TUSQ

Patience Camp

Eines vorweg: „Patience Camp“ ist eines der besten deutschen Alben des Jahres 2010 und ich muss kein Prophet sein, um zu behaupten, dass sich bis zum kommenden Jahreswechsel auch nichts daran ändern wird.

Dabei habe ich das Gefühl, dass das „Allstar“-Quartett mit Mitgliedern von SCHROTTGRENZE, D-SAILORS, HERRENMAGAZIN und THE COALFIELD seine Fähigkeiten noch lange nicht ausgespielt hat. Ich weiß nicht warum, es fühlt sich einfach so an.

TUSQ erzeugen schon auf ihrem Debüt eine melancholische Grundstimmung, die sich mit den Großen messen lassen kann. Sicher (noch) nicht mit ARCADE FIRE, die ohne Gegner in ihrer eigenen Liga spielen, aber eine Band wie THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES ist nicht weit entfernt und ich frage mich gerade, welche der beiden Bands überhaupt in den Rückspiegel schauen muss, um die andere zu sehen.

Aber vielleicht sollte ich meine Euphorie erst einmal bremsen. Vielleicht ist es nur eine Momentaufnahme, ein erster Überschwang, die passende Situation und die ungemeine Freude über die Tatsache, dass es endlich wieder eine deutsche Band schafft, eine Stimmung zu erzeugen, nach der ich mich so oft verzehre.

Eine Stimmung, wie ich sie in meinem letzten Urlaub beim nächtlichen Blick auf die weitläufige Landschaft der Toskana hatte, das Glas Wein in der einen Hand, die Zigarette in der anderen.

Eine Stimmung, wie ich sie vor mehr als 20 Jahren erleben durfte, als wir schweigend an einem kleinen See in Norwegen saßen, während langsam die Sonne hinter den Bergen verschwand und die Ruhe so unglaublich intensiv war, dass wir einfach nur saßen, minutenlang nicht sprachen und den Augenblick genossen.

Eine Stimmung, wie ich sie oft erlebe, wenn ich KETTCARs „Landungsbrücken raus“, TOMTEs „Schönheit der Chance“ oder „Atmosphere“ von JOY DIVISION in den besonderen Momenten höre. Dass TUSQ „Patience Camp“ abgeschieden im tiefen finnischen Schnee aufgenommen haben, glaubt man jeder Note, jeder seufzenden Melodie und selbst den treibenden Beats.

Ich könnte endlos weitermachen. Dass mich Song Nr. 4 an die vielleicht beste Zeit der Musikgeschichte, die Achtziger erinnert, an die CHAMELEONS, an RED LORRY YELLOW LORRY und da, Song Nr.

5, verdammt ... THE CURE? Keinesfalls kopiert, nur andeutungsweise, ganz dezent. Zehn Songs, keiner zu viel, keiner zu wenig. Nicht einer ein Füller, vielleicht nicht alle unvergesslich, aber mit „Fortune“ könnten sie eines dieser Stücke geschrieben haben, das ich irgendwann mit auf die Insel nehmen will.

Apropos Insel – bitte mal „Patience Camp“ googlen, das Album hören (gerne auch in umgekehrter Reihenfolge ... ich meine, erst hören, dann googlen) und mir Recht geben, dass der Titel passender kaum hätte sein können.

Endlos könnte ich weitermachen, aber irgendwann überschreiten wir die Zeichenhöchstgrenze für die „Top 10 der Ausgabe“.