Foto

VENGEANCE

Ähnlich wie bereits in THE MISSION (1999) und EXILED (2006) versucht sich Hongkong-Kino-Veteran Johnnie To mit VENGEANCE wie schon häufiger in der Vergangenheit an einer Neudefinition des Action-Genres.

Erneut zusammen mit MAD DETECTIVE-Drehbuchautor Wai Ka-fai, einer der wenigen wirklich innovativen Autoren der ehemaligen britischen Kronkolonie. In der Hauptrolle Johnny Halliday, seit den Sechzigern einer der größten Stars der französischen Musiklandschaft, den To aber bis dato überhaupt nicht kannte und eigentlich Alain Delon für die Rolle im Sinn hatte.

Ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr den Regisseur Jean-Pierre Melvilles virtuos stilisiertes Gangster-Kino und speziell DER EISKALTE ENGEL mit Delon als Hauptdarsteller über die Jahre beeinflusst hatte.

Delon gefiel aber das Drehbuch nicht und so spielt stattdessen Halliday, der mit seinen seltsamen Schweinsäuglein fast etwas asiatisches an sich hat, den Pariser Restaurant-Besitzer Costello, der nach Hongkong reist, nachdem seine Tochter und ihre Familie Opfer von Triaden-Killern wurden.

Ein sofort auffallender Europäer in einer fremden Stadt, der die dortige Sprache nicht versteht und auch ansonsten völlig auf sich allein gestellt ist bei seinem Vorhaben, seine Tochter zu rächen.

Wie so oft muss der Zufall aushelfen, denn in seinem Hotel stolpert er quasi über drei andere Triaden-Killern (Anthony Wong, Lam Suet und Lam Ka-tung, Gesichter, die auch aus anderen To-Filmen bestens bekannt sind) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit und bietet ihnen für ihre Hilfe als Lohn sein Restaurant an.

Kompliziert wird es nur, als sich die Mörder als Kollegen von Costellos neuen Freunden entpuppen, die ich auch noch denselben Boss haben, gespielt von Simon Yam, einer weiteren Ikone des Hongkong-Kinos.

Und so müssen sich die Killer entscheiden, was ihnen mehr bedeutet, die Loyalität zu ihrem Boss, oder ihr persönlicher Ehrenkodex, der sie an ihr Versprechen dem Gweilo gegenüber bindet. Letztendlich ist Tos inhaltliche Botschaft recht simpel und eventuell auch moralisch etwas fragwürdig – der Titel ist definitiv Programm.

Dennoch macht es erneut viel Freude anzusehen, wie der Regisseur seine Actionszenen mit fast surrealem Touch inszeniert hat und damit an den Grundfesten des Genres rüttelt. Dabei nimmt man es To auch nicht übel, dass er ein wenig bei MEMENTO geklaut hat, als sich herausstellt, dass Costello unter einem schleichenden Gedächtnisverlust leidet, was die Vollstreckung seiner Rache natürlich erschwert.

Und auch wenn es sicherlich interessant gewesen wäre, Delon in einem Film von To zu sehen, erweist sich Halliday mit seinen ungewöhnlichen Gesichtszügen als echter Glücksfall, ohne den man sich VENGEANCE am Ende kaum noch vorstellen kann, und dessen Englisch amüsanterweise kaum besser ist, als das seiner chinesischen Kollegen.

Ein weiteres Highlight in Tos Schaffen, ab Ende August als Kauf-DVD erhältlich, das man aber nach Möglichkeit in der Originalfassung genießen sollte, denn das holperige Englisch aller Beteiligten bei der Verständigung untereinander trägt sicherlich zum besonderen Charme von VENGEANCE bei.