SHIRLEY LEE

s/t

Soloalben sind ja in der Regel eine verschärfte Form des Egotrippings. „Ich brauch die ganzen Trottel aus meiner Band ja eh nicht, Schlagzeug spiele ich auch mindestens so gut wie Paul McCartney, an der Gitarre packe ich sie sowieso alle ein, wenn's sein muss, mach ich's mir eben selber.

Außer den Background-Vocals, die macht meine Perle ...", denkt mancher Solo-Artist. Völlig anders liegt der Fall bei Shirley Lee. Der Londoner Ausnahme-Songschreiber hat nämlich für das selbst betitelte Album ganz einfach seine komplette Band, also die wundervollen SPEARMINT mitspielen lassen, denn da kann er sich auf zuverlässige und talentierte Begleitung verlassen.

Aber warum nur soll es dann eine Soloplatte sein? Schwer zu sagen, denn dieses Album klingt nicht um ein Iota anders als irgendeine SPEARMINT-Platte zuvor. Stimmungsvoller Indiepop mit Schwerpunkt auf euphorischen Jinglejangle-Gitarren und gelegentlichen Northern-Soul-Anleihen sind hier wie dort das große Thema.

Also können eigentlich nur die Texte der Grund für den „Alleingang" sein, und das genau ist auch die Lösung. Shirley Lee hat nämlich eine Sammlung von ungemein persönlichen und romantischen Songs zusammengetragen, und vermutlich ist er unglaublich verliebt.

Denn 11 von 13 Songs sind sehr intensive Liebeslieder, dazu kommt ein Lied für Shirleys Vater und ein swingendes Northern-Soul-Instrumental. Dieses Album zeigt die volle Bandbreite gefühlsbetonter aber keinesfalls gefühlsduseliger Popmusik in nahezu perfekten Arrangements.

Gleichwertig starke Songs findet man ansonsten allenfalls bei Ian Broudies LIGHTNING SEEDS. Und dennoch freue ich mich schon auf das neue SPEARMINT-Album (vermutlich im September), denn dort geht es noch eine Idee unbefangener und lockerer zur Sache.