COLIN STETSON

New History Warfare Vol. 2: Judges

Wenn eine Platte ein „Vol. 2“ im Titel trägt, muss das nicht unweigerlich bedeuten, dass es auch Vol. 1 gibt, im Fall von Colin Stetson ist das aber so, der sich in Jazz- und Experimentalmusikkreisen bereits einen Namen machen konnte, aber auch schon im Umfeld von Tom Waits, ARCADE FIRE oder TV ON THE RADIO an den Blasinstrumenten zum Einsatz kam.

Ohne Vol. 1 konkret gehört zu haben, die auf dem kleinen US-Label Aagoo Records erschien, merkt man „New History Warfare Vol. 2: Judges“ sofort an, dass diese Platte etwas ganz besonderes ist.

„Experimentell“ und „Jazz“ sind dabei sicherlich ganz gute Kategorien, werden aber den seltsamen Tönen, die Stetson unterschiedlichen Saxophonen und Klarinetten entlockt, nur bedingt gerecht, eine Musik, die hinsichtlich ihrer Instrumentierung durchaus traditionell und bodenständig daherkommt, gleichzeitig aber auf abenteuerliche Weise konventionelle kompositorische Gesetzmäßigkeiten in abstrakte Grenzbereiche transportiert.

Dabei findet „New History Warfare Vol. 2: Judges“ aber eine fast meditative Ausgewogenheit zwischen kakophonischen, destruktiven Klängen und einer harmonischen, intimen Friedfertigkeit. Denn trotz der überwältigenden avantgardistischen Energien, die Stetson hier an den Tag legt, soll seine Musik zwar fordernd, aber nicht verstörend sein, und die Überwindung dieses scheinbaren Gegensatzes gelingt nur wenigen Künstlern in diesem Bereich so virtuos, wie es hier der Fall ist.

Abgerundet wird diese eigenartige wie mitreißende Platte noch durch die Anwesenheit von Laurie Anderson, der Grande Dame der Experimentalmusik, als Gastsängerin bei vier Stücken.