NEU!

Neu! ’86

Im Jahre 2001 war es ausgerechnet Herbert Grönemeyer gelungen, die beiden Streithähne und ex-Kraftwerkler Klaus Dinger und Michael Rother zusammen an einen Tisch zu bringen und die drei wegweisenden, von Conny Plank produzierten Alben „Neu!“ (1972), „Neu! 2“ (1973) und „Neu! ’75“ (1975) dieser legendären Krautrock-Band endlich offiziell auf CD auf seinem Label Grönland zu veröffentlichen, nachdem jahrelang nur irgendwelche Bootlegs kursierten.

Dieses Jahr erschien dann auch noch mal das NEU!-Gesamtwerk in einer opulenten wie kostspieligen Vinyl-Box, darin enthalten auch überraschenderweise „ Neu! ’86“, besser bekannt als „Neu! 4“, der ewige Zankapfel zwischen Dinger und Rother, hervorgegangen aus einer fruchtlosen Reunion Mitte der Achtziger, wo man sich erneut im Streit trennte, weshalb die 1985 und 1986 entstandenen Aufnahmen lange Zeit nicht veröffentlicht wurden.

Aufgrund der zahlreichen kursierenden Bootlegs diverser NEU!-Platten veröffentlichte Dinger seine Version des Albums schließlich 1995 über das japanische Label Captain Trip, ohne allerdings Rother zu informieren, der darüber wenig erfreut war.

Zumal „Neu! 4“ auch musikalisch eine eher unglückliche Angelegenheit war, eine wirre Ansammlung von Soundfragmenten, darunter ein paar passable Songs, aber weit entfernt von der Brillanz der ersten drei NEU!-Platten.

Vor zwei Jahren verstarb Dinger leider, wie so oft viel zu früh, um die neu entflammte Wertschätzung für seine alte Band voll auskosten zu können, was es allerdings Rother ermöglichte, endlich seine Version des Albums zu veröffentlichen.

Und so wurde nach 15 Jahren aus „Neu! 4“ doch noch ein anhörbares und vor allem vollkommen anderes Album, auf dem sich die typischen fließend rhythmischen NEU!-Sounds gekonnt mit dem Zeitgeist der kommerziellen NDW der Achtziger verbinden.

Zwar immer noch nicht ganz auf der Höhe des NEU!-Frühwerks, aber in dieser Form ein musikalisch wesentlich befriedigenderes Bindeglied zwischen NEU! und dem späteren Schaffen von Dinger und Rother in Bands wie HARMONIA und LA DÜSSELDORF.

Mit einigen wirklich fantastischen Songs wie dem herrlich selbstironischen, stampfenden „Dänzing“, von dem man sich eine doppelt so lange Maxiversion wünschen würde, oder „Crazy“ und „Drive (Grundfunken)“, die gut veranschaulichen, wieso der spezielle NEU!-Sound so einzigartig und zeitlos ist und immer noch als derart einflussreich gilt.

Leider war das, was Rother und Freunde (darunter Steve Shelley von SONIC YOUTH) kürzlich auf ihrer „Hallogallo 2010“-Tour boten, die das Publikum in Köln in einer guten Stunde lieblos abfertigten, der NEU!-Legende weniger dienlich ...