RECOIL

Selected

Mit den Soloaktivitäten von Alan Wilder in Gestalt von RECOIL (Wilder hatte DEPECHE MODE bereits 1995 verlassen, aber schon 1988 und 1990 Soloalben als RECOIL veröffentlicht), verhält es sich so wie mit den Soloalben von Dave Gahan: es zündet nicht so richtig, und man kommt nicht um die simple, aber stets bewahrheitete Erkenntnis herum, dass der geniale musikalische Nukleus bei DEPECHE MODE eben Martin L.

Gore ist (dessen Soloalben erstaunlicherweise aber auch nicht wirklich prickelnd sind). „Selected“ ist eine rückblickende Werkschau von RECOIL-Songs und enthält zahlreiche Kollaborationen Wilders mit Gastsängern wie Douglas McCarty von NIZZER EBB bei dem Alex Harvey-Cover „Faith healer“ (ein Song, den die BOLLOCK BROTHERS aber so viel großartiger gecovert haben) und Toni Halliday von CURVE beim Song „Edge of life“, und um den Anspruch einer gewissen Düsterheit gerecht zu werden, darf Dramadiva Diamanda Galás bei „Strange hours“ für das verruchte Flair sorgen.

Aber genau da liegt das Problem: während bei den dunklen Soundscapes von COIL – sicherlich eine wichtige musikalische Referenz für Alan Wilder (nicht nur für den eigenen Bandnamen) – in einem die kleine und gepflegte Paranoia ausbricht, kommt es einem bei der elektronischen Dunkelheit von RECOIL zu oft „gewollt“ vor.

Es ist mitunter so, dass man vermuten könnte, Wilder fehlen die persönlichen Schattenseiten und Untiefen, um diesen Sound, den er zweifelsohne anstrebt, glaubwürdig zu instrumentieren. Man wünscht Wilder deshalb nicht gleich die zahlreichen Suizidversuche und den Speedball-Konsum seines ehemaligen Bandkollegen Dave Gahan in den Neunziger Jahren, um diesen Sound zu generieren, aber es fehlt vielleicht der reale „Abgrund“, das innere Zerwürfnis, obgleich auch eine Frohnatur wie Martin L.

Gore für DEPECHE MODE schöne Hooklines in tiefschwarzem Moll ersann.