D.R.I.

Dirty Rotten EP

Ihr Slammer-Logo ist ein Klassiker und war noch in den Neunzigern eine der beliebtesten selbstgemalten Verzierungen auf Punkerjacken. Wie das Kreuzlogo von BAD RELIGION stand das Emblem der 1982 in Texas gegründeten, später aber in San Francisco ansässigen Band um Frontmann Kurt Brecht und Gitarrist Spike Cassidy für deren einzigartigen Sound, der zu Beginn klassischer Hardcore war und sich dann über Thrashcore zur Keimzelle von Crossover entwickelte (passenderweise trug ihr ’87er Album genau diesen Titel), ein Sound, der seinerzeit, in der zweiten Hälfte der Achtziger, auch von SUICIDAL TENDENCIES und CORROSION OF CONFORMITY bekannt gemacht wurde.

So richtig aufgelöst waren die DIRTY ROTTEN IMBECILES nie, im Dezember 2010 werden sie sogar mal wieder deutsche Bühnen im Rahmen der Persistance-Tour beehren, doch seit dem „Full Speed Ahead“-Album von 1995 soll es die Aussage Brechts geben, D.R.I.

würden keine neue Musik mehr aufnehmen. Vielleicht keine schlechte Entscheidung, haben D.R.I. doch mit den drei vorliegenden Alben eigentlich mehr geleistet als manch andere Bands in 20 Jahren.

Ich weiß noch genau, wie ich damals, so 1986, im Plattenladen stand, „Dealing With It!“ aus meinen Kopfhörer dröhnte und ich keine Ahnung hatte, was da auf mich losgelassen wurde. Unfassbar kurze Songs, oft nicht länger als eine Minute, in bislang nicht gekannter halsbrecherischer Geschwindigkeit runtergekloppt, dazu angepisster Stakkato-Gesang und Texte, die gegen alles und jeden kotzten, gegen Regierung, Eltern, Krieg.

Ich wusste damals nicht, wie man Punk/Hardcore noch hätte toppen sollen, wie noch intensiver gestalten – und ich weiß es bis heute nicht. Beer City Records, das Skate-Team gewordene Label (oder andersherum) aus Milwaukee und der Band schon seit Jahren mit CD-Releases verbunden, hat nun die Großtat vollbracht, das relevante Frühwerk der Thrasher auf farbigem (rotem) Vinyl neu aufzulegen.

Den Anfang macht dabei die „Dirty Rotten EP“ von 1982, auf der die Band es fertig brachte, 22 Songs in 17:38 und auf die zwei Seiten einer 7“-EP zu quetschen. Über Klangqualität machte man sich damals definitiv keine Gedanken, und die Klassiker „I don’t need society“ oder „Reaganomics“ waren hier erstmals zu hören, und über das „Artwork“ breitet man besser den Mantel des Schweigens.

Unter dem Namen „Dirty Rotten LP“ kam dann 1983 die 12“-Neuauflage, und prinzipiell hätte auch heute die LP gereicht, aber Beer City hält sich konsequenterweise an die Originale und so gibt es beides.

1984 dann kam die „Violent Pacification“-7“, mit fünf Songs geradezu sparsam bestückt, der 1985 der Überklassiker „Dealing With It!“ folgte, der seinerzeit wie „Crossover“ von 1987 auf Metal Blade erschien.

Die Band musste sich damals anhören, sie habe sich Richtung „Heavy Metal“ entwickelt, aber das ist aus heutiger Sicht eine amüsante Randnote, denn Hardcore, ja, die eigenen Hörgewohnheiten wurden seitdem so gründlich „metallisiert“, dass man wirklich musikwissenschaftlich analysieren müsste, was hieran jetzt und aus damaliger Sicht (zu) „metallisch“ sein soll, denn für mich klingt das nach 1a Hardcore.

Wie dem auch sei, „Dealing With It!“ ist Pflichtmaterial für die Ewigkeit, eine meiner zehn besten und wichtigsten Hardcore-Platten. 1987 dann kam „Crossover“, und im Prinzip gilt rückblickend auch für dieses Album das eben Gesagte.

Ja, irgendwie ist es mehr Metal, aber im Vergleich zu dem, was heute als Metalcore durchgeht, ist das nichts. Das Slammer-Logo auf dem Cover glänzt metallisch, aber das darf einen nicht weiter kümmern, denn der klassische D.R.I.-Sound behält die Oberhand – und erst mit den darauf folgenden Alben verabschiedete sich die Band richtig aus der Hardcore-Szene.

Dank an Beer City für die Aufarbeitung dieses essentiellen Teils der Hardcore-Geschichte.