CAPILLARY ACTION

Capsized

Nach einem Nachmittag voller Hardcore-Geballer eine CAPILLARY ACTION-Platte zu hören ist ein Kulturschock: Habe ich die Playtaste gedrückt oder kommt die Musik von draußen? Nein, sie kommt von drinnen, und „Methheads & mormons“, der Opener, lässt einem keine Chance, sich langsam an den wundervoll wirren Stilmix zu gewöhnen.

Von der ersten Sekunde an ist man mittendrin: New Orleans-Jazz trifft auf mehrstimmige A-capella-Passagen, düsteres Schlagzeugspiel und spitze Trompetentöne kommen dazu, NOMEANSNO und THE EX kommen in den Sinn, Marching-Bands laufen einmal quer durchs Zimmer, Bossa-Nova-Rhythmen klingen an – Jonathan Pfeffer, der „künstlerische Direktor“ von CAPILLARY ACTION hat sich nach „So Embarrassing“ von 2008 selbst übertroffen.

Oder man könnte auch fragen: Wer hat dem was in den Tee gerührt? Im Innern des Digipaks sieht man eine Waldhütte, in der das gesamte Aufnahmebrimborium aufgebaut ist, und man kann sich annähernd vorstellen, wie hier von einer Schar von Musikern dieses faszinierende Sammelsurium an kleinen und kleinsten Song-Bestandteilen eingespielt wurde: hier eine Rassel, da ein Tamburin, dort eine Triangel, etwas Piano, eine Trompete, Violine, Gitarre, Trommel – und das Ergebnis ist keine Kakophonie, sondern ein eine in keinster Weise nervende Einheit.

Musik wie ein Kaleidoskop, sich ständig verändernd, bunt. Ich weiß nicht, wie echt die vorne im Booklet abgedruckte Mail ist, die da vom 24.12.2010 datiert und in der ein Freund Johns schreibt „John, you are a very different person.

[...] Listening to the album now [...], I finally feel less driven to define your craziness.“ Eine verblüffende Aussage, die das Album perfekt beschreibt. Er muss ein ganz autonomer Geist sein, dieser Herr Pfeffer, mit einer klaren Vision, die zu vermitteln ihm nur mit seiner Musik, seinen Texten, seinem Gesang möglich ist.

Welche Botschaft letztlich ankommt, ist eine ganz andere Frage. Ein faszinierendes Album.