aber vermitteln einem zumindest nicht den Eindruck, es hier mit akustischem Durchzug zu tun zu haben.

Bei den sechs Bonustracks handelt es sich um drei Remixe und drei neue Songs, die nicht unbedingt schlechter sind, aber deutlich stärker auf synthetischen Sounds basieren, was ja beim Originalmaterial eben nicht der Fall war und mir auch besser gefällt als die Neuinterpretationen.

Definitiv eines der Schlüsselwerke im Schaffen von Roedelius, auch wenn es für die Entwicklung elektronischer Musik in dieser Zeit weniger von Bedeutung sein mag.