MIKE PATTON

Mondo Cane

Das schlimmste für Mike Patton denkbare Schicksal ist wahrscheinlich, mal von sich selbst gelangweilt zu sein. Anders lässt sich wohl nicht erklären, warum er mit seinen Bands wie FANTÔMAS und seinem Label Ipecac nach dem Ende von FAITH NO MORE immer wieder versucht, normale Hörgewohnheiten zu erschüttern, anstatt es sich bequem zu machen und durch eine Wiederbelebung von FAITH NO MORE in gewissen Abständen für befriedigende Kontostände zu sorgen.

Die FAITH NO MORE-Reunion gab es ja letztens sogar, weniger abenteuerlich fällt Pattons neues Solo-Album dadurch dennoch nicht aus. Abenteuerlich ist auch genau das richtige Stichwort. Um Pattons Vorliebe für Soundtracks weiß man ja durch Platten wie „The Director’s Cut“ und „A Perfect Place“, oder seine Morricone-Compilation auf dem eigenen Label, die sich vor allem den frühen disharmonischeren Arbeiten des Maestros widmete.

Und so hat es ihm hier vor allem die italienische Soundtrack-Welt der Sechziger angetan, worauf schon der Titel der Platte verweist. Den hat sich Patton bei Gualtiero Jacopettis, Franco Prosperis und Paolo Cavaras Shockumentary „Mondo Cane“ von 1962 ausgeliehen, die damals das Publikum durch bizarre Bräuche von primitiven Völkern (darunter auch besoffene Besucher der Reeperbahn) schockieren und in exotische Welten versetzen wollte und ein ganzes Genre begründete, das vor allem durch brutales und anstößiges Material (teilweise gestellt) einen zweifelhaften Ruf erlangte.

Was aber auch nichts daran änderte, dass bereits „Mondo Cane“ dank Riz Ortolani einen tollen Soundtrack besaß, dessen leicht schmalziges Italo-Flair es auch Patton angetan hat, der sich hier unterstützt durch ein vielköpfiges Orchester an einer Hommage und Neuinterpretation dieser speziellen europäischen Filmmusik versucht, mit ihm als italienisch singenden exzentrischen Crooner im Mittelpunkt.

Jede Menge Leute beziehen sich immer wieder gerne auf Morricone und seine weniger bekannten Kollegen, aber den wenigsten gelingt, was Patton gelungen ist. Nämlich ein Album – sicherlich das bisher poppigste, das der Mann nach dem Ende von FAITH NO MORE aufgenommen hat –, das gleichzeitig retrospektiv wie modern ist, dabei durch und durch Patton, der sich immer wieder seinen typischen exzentrischen Ausfälle leistet, und diesem stilistischen Pop-Oper-Bombast auch eine gehörige Portion Selbstironie verpasst, ohne dass „Mondo Cane“ zu einem billigen Witz würde.

Neben „The Director’s Cut“ schon jetzt mein liebstes Album in Pattons bisheriger Diskografie, alleine wegen des Songs „Deep down“, bei dem er wundervoll den Titelsong von Mario Bavas Film „Danger Diabolik“ verarbeitet, einer der Soundtracks von Morricone, der leider niemals offiziell erscheinen wird, da die Masterbänder bei einem Brand vernichtet wurden.